Der Leidensweg von Ruedi Wüthrich ist lang, sehr lang sogar. Seit bald drei Jahren kämpft er schon mit Behörden, Ämtern und eben mit dem Biber auf seinem Land. «Am Anfang war ich noch Einzelkämpfer, in der Zwischenzeit sind mehrere Landwirte dazugekommen, die sich gegen eine Ansiedelung des Bibers zur Wehr setzen», hält Wüthrich fest. Unterstützung bekommen die betroffenen Bauern jetzt auch vom Berner Bauernverband. Da der Biber zu den geschützten Tierarten zählt, ist die Sachlage aber recht kompliziert.

Seit drei Jahren im Gebiet anwesend

Seit drei Jahren ist der Biber nun ansässig im Steckibach bei Allmendingen b. Bern. Der kleine Bach fliesst entlang besten Kulturlands. Die Bachböschung ist mit verschiedenem Gehölz und Baumarten versehen – ein idealer Lebensraum für das Nagetier. «Seit der Biber da ist, haben wir nicht nur mit verstopften und nicht mehr funktionstüchtigen Drainagen zu kämpfen, sondern auch mit Schäden in den Ackerkulturen», sagt Ruedi Wüthrich. Denn der Nager hat Mais, Rüben und Gras zum Fressen gerne. «Wir können und wollen nicht mehr tatenlos zusehen, wie der Biber sich in unserem besten Ackerbaugebiet ausbreitet», hält der Meisterlandwirt fest. So ist auch eine 3,3 ha grosse Parzelle von Wüthrich von der Anwesenheit des Bibers betroffen. Wegen des nicht mehr gut funktionierenden Drainagennetzes fliesst das Regenwasser nicht mehr richtig ab und es kommt zu Staunässe auf dem Feld.

40 000 Franken in ein Drainagenetz investiert

«Vor sechs Jahren haben wir das Drainagennetz für 40 000 Franken saniert und selber finanziert und jetzt macht der Biber wieder alles kaputt», ärgert sich Ruedi Wüthrich. Bleibe das Wasser auf der Parzelle liegen, sei ein Befahren mit Traktor und Maschinen unmöglich geworden. Zuständig für die Biberproblematik im Steckibach seien die Gemeinden Worb, Allmendingen, das Jagdinspektorat sowie die UNA, das Atelier für Naturschutz und Umweltfragen.

Ein Projekt soll Abhilfe schaffen

In einer Machbarkeitsstudie haben die Behörden nun aufgezeigt, wie man die Biber-Problematik lösen könnte. Die Studie sieht vor, dass man beidseitig entlang des Baches eine Sammelleitung baut, damit das Regenwasser aus den Drainageleitungen dort hineinfliessen kann. Die Leitung und das gesammelte Wasser sollen dann einen Kilometer weiter unten, nach den Biberbauten, wieder in den Steckibach fliessen. Der Kostenpunkt des Projekts: zirka 3,5 Millionen Franken. Auch die betroffenen Landwirte sollen beim Projekt zur Kasse gebeten werden.

Die Forderungen der Bauern sind deponiert

«Wir haben jetzt in Zusammenarbeit mit dem Berner Bauernverband einen Brief verfasst, um im Rahmen der Mitwirkung die Problematik und die Forderungen der betroffenen Landwirte zu deponieren», hält Ruedi Wüthrich fest. Auch er selber stellt gewisse Anforderungen an das Projekt: «Es müssen zwingend bei allen fünf Bacheinmündungen Kontroll- und Serviceschächte eingebaut werden», sagt er klar und deutlich. Da auch eine SBB-Unterführung durch das Drainageleitungsnetz entwässert wird, brauche es dazu weder Pumpen noch neue Leitungen. «In unserem Fall ist es keine Strukturverbesserung, sondern die Wiederherstellung des vorherigen Zustandes», ist Ruedi Wüthrich überzeugt. «Daher sehe ich auch keinen Grund, warum wir Landwirte uns am Projekt finanziell beteiligen sollten», sagt er bestimmt. Auch sei nicht geklärt, wie der Landschaden beim Bau der Leitung und das Durchleitungsrecht abgegolten würde.

Der Ball liegt bei den Behörden

Ob das von den Behörden vorgeschlagene Projekt überhaupt zustande kommt und wie es schliesslich aussehen wird, könne man zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht sagen. «Der Ball liegt jetzt bei den Behörden», sagt Ruedi Wüthrich. Hoffnung setzen die Bauern auch auf die SBB: Denn auch deren Schienennetz, das ein paar Meter neben dem Steckibach vorbeizieht, ist von der Anwesenheit des Bibers betroffen. «Was wäre, wenn die Biber den Bahndamm an mehreren Stellen untergraben würden?», fragt der Landwirt. Dann würde man sehen, ob der Biber wichtiger sei als die Sicherheit. Am liebsten möchten die betroffenen Bauern den Biber ganz weghaben. Aber auch Ruedi Wüthrich weiss, dass dies nicht geht. «Der Biber ist geschützt, das ist mir bewusst», sagt er. Aber weil das Nagetier, ausser Bär und Wolf keine natürlichen Feinde habe, könne sich der Biber ungehindert vermehren. «Es kann doch nicht sein, dass wir Landwirte mit dieser zunehmenden Problematik alleingelassen werden», ärgert er sich. Dies sei nicht nur beim Biber der Fall, sondern auch bei der zunehmenden Wolfspopulation.

 

Damm und Biber sind geschützt

Treten wegen der Biber Schäden an Kulturen auf, darf man ihre Bauten nicht einfach so entfernen. Die Biberdämme und -bauten sind wie das Tier selber auch geschützt, da der Biber diese Strukturen als überlebenswichtige Elemente seines Reviers erstellt. Deshalb ist es verboten, sie zu entfernen oder zu zerstören. Zuerst muss sich der Landwirt bei der kantonalen Jagdverwaltung oder direkt beim Wildhüter melden. Zusammen wird vor Ort abgeklärt, ob und wie eine Schadenspräventionsmassnahme erfolgen kann. Wenn keine Massnahme möglich ist, erfolgt eine Interessenabwägung. Dafür steht den Kantonen ein Formular zur Verfügung, mit dem sie die Situation objektiv beurteilen können. Die Einschätzung von Schäden als «klein», «mittel» oder «gross» wurde mit verschiedenen Interessenvertretern, darunter auch der Berner Bauernverband, erarbeitet und die Resultate flossen in das Formular ein. Wird ein Schaden als «gross» beurteilt, kann der Wildhüter einen Eingriff machen. Dieser Eingriff muss jedoch dem Verhältnismässigkeitsprinzip entsprechen, will heissen, die mildeste zielführende Eingriffsmassnahme ist zu bevorzugen. 

 

Die Nager stammen aus dem Dählhölzli

Dass sich die Biber in Allmendingen überhaupt ansiedeln konnten, hat einen bestimmten Grund: Wegen Hochwasser entwichen 1999 mehrere Biber aus dem Tierpark Dählhölzli in Bern. Die Nagertiere schwammen der Aare entlang Richtung Rubigen hinauf und siedelten sich am Fluss an. «Da die Jungtiere der Biber immer wieder abwandern und neue Gebiete aufsuchen, landeten sie 2019 auch im Steckibach, nahe am Dorfrand von Allmendingen», sagt Ruedi Wüthrich. Insgesamt seien im Einzugsgebiet 100 ha von der Anwesenheit des Bibers betroffen.

Die Drainagen sind wichtig

Weil die Enden der Drainageleitungen in den Steckibach münden und mit ihnen auch das Regenwasser von den Feldern, sind die Bauern auf eine einwandfreie Funktion der Drainage angewiesen. «Seit der Biber da ist und den Bach durch Dämme staut, münden die Drainageenden jetzt unter und nicht mehr über dem Wasserspiegel», sagt Wüthrich. Da die Neigung der Drainage zum Bach zusätzlich sehr klein sei, fliesse das Regenwasser von den Drainageleitungen noch schlechter in den Bach ab, als erwünscht. «Regnet es viel, wird es für uns unmöglich, die betroffenen Felder zu befahren», ärgert er sich. Darum sagt er noch einmal klar und deutlich: «Mit oder ohne Biber, wir wollen möglichst schnell eine Lösung, die für uns Landwirte auch tragbar ist».