Das Ende des Alpsommers naht, und auf Alpelen zieht Ruedi von Büren nach seinem ersten Sommer als angestellter Hirte auf einer Jungviehalp Bilanz: «Jungvieh wird bei der Berechnung der Normalstösse mit 0,6 GVE zu tief eingestuft.» Alperfahrung hat er auf Milchviehalpen sammeln können. Z Alp ging er 2012, dann 2014 und 2015,  in Engelberg und im Maderantertal.   Die Stossberechnung auf Rinderalpen sollte flexibler gehandhabt werden. «Die Rinder haben sich verändert, sind grösser, fressen heute viel mehr als früher.» Statt mit 0,6 müssten trächtige Rinder mindestens mit 0,7 Grossvieheinheiten (GVE) eingestuft werden.

Rinder fressen mehr

Viele Talbauern teilen seine Meinung: Trächtige Rinder würden ebenso viel fressen wie eine Milchkuh, Jungvieh werde heute intensiver gehalten als früher. Auf Alpen wirkt sich die aktuelle GVE-Berechnung aus. Nicht wenige Jungviehalpen haben Mühe, das Minium der festgelegten Normalstösse zu erreichen, um nicht Kürzungen der Sömmerungsbeiträge hinnehmen zu müssen. Mehr Tiere aufzuführen, sei kaum realistisch, ebenso wenig wie die Verlängerung der Alpzeit. «Je mehr Tiere und je länger die Tiere hierbleiben, umso weniger Erholungszeit haben die Alpen», ist Ruedi von Büren überzeugt. Das würde zudem den Böden schaden. Auf ungedüngten Alpen, die nur beweidet werden, wachse nicht mehr Gras, trotz teils wärmerer Temperaturen. «Die Böden geben nicht mehr her.» Das Potenzial sei gegeben, danach müssten sich die Normalstösse richten.

 

«Alpelen»

Alpelen  gehört der «Alpgenossenschaft von Viehzüchtern des Kantons Luzern», seit über 100 Jahren. Mitglieder sind zwölf Luzerner Bauern, nur mehr ein Teil aktiver Züchter lässt hier das Jungvieh sömmern. Inzwischen sind auch Tiere von Gastlieferanten hier. Die Alp erstreckt sich von 1200 bis 1700 m ü. M., ist rund 60 ha gross, definiert sind 55 Normalstösse. Früher wurden die Tiere mit Nauen über den See gefahren, ab Beckenried begann der Marsch. Heute wird das Vieh  per Lastwagen bis zur Alp geführt. 

 

F1-Rinder sind genügsamer

Ruedi von Büren betreut auf Alpelen hoch über Beckenried zwischen Klewenalp und Buochserhorn rund 88 Stück Jungvieh. Inzwischen kommen verschiedene Rassen zusammen, früher war dies eine reine Braunviehalp. Die meisten sind hornlos, kommen aus Laufställen. Nur drei Tiere seien OB, viele Braune, aber auch Fleckvieh und nun vermehrt auch F1-Tiere (BS×LI), welche danach zu Mutterkuhbetrieben gehen. «Das sind übrigens klar die Genügsamsten, die gehen überall hin.» Bei der Haltung gebe es ansonsten kaum mehr Unterschiede, und auch das Fressverhalten sei nicht verschieden, stellt von Büren fest. Neben trächtigen Rindern und Jährlingen wurden in den letzten Jahren mehr November-Kälber aufgeführt, diesmal zwölf Stück. Auch um die nötigen Normalstösse zu erreichen und zur flexiblen Nutzung der Weiden.

Frühes Abkalben passt nicht

Vom Nutzen der Alpung für das Jungvieh ist Ruedi von Büren überzeugt. So lernten die Tiere fressen, sich unter erschwerten topografischen und klimatischen Bedingungen bewegen, würden so robuster. Mit Jungvieh könnten Flächen bestossen werden, die sich für Milchvieh nicht eignen. «Für Jungvieh und tragende Rinder ist das eine wunderschöne Alp hier.» Problematisch sei es, wenn zu junge Tiere aufgetrieben würden. «Rinder mit zwei Jahren abkalben zu lassen und gleichwohl vorher alpen zu wollen, das passt nicht.» Von Büren findet, dass ein späteres Erstkalbealter, mit rund 30 Monaten, nur Vorteile hätte, auch für die Langlebigkeit der Tiere. Auch für Talbetriebe sei die Alpung vorteilhaft, bringe Arbeitserleichterungen gerade über den Sommer und ermögliche ein gutes und genügend Winterfutter.

Bauer in Ausbildung

Wohnhaft ist Ruedi (29) zusammen mit seiner Frau Manuela (25) und dem achtmonatigen Sohn Theo sonst auf dem Betrieb Oberacheri in Buochs. Dort ist Manuela aufgewachsen, den Betrieb der Schwiegereltern können sie in einigen Jahren übernehmen. Der ist 13 ha gross in der Zone I, dazu gehört eine gepachtete Alp. Im Stall stehen 22 Milchkühe, welche auch gealpt werden. Die Milchwirtschaft möchte er beibehalten, zumal der Sbrinz-Käse aus der silofreien Milch gefragt ist. Den Betrieb möchte er den Sommer über, zusammen mit der Alpung, als Vollerwerbsbetrieb führen. Die beiden Jungen gehen jetzt schon einem Nebenerwerb nach, so macht Ruedi ganzjährig Aushilfen bei Transporten für eine Viehvermarktungsfirma.

Der gelernte Zimmermann, auf einem Bauernhof seines ­Onkels in Ennetmoos aufgewachsen, macht derzeit berufsbegleitend die dreijährige Nachholbildung zum Landwirt EFZ an der Bauernschule in Seedorf.  «Mein Herzenswunsch ist es immer gewesen, selber zu bauern. Dank Manuela ist dieser Traum nun möglich.»

Verliebt in die Alp

Hauptmotivation für die neue Stelle auf dieser Alp sei die nötige Praxis für die landwirtschaftliche Ausbildung. Und dass diese so nah an ihrem Wohnort Buochs liegt, kommt der jungen Familie und ihren Zukunftsplänen sehr entgegen. So sei auch die Mithilfe bei der Bewirtschaftung des Talbetriebes möglich. Von Büren freut sich deshalb auf weitere Alpsommer auf Alpelen. Vor allem wenn in der sa­nierungsbedürftigen Alphütte nächstes Jahr ein Bad eingebaut werden könnte. Und er schätze die Selbstständigkeit und den Freiraum, welche ihm die Genossenschaft belasse. «Ich habe mich bereits in diese Alp verliebt.»

Die ersten Erfahrungen nach dem Alpsommer 2020 seien sehr positiv. Der Alpaufzug war früh am 29. Mai. Die Betreuung einer Jungviehalp sei aber völlig anders und flexibler als auf einer Milchviehalp. Die grosse Arbeitsspitze sei das Zäunen, gerade auf Alpelen sei dies im Frühjahr sehr aufwendig und müsse in kurzer Zeit erledigt werden. Vieles muss über längere Strecken getragen werden, da sei er froh um die Mithilfe der Verwandtschaft gewesen.

Wasser besser fassen

Die Alp sei in sehr gutem Zustand, wurde vom Vorgänger-Hirtepaar viele Jahre sehr gut betreut. Im Gegensatz zu Vorjahren wird aber nicht mehr geheut, sondern die geeigneten Parzellen werden mit den Kälbern beweidet. Das Wildheuen an steilen Flanken des Buochserhorn besorgt eine auswärtige Equipe im Auftrag der Genossenschaft.  Zu achten sei auf die Verbuschung, «der Wald drückt». Unkraut gibt es wenig, und nur wenige Stellen seien vernässt. Die vor Jahren erstellte Drainage auf einigen Flächen zeige nun positive Wirkung. Und es brauche eben je nach Wetter eine schonende Beweidung und mehr Unterteilungen. Wobei dafür die Tränkestellen entscheidend seien. Die sollen künftig optimiert und Quellen neu gefasst werden. Wasser habe es auf dieser Alp eigentlich genügend, auch in trockenen Jahren. Zu verbessern sei eher die Qualität, wegen zu oberflächlicher Fassungen. Und es wäre ideal, wenn mehr Tränkestellen zur Verfügung stünden. «Die Menge ist nicht das Problem, aber es sollte besser genutzt werden.»

 

GVE-Faktoren anpassen?

Die Umrechnung von Vieh in Grossvieheinheiten (GVE) sei immer wieder ein Thema, sagt Andreas Egli vom Nidwaldner Amt für Landwirtschaft. Jede Änderung schaffe aber wieder neue Diskussionen und vermeintliche Ungerechtigkeiten. Dass Rinderalpen in Nidwalden wegen der GVE-Faktoren die Normalstösse knapp erreichen, kann er nicht bestätigen. Peter Zihlmann von der Luzerner Dienststelle Landwirtschaft und Wald stellt auf den Luzerner Alpen fest, dass eher der Über- statt Unterbesatz ein Thema ist. «Würden die GVE-Faktoren für Rinder nach oben angepasst, bekämen wohl einige Alpen eher wegen Überbesatz ein Problem», sagt er. Zihlmann hört von Bauern aber oft, dass die schwerer gewordenen Rinder heute eher zu tief eingestuft seien. Grosse Unterschiede gebe es aber auch bei den Kühen, leichte Dexter gelten ebenso als eine GVE wie etwa eine schwere Charolais. Die GVE-Faktoren aber nach Rasse anzupassen, sei kaum realistisch, vor allem wenn noch Kreuzungen berücksichtigt würden. Eine Erhöhung der GVE-Faktoren hätte im übrigen auch Auswirkungen auf die Nährstoffbilanz, betont Peter Zihlmann.

 

 

Normalstösse

Auf  Alpen sind  Normalstösse definiert, um eine Über- oder Unternutzung zu vermeiden. Grundlage für die Berechnung war der Normalbesatz vor über 20 Jahren. Ein Normalstoss entspricht einer raufutterverzehrenden Grossvieheinheit (RGVE) während 100 Tagen. Daraus berechnet werden die Sömmerungsbeiträge. Wird eine Alp überbestossen, gibt es Abzüge. Bei einem Unterbesatz in den letzten drei Jahren unter 75 Prozent legt der Kanton einen neuen Normalbesatz fest. Das verändert auch die Beitragshöhe.