Die Weinbranche kämpft bereits seit einigen Jahren mit Absatzschwierigkeiten. Die Corona-Krise hat ihr zusätzliche Erschwernisse gebracht: So ist nicht nur der Absatz im Gastro-Sektor weggebrochen, auch Events, Ausstellungen und Feste sind weggefallen. Seit demRebjahr 2019 sind die Walliser Weinkeller voll – mit teilweise drastischen Folgen für die Traubenproduzenten.
Wein statt Geld
Die Situation sei in der Tat enorm schwierig, bestätigen verschiedene Walliser Produzenten, die ihre Trauben an die grossen Kellereien im Rhonetal liefern. Viele von ihnen haben die Erschwernisse auf dem Weinmarkt im vergangenen Jahr deutlich zu spüren bekommen. So haben sie etwa als Entgelt für ihre Ware unangekündigt Wein anstelle von Geld erhalten, den sie anschliessend selbst verkaufen mussten.
Das stellt besonders diejenigen unter ihnen, die vom Traubenverkauf leben, vor grosse Probleme: «Vielen von uns fehlen die Absatzkanäle, um urplötzlich viel Wein aufs Mal zu verkaufen. Der Verkauf erfordert somit einen unerwarteten Mehraufwand, den so mancher nicht einfach stemmen kann», weiss ein Produzent. Ein anderer weiss von Abnehmern, die unter Produktionskosten bezahlen, oder sogar plötzlich auf die seit Jahrzehnten gelieferten Mengen verzichten würden. Wie seine Kollegen möchte er seinen Namen nicht in einer Zeitung lesen,zu gross sei die Abhängigkeitvon den Abnehmern und damit verbunden die Angst vor Repressionen.
Produzenten verärgert
Unter welchem Druck die Traubenproduzenten stünden, zeige sich auch am Wein, den sie von den grossen Weinhändlern als Entgelt erhalten hätten, hört man hinter vorgehaltener Hand. «Man erhält beispielsweise nicht dieselbe Qualität zurück, die man geliefert hat», ärgern sich Produzenten. Die Qualität des Weins, den man erhalte, entspreche häufig nicht der Qualität der Trauben, die den Abnehmern geliefert wurde. Störend sei zudem, dass einzig die gelieferte Sorte für die Bezahlung zur Auswahl stehe. Der Verkauf des Weins werde dadurch noch zusätzlich erschwert.
Auch ein anderer Produzent ist nicht zufrieden mit dem Wein, den er aufgedrückt bekam: «Ich nehme regelmässig etwas Wein zurück, den ich dann zu einem guten Preis an Freunde und Bekannte verkaufen kann», berichtet er. Nun habe er aber einen fünfmal teureren Wein entgegennehmen müssen, den er nur mit Mühe und Not und letzten Endes ohne jeglichen Gewinn habe verkaufen können.
Wer reklamiert, verliert
Wer allerdings bei seinem Abnehmer gegen ein solches Vorgehen reklamiere, laufe Gefahr, dass dieser künftig keine Trauben mehr annehmen wolle, befürchten die Traubenproduzenten: «Viele Weinhändler haben es gar nicht nötig, sich auf die Beschwerden kleiner Lieferanten einzulassen. Sie sind dafür schlicht zu gross geworden und zu diversifiziert. Wer nicht spurt, wird im nächsten Jahr einfach übergangen und muss selbst sehen, wo er bleibt.»
Abnahmeverträge zwischen Lieferanten und Weinhändlern existierten vielerorts nicht, sagen die Traubenlieferanten. Seit Jahrzehnten laufe der Verkauf der Trauben ganz pragmatisch per Handschlag und im gegenseitigen Vertrauen. Das habe gut funktioniert, solange Wein begehrt und Trauben von guter Qualität gefragt gewesen seien. Wenn sich heute ein Weinhändler während der laufenden Saison anders entscheiden würde, blieben die Produzenten aufihren Trauben sitzen, wird berichtet.
Branche im Umbruch?
Der Walliser Weinbau steht indes nicht nur wegen der Corona-Pandemie unter Druck. Auch die Importe bringen die Branche seit Jahren in Bedrängnis. Zusätzlich macht das sich verändernde Trinkverhalten den Winzern zu schaffen. Vornehmlich jüngere Leute trinken weniger Wein und greifen lieber zu anderen alkoholischen Getränken.
Weiter konkurriere man innerhalb des Kantons, sagen die Oberwalliser Traubenproduzenten. Während das Unterwallis früher vornehmlich Weiss- und das Oberwallis Rotwein pro-duziert hätten, werde heute überall alles angebaut. Das führe zu Konkurrenz untereinander, monieren die betroffenen Deutschwalliser.
Kleine geben auf
Die Folgen all dieser Entwicklungen wirkten sich negativ auf die gesamte Branche aus, ist man sich unter den Traubenproduzenten einig: «Der grosse Druck und die Abhängigkeit von den Abnehmern führen zu einer schlechten Stimmung. Vielen kleinen Produzenten und solchen, die im Nebenerwerb produzieren, wird das Risiko, im Herbst auf guter Ware sitzen zu bleiben, zu gross. So gibt einer um den anderen auf und überlässt das Feld notgedrungen den grösseren Weinhändlern; schon heute gibt es fast keine hauptberuflichen Traubenlieferanten mehr», sagt ein Produzent.
Von dieser Situation würden die grossen Player profitieren: «Weniger Lieferanten bedeuten weniger bürokratischen Aufwand. Wenn dann noch mit Naturalien anstelle von Geld bezahlt wird, fällt auch weniger Kapitalfluss an und es wirdweniger Lagerfläche benötigt. Das rechnet sich am Ende.»Den Traubenproduzenten bleibe nichts anderes übrig, als den Wein bestmöglich zu verkaufen, sich andere Abnehmer zu suchen oder aufzugeben. «Damit verlieren wir eine Familientradition und ein Stück Heimat», sind sich die Produzenten einig.
Problem ist bekannt
Dass unter den Walliser Traubenproduzenten grosse Verärgerung über die Entwicklungen herrscht, ist auch den kantonalen Stellen bewusst. Auf Anfrage der BauernZeitung schreibt Georg Bregy, Adjunkt und Stellvertreter des Dienstchefs der Dienststelle für Landwirtschaft des Kantons Wallis: «Diese Praxis fällt unter die privatvertraglichen Beziehungen zwischen Winzer und Einkellerer, welche deren Bedingungen auszuhandeln haben.» Dem Kanton sind demnach faktisch die Hände gebunden. Trotzdem gelten die bestehenden Gesetze, wie Bregy weiter ausführt: «Zu beachten sind dabei insbesondere das Weinhandels-, das Lebensmittel- und das Steuerrecht.»
Ein Walliser Problem
Während die Problematik im Rhonetal sich von Jahr zu Jahr verschärft, werden die Traubenlieferanten in anderen Landesteilen nach wie vor nur auf Wunsch mit Wein entlöhnt.
Das Problem bestehe im Kanton Graubünden nicht, berichtet etwa Walter Fromm, Rebbaukommissär am Plantahof in Landquart. Die Traubenlieferanten in den Bündner Weinbaugebieten würden nur auf Wunsch Wein zurückerhalten; im Regelfall bekämen sie Geld für ihre Ware, erklärt er. Auch das Corona-Jahr habe der regionale Weinbau vergleichsweise gut überstanden. Auf dem Weinmarkt sei es durch den Wegfall des Gastro-Sektors zwar zu leichten Verschiebungen und kurzfristigen Einbrüchen gekommen, diese habe man aber im Lauf des Jahres wieder abfedern können.
Auch Markus Leumann von der Fachstelle Rebbau der Kantone Schaffhausen, Thurgau und Zürich hat keine Kenntnis von vergleichbaren Fällen in der Nordostschweiz. Es komme vor, dass Traubenlieferanten einen Teil ihres Entgelts in Wein zurücknähmen, allerdings geschehe dies jeweils auf Wunsch der Lieferanten, sagt er auf Anfrage. Es scheint also, dass es sich um ein spezifisches Walliser Problem handelt.