Waren Sie schon einmal an einer Demo? Nicht als Zuschauer, sondern als Mitläufer, der ein Plakat schwenkt und Parolen schreit bis zur Heiserkeit. Wenn ja, dann wissen Sie: Da passiert etwas, es entsteht ein starkes Gefühl von Zusammenhalt. Man ist umgeben von Menschen, die Dasselbe fordern, wird getragen von ihren Stimmen, fühlt sich unterstützt und stark.
Es wirkt nach innen...
Demonstrationen haben eine Wirkung nach innen, auf die Teilnehmenden. Aber meist ist das Ziel nicht ein besseres Wir-Gefühl, sondern eine grössere Veränderung ausserhalb der Bewegung. Schliesslich gehen Menschen meist dann auf die Strasse, wenn sie sich mit einem für sie alleine nicht bewältigbaren Problem konfrontiert sehen. Im Fall der Klimastreikenden ist das Problem der Klimawandel bzw. dessen Begrenzung. Bei Bauernprotesten in der Schweiz ist der Auslöser meist die schlechte Einkommenslage der Landwirte.
... und nach aussen
Eine Menschenmasse, die laut und selbstbewusst ihre Meinung auf der Strasse kundtut, ist ein starkes Bild. Gerade im Zeitalter von sozialen Medien und Smartphones verbreiten sich Fotos schnell und erreichen viele Menschen. Bilder bewegen mehr als Text, denn sie können Informationen und vor allem Emotionen schneller transportieren. Und Gefühle sind eine Art Kleber für Informationen: Emotionales bleibt besser im Gedächtnis hängen. Ein gutes Beispiel sind die Bauernproteste in den Niederlanden, wo am Dienstag 2000 Landwirte mit Traktoren munter auf Schnellstrassen kurvten und den Verkehr blockierten. Das Ganze mit blinkenden Pannenlichtern.
Nicht nur Traktoren, auch andere Symbole kommen zum Einsatz, um eine Aussage zu verdeutlichen. So übergab Markus Ritter anlässlich einer bäuerlichen Demonstration gegen die Sparpläne des Bundesrats 2015 eine Ess- und eine Heugabel. Die Botschaft: Bauern arbeiten (Mistgabel) für die Lebensmittelversorgung (Essgabel). Ein klassisches Symbol für die Bedrohung durch den Klimawandel ist der verlorene Eisbär auf einer Eisscholle geworden.
Nützlich, wenn der Einzelne gefordert ist
Aber was nützt es, wenn viele Menschen ein Bild von Aktivisten, ihren Symbolen und Plakaten sehen und ihre Forderungen hören? Das hängt davon ab, welches Anliegen die Demonstration ausgelöst hat. Beim Klimastreik geht es nicht nur um fehlendes politisches Handeln, sondern auch einen gesellschaftlichen Wandel hin zu mehr Nachhaltigkeit. Es braucht das persönliche Engagement jedes Einzelnen, dass man also keine Flugreisen unternimmt, seinen Konsum reduziert. Insofern kann es durchaus nützlich sein für das Anliegen des Klimaschutzes, wenn sich Bilder und Botschaften verbreiten.
Etwas anders sieht es bei bäuerlichen Forderungen aus. Zwar kann es durchaus Solidarität wecken, wenn jemand Produzenten für einen fairen Milchpreis demonstrieren sieht und von ihrer Not hört. Aber es bringt wenig, wenn einige Konsumenten mehr für die Milch bezahlen würden. Die Preise werden vom Markt bestimmt. Kunden im Laden haben wenig direkten Einfluss. Bei derartigen Problemen sind die Demonstranten darauf angewiesen, dass ihre Forderungen politisches Gehör finden.
Eine klare Forderung funktioniert besser
Das Problem besonders bei grossen Demonstrationen ist, dass das eigentliche Anliegen verwässert werden kann. Auf selbst gebastelten Plakaten steht so Manches. Dadurch geht vielleicht ein Teil der Kraft verloren, weil sozusagen der Druck der Strasse auf mehrere Botschaften verteilt wird. Ausserdem besteht die Gefahr von Pauschalisierungen und Vereinfachungen – nicht alles, was einen eingängigen Slogan ergibt, ist auch im Kern richtig.
Die grösste Wirkung ist zu erwarten, wenn viele Menschen geeint hinter einer klar formulierten Forderung stehen. Wie stark genau sich Demonstrationen auswirken, ist schwer zu messen. Auch weil die Mühlen der Politik langsam mahlen. Aber sie bleiben auf jeden Fall in Erinnerung.