Christine Gerber tritt als Vizepräsidentin des Berner Bauernverbands im kommenden Frühling zurück. Das Ganze wirkt wie ein gut gehütetes Geheimnis, denn bisher weiss kaum jemand, dass der Posten zu haben wäre. Entsprechend mager ist das Kandidatinnenkarussell. «Nein nein, wir halten das nicht geheim», winkt Christine Gerber am Telefon ab, «der Vorstand des Berner Bauernverbands ist informiert, dass ich zurücktrete und der Verband Bernischer Landfrauenvereine (VBL) ist bereits dabei, eine Nachfolgerin zu suchen». Das Vizepräsidum steht nämlich fix dem VBL zu.
Gängiges Rollenbild
Christine Gerber ist seit 2013 als Vizepräsidentin an der Seite von Präsident Hans Jörg Rüegsegger unterwegs. Gerber war bei ihrer Wahl in das Vizepräsidium gerade noch ein Jahr als Präsidentin des VBL tätig und trat 2014 wegen Amtszeitbeschränkung zurück. Seither ist der Bäuerin und sechsfachen Mutter auch der Sprung in den Berner Grossrat gelungen. Dort soll sie sich öfters an Rüegseggers Meinung orientieren, wie aus den Reihen der Grossräte übermittelt wird. Eine Vizepräsidentin also, die sich nicht über das Rollenbild hinwegsetzt. So repräsentiert der Berner Bauernverband wohl das gängige Bild auf vielen Berner Bauernbetrieben. Daraus macht Christine Gerber keinen Hehl: «Wenn sich eine Frau in einem Amt engagiert, ist es trotzdem nicht das Gleiche, wie wenn es ein Mann tut.» Sie spricht damit die Vielfachbelastung der Bäuerinnen an, welche neben Betrieb, Haushalt, Kindern und Grosskindern heute oftmals noch einem Nebenerwerb nachgehen.
Eine Junge von aussen
«Früher hatte es auf den Betrieben viel mehr helfende Hände», spricht sie die grosse Belastung an. Heute sei das Betriebsleiterpaar oftmals alleine und wenn sie weg seien, stehe der Betrieb still. Trotzdem würde sich Christine Gerber wünschen, dass sich eine junge Frau findet, welche die neue Generation Bäuerinnen kraftvoll im Berner Bauernverband vertritt. «Jemand Junges von aussen wäre super», betont sie und wünscht sich eine Frau, die aktiv auf dem Betrieb mithilft und die Zukunft der Berner Bauernbetriebe mitprägen will. Das ist übrigens auch der Grund für ihren Rücktritt: «Wir übergeben unseren Betrieb an Neujahr an unsere Nachfolger und ich möchte, dass das Vizepräsidium eine aktive Bäuerin innehat.»
«Jemand Junges von aussen wäre super.»
Christine Gerber, Vizepräsidentin Berner Bauernverband
Denn, so ist sie sich sicher, auch wenn Frauen nicht immer im Vordergrund stehen und ihre Arbeit gross herausstreichen, man erreiche viel mit Inputs an Sitzungen aus weiblicher Sicht. Ihr sei es immer wichtig gewesen, dass sie sagen durfte, was sie aus Sicht der Frau zu einer Sache meine. Und oftmals habe sie dann im Nachhinein auch festgestellt, dass aus ihren Inputs etwas geworden sei. Es gehe darum, gemeinsam etwas für die Bauernfamilien zu erreichen und nicht darum, persönliche Leistungen in den Vordergrund zu rücken. Aber auch die persönliche Entwicklung profitiere von so einem Engagement. Man lerne, vor Leute hinzustehen und seine Meinung zu vertreten, sieht sie die Chancen für eine junge Frau. Denn wegen dem Geld müsse man nicht in einem Verband mitarbeiten, meint sie schmunzelnd.
Stellenprofil erstellt
Die Nachfolgerin Christine Gerbers im VBL ist Rita Gfeller aus Herbligen. Sie amtete vor 2014 als Vizepräsidentin an Christine Gerbers Seite. Nun hat sie nicht nur die Zügel der Bäuerinnen und Landfrauen in der Hand, ihr steht auch die Aufgabe zu, sich um die Nachfolge Gerbers im Vorstand des Bauernverbands zu kümmern. Dafür wurde beim Berner Bauernverband ein Anforderungsprofil erarbeitet, wie Hans Jörg Rüegsegger, Präsident Berner Bauernverband, auf Anfrage der BauernZeitung ausführt. Er nennt es vielmehr «Stellenprofil». Dabei handelt es sich aber nicht um ein schriftliches Stück Papier. «Wir müssen über Qualität reden», sagt Rüegsegger.
«Es muss eine aktive Bäuerin sein.»
Rita Gfeller, Präsidentin VBL
Und dort hinein spielten auch Eigenschaften wie Vernetzung, Präsenz und Repräsentation. So sei ein gewisser Aufwand mit der Aufgabe verbunden. Mit dem ausformulierten Anforderungsprofil gedenke man, die Qualität der geleisteten Arbeit im elfköpfigen Kleinen Vorstand möglichst hochzuhalten oder sogar zu steigern.
Politisches Interesse
Das Anforderungsprofil soll aber nicht nur auf der Suche nach der neuen Vizepräsidentin helfen, sondern auch bei der künftigen Suche nach anderen Vorstandsmitgliedern. Dabei sei auch ein gewisses politisches Interesse vonnöten. Nicht Parteipolitik, wie Rüegsegger betont. «Wir brauchen Leute, die sich für Lösungen einsetzen können und die politischen Abläufe kennen.» Auch für Rita Gfeller ist klar: «Es muss eine aktive Bäuerin sein!» Neben dem politischen Interesse sei eine gute Vernetzung innerhalb der Branche vonnöten. Sie müsse ein sicheres Auftreten mitbringen und die Anliegen der Bäuerinnen «nach innen und aussen zu vertreten wissen.»
Einervorschlag geplant
Christine Gerber tritt also im April 2020 zurück. Dann gedenkt der VBL mit einem Einervorschlag an die Mitgliederversammlung des Berner Bauernverbands zu reisen. «Wir streben keine Kampfwahl an», sagt Rita Gfeller auf die Frage dieser Zeitung, ob auch möglich wäre, mit verschiedenen Kandidatinnen anzutreten. Zur Rekrutierung wurden die Unterverbände nicht angeschrieben, wie Rita Gfeller bestätigt. Der Sitz steht dem VBL zu, für die Besetzung seien die Bäuerinnen und Landfrauen daher in Eigenregie zuständig. Als Findungskommission amtet die VBL-Fachkommission Bäuerin. Aktiv sei man schon länger, erklärt Gfeller. So hätten verschiedene Gespräche stattgefunden. Wie sie ausführt, scheint gar die geeignete Kandidatin griffbereit. «Ich will keinen Namen nennen, bevor die Kandidatur nicht sicher feststeht», sagt sie weiter. Mit der Bekanntgabe ist wohl erst in den beiden ersten Monaten des kommenden Jahres zu rechnen. Die Kandidatin wird dann im April, an der Mitgliederversammlung der Berner Bauern, gewählt.