56 Einsprachen sind gegen das angepasste Luzerner Projekt «Hochwasserschutz und Renaturierung Reuss» eingegangen, jetzt startet der Kanton mit den Einspracheverhandlungen, die ein Jahr dauern sollen. Gegen die zweite Auflage dieses umstrittenen Projekts konnten Betroffene von Ende Oktober bis Ende November 2019 Stellung nehmen (BauernZeitung vom 13. September 2019).

Offene Fragen

Damals rief die «IG Reuss für einen vernünftigen Hochwasserschutz» wiederum zu Einsprachen auf und auch der Luzerner Bäuerinnen- und Bauernverband (LBV) äusserte sich wie schon bei der Erstauflage im Januar 2015 kritisch gegen das teure Grossprojekt. Vor allem wegen des grossen Kulturlandverbrauchs und offenen Fragen zu den Dienstbarkeitsverträgen, zu möglichem Realersatz und zu den finanziellen Entschädigungen bei Landenteignungen.

Endlich Klarheit schaffen

Zu diesen Themen ist eine Anfrage vom Januar 2020 von Kantonsrätin Marlis Krummenacher und Mitunterzeichnern hängig. Bemängelt wird bäuerlicherseits seit Jahren, dass der Kanton Luzern bei Enteignungen aufgrund des Bodenrechts nur sehr tiefe Preise für Landwirtschaftsland zahlt, auch wenn der Boden danach für Infrastrukturbauten verwendet wird. Zudem sind die bezahlten Preise je nach Kanton sehr unterschiedlich, so werden im Kanton Zug bei Enteignungen mehrfach höhere Entschädigungen geleistet als im Kanton Luzern.

IG-Präsident Patrick Schmid weist auf ein geplantes Treffen im September mit Kantonsvertretern hin. Dann werde Klarheit erwartet bezüglich der Dienstbarkeitsverträge und der Landpreise. Er geht davon aus, dass die Entschädigungen vom Kanton bei Landerwerb künftig nach oben angepasst würden und dass nicht mehr nur auf Ertragswerte abgestellt, sondern die Verkehrswerte berücksichtigt würden. Die betroffenen Betriebsleiter bräuchten endlich Klarheit, was der Kanton zahle und was sie allenfalls als Realersatz bekämen. «Seit fünf Jahren sind wir bei diesem Projekt nun im Gespräch mit dem Kanton und haben bei den entscheidenden Fragen immer noch keine Antworten bekommen», kritisiert Schmid.

«Die Betroffenen brauchen endlich Klarheit.»

Patrick Schmid, Präsident IG Reuss für einen vernünftigen Hochwasserschutz

Vielfältige Einsprachen

Von den 56 eingegangenen Einsprachen mache die land- und forstwirtschaftliche Gruppe wohl die Hälfte aus, sagt Benjamin Häfliger vom Bau-, Umwelt- und Wirtschaftsdepartement, der für das Departement die Einsprachen koordiniert und moderiert. Es gebe aber auch Einsprachen von Privatpersonen mit Einfamilienhäusern, Reit- und Schützenvereinen, Gemeinden, technischen Werken und Umweltverbänden. «Die Interessen und Anliegen sind sehr vielfältig und unterschiedlich.» Seitens Landwirtschaft werde nach wie vor grundsätzlich der Flächenverbrauch kritisiert und, falls daran nicht mehr gerüttelt werden könne, auf Realersatz gedrängt.

Etappierte Behandlung

In der Regel würden nach der Projektbewilligung durch den Regierungsrat die Landerwerbsverhandlungen starten. Im konkreten Fall habe man aber Wert darauf gelegt, mit dem Einsetzen einer land- und forstwirtschaftlichen Begleitplanung, zusammen mit den Betroffenen vorher und frühzeitig gute Lösungen zu erarbeiten, erklärt Häfliger. Auch wenn es eigentlich keinen Rechtsanspruch auf Realersatz gebe.

Dazu seien Szenarien vorliegend, die müssten aber von den zuständigen Gremien noch entschieden werden. Das gelte auch für die Ausgestaltung der Dienstbarkeitsverträge. Weil politische Anfragen zum Thema hängig sind und wegen der Corona-Krise sei es zu zeitlichen Verzögerungen gekommen, sagt Häfliger. Auch deswegen habe man für die Verhandlungen ein ganzes Jahr eingesetzt.

«Die Qualität soll stimmen, wir starten erst mit den Besprechungen mit den Landwirten, wenn wir konkrete Lösungen anbieten können.»

 

Reuss-Projekt

Für das aktualisierte Projekt «Hochwasserschutz und Renaturierung Reuss» werden entlang der Strecke von Emmen bis zu Kantonsgrenze zum Aargau bei Honau 64 ha Kulturland und 66 ha Wald beansprucht.  Nach Projektende könnten zwar wieder 23 ha LN genutzt werden, allerdings nur extensiv, und auch 61 ha Wald. Beansprucht werden 32 ha Fruchtfolgefläche, welche zu kompensieren sind. Das Projekt soll rund 195 Millionen Franken kosten, daran leistet der Bund gegen 80 Prozent. Die Volksabstimmung über das Generationenprojekt findet voraussichtlich 2022 statt.