Vielerorts in der Schweiz werden gegenwärtig – und wegen der Energiewende wohl künftig noch vermehrt – Stromleitungen ausgebaut und neu verlegt. So auch im Aargau. Dort bewegen die Linienführung und Verlegevarianten die Gemüter (siehe Kasten). Während früher fast nur Freileitungen erstellt wurden, sind es nun vermehrt bodenverlegte Leitungen, die forciert beziehungsweise gefordert werden, auch bei höheren Spannungen. Jede Übertragungsvariante habe ihre Vor- und Nachteile, erklärte die Netzbetreibergesellschaft Swissgrid. So hätten Freileitungen Nachteile beim Landschaftsbild und bei der Akzeptanz. Erdkabel böten Nachteile bei Kosten, Betrieb und Instandstellung.

Kampf gegen Freileitungen

Kämpfer an vorderster Front für die Verlegung von Leitungen in den Boden ist der Aargauer Landwirt Hans Kneubühler aus Fischbach-Gösliken. Er ist Präsident im vor über zehn Jahren gegründeten «Verein verträgliche Starkstromleitung Reusstal» (VSLR), der nächste Woche seine Generalversammlung abhält. Der Verein sei eine breite Volksbewegung mit rund 200 Mitgliedern, darunter auch mehrer Bauern. Und auch im Vorstand seien die Bäuerinnen gut vertreten, erklärt Kneubühler. Er ist auch Geschäftsführer des schweizerischen Vereins «Hochspannung unter den Boden» (HSUB).

«Das ist heute technisch durchaus möglich, auch für Hochspannungsleitungen. In Japan werden gar 1000-kV-Leitungen in den Boden verlegt», weiss Kneubühler. Das Thema sei hochbrisant und auch aktuell. Fast wöchentlich würden Landwirte aus der ganzen Schweiz anrufen, welche von Projekten für Stromleitungen betroffen seien. Vor allem im Wallis sei die Stimmung derzeit recht aufgeheizt. Allerdings sei die Opposition dort eher zu spät, die Projekte schon weit fortschritten.

Tipps an Betroffene

Deshalb die Tipps von Kneubühler an Betroffene: Sich rechtzeitig organisieren und eine Gruppe bilden. «Als Einzelkämpferin hat man keine Chance, wird nur ausgespielt.» Dann sollten auch lokale Behörden mit ins Boot geholt werden, damit man gemeinsam auf mehreren Ebenen etwas erreichen könne. Wer sich erst wehre, wenn die Projekte schon weit fortgeschritten und die Variante schon gegeben sei, komme zu spät, weiss Kneubühler.

BVA-Haltung offen

Beim konkreten Projekt im Aargau will auch der Bauernverband Aargau (BVA) Stellung nehmen. Die Haltung sei noch offen, sagt Geschäftsführer Ralf Bucher. Zwar spreche aus Bauernsicht einiges für die Verlegung in die Böden. Anderseits würden offenbar neueste Erkenntnisse zeigen, dass Bodenleitungen sehr bodenbelastend seien und auch Fehlerströme verursachen könnten, die weniger gut lokalisierbar seien. «Wir müssen uns aber noch vertiefter mit dem Thema auseinandersetzen, bevor wir Position beziehen», betont Bucher.

Wenn der Widerstand gegen die Freileitung und die Linienführung im Reusstal entsprechend gross sei, könnten vielleicht noch Anpassungen erreicht werden, hofft Kneubühler. Sonst müssten halt später die Gerichte entscheiden, wenn es zu Einsprachen komme.

 

Neue Starkstromleitung im Aargau

Im Aargau ist eine neue 380-kV-Höchstspannungsleitung zwischen Niederwil und Obfelden geplant, rund 17 km lang. Dies ist ein Teilabschnitt für den Ausbau der Leitung vom Atomkraftwerk Beznau zur Verteilstation Mettlen bei Emmen. Damit könne die Energieverteilung im Mittelland und die Energieversorgung im Grossraum Zürich verbessert werden, lässt die Swissgrid verlauten. Ende November letzten Jahres wurden an einer Informationsveranstaltung das Konzept und der Planungskorridor für das Teilstück im Aargau vorgestellt. Offenbar sollen nur drei Kilometer in den Boden verlegt werden. Die Gemeinden und Bauern wehren sich aber gegen die neue Freileitung. Aufgrund der rechtlichen Rahmenbedingungen sei keine durchgehende Freileitung (wegen des Landschaftsschutzes), aber auch keine durchgehende Kabelleitung (weil der Wald tangiert sei) möglich, war seitens Bundesamt für Energie zu erfahren. Denkbar sei deshalb aufgrund der verschiedensten Interessen, welche zu berücksichtigen sind, eine Hybridlösung mit einem Teil Freileitung und einem Teil Bodenleitung. Noch bis Ende Februar laufen die Anhörung und Mitwirkung der Öffentlichkeit zum Planungskorridor, bis Ende März jene der Kantone. Ende Oktober 2020 soll beim Bundesrat die Festsetzung des Planungskorridors festgelegt werden. Gemäss Terminplan soll die neue Leitung ab 2024 bis 2027 gebaut werden. Danach würde die alte 220-kV-Leitung rückgebaut. 

 

Komplexe Projekte

In solche Projekte seien jeweils mehrere Partner involviert. Recht offen für beide Varianten sei der Netzbetreiber Swissgrid. «Die wollen einfach ihre Leitungen bauen können», hat Kneubühler festgestellt. Bewilligungsbehörde selber ist das Bundesamt für Energie, «dort läuft es eher harzig, die beharren eher auf Freileitungen». Grossen Widerstand gegen bodenverlegte Leitungen stelle er bei der Elektrizitätskommission Elcom, welche auch die Strompreise überwacht, fest, wegen der deutlich höheren Kosten. «Die drängen eher auf möglichst günstige Lösungen», meint Kneubühler.

Standard bis 150 kV

Bei Leitungen bis 150 kV Spannung sei es heute fast Standard, dass diese in den Boden verlegt würden. Das sei mit ein Verdienst des Vereins, der seit Jahren dafür kämpfe. Die Technik erlaube es heute, auch Hochspannungsleitungen in den Boden zu legen. «Die Bodenerwärmung ist minim, die Strahlenbelastung und auch die Energieverluste viel geringer als bei Freileitungen», sagt Kneubühler. Zudem seien Bodenleitungen besser abschirmbar. Widerstand gebe es eigentlich nur wegen der Kosten, und wegen fehlender Erfahrung. Anderseits wachse der Widerstand gegen Freileitungen. «Wer will schon bis zu 100 Meter hohe Masten auf seinem Betrieb oder nahe seines Hauses.»«Die Verlegung von Leitungen in die Böden ist heute technisch machbar.»

 

Opposition auch bei Schwyzer Bauern

Im Kanton Schwyz gibt es seit Jahren ebenfalls Kritik gegen die Linienführung einer Stromleitung der SBB in Rothenthurm. Die Zeichen stünden auf Sturm, habe kürzlich Gemeindepräsident Stefan Beeler an der Gemeindeversammlung erklärt, berichtete der «Bote der Urschweiz». Die Gemeinde und Anwohnerinnen, und auch mehrere betroffene Bauern, verlangen eine andere Linienführung als von den SBB vorgesehen. Diese Leitung führt sehr nahe an Höfen vorbei. Auch die Bauernvereinigung Schwyz schaltete sich schon 2018 ein und unterstützte den Antrag für eine weiter weg von den Höfen frei verlegte Leitung. Die Bauernfamilien würden sich mit allen Mitteln wehren, schliesslich gehe es um den Schutz von Mensch und Tier, hiess es im Schreiben. Die Anliegen wurden bisher nicht berücksichtigt. Die SBB stellen sich auf den Standpunkt, dass es keinen Anlass gebe, den vom Bundesrat festgesetzten Korridor zu ändern. Zudem liege im vorgeschlagenen neuen Korridor ein Flachmoor und Gebiet für Raufusshühner. «Werden nun die mögliche Beeinträchtigung des Lebensraumes der Raufusshühner mehr gewichtet als die Risiken für Bauernfamilien, welche mit ihren Höfen nicht weichen können?», nervt sich Franz Philipp, Geschäftsführer Schwyzer Bauernvereinigung. Wenn sich die SBB nicht bewegen würden, sei grosser Widerstand  zu erwarten, sind sich der Bauernvertreter wie der Gemeindepräsident einig.