Ja, der Hochwasserschutz entlang der Thur muss verbessert werden. Dieser Meinung ist auch der Verband Thurgauer Landwirtschaft (VTL). Er ist auch damit einverstanden, dass zum Schutze des Grundwassers eine weitere Erosion der Flusssohle verhindert werden muss. Das sind zwei der drei Ziele des Konzepts Thur+, das die Thurgauer Regierung in die Vernehmlassung geschickt hat. Diese läuft noch bis Ende Jahr. Ganz und gar nicht einverstanden hingegen ist der VTL mit dem Umfang der Revitalisierungen, die mit dem Projekt Thur+ verbunden sind. Viel zu viel beste Fruchtfolgeflächen gingen verloren, falls das Konzept umgesetzt würde, kritisiert der Verband. Um dies zu illustrieren, lud der VTL am Mittwoch zu einer Medienorientierung auf dem Thurvorland in Hüttlingen ein. Dort kamen auch betroffene Landwirtinnen und Landwirte zu Wort.

Wichtiges Anbaugebiet

Ruedi Gamper aus Hüttlingen betreibt einen gemischten Milchwirtschafts- und Ackerbaubetrieb mit einer Nutzfläche von 32,5 Hektaren. Bei einer ­Umsetzung des Projekts Thur+ gingen 7,5 Hektaren an bester Fruchtfolgefläche verloren. Gamper ist 59 Jahre alt. Geplant ist, dass seine Tochter Daniela in zwei, drei Jahren übernimmt. Die gelernte Landwirtin schliesst gegenwärtig die Betriebsleiterschule ab. Bei den aktuellen Aussichten will sie sich das mit der Hofübernahme aber nochmals überlegen.

Rolf Kuhn würde bei einer Umsetzung des Konzept Thur+, wie dies geplant ist, seine Ökowiesen verlieren. Er müsste ­beste Flächen ausserhalb des Thurvorlands in Ökowiesen umwandeln.

Bei einer Realisierung des Projektes würden wir 10 Prozent unserer Fruchtfolgeflächen verlieren, sagen Roman und Carmen Kreuzer aus dem Hüttlinger Ortsteil Eschikofen. Und ein guter Teil der Ackerfläche von Daniel Vögeli liegt ebenfalls auf dem Thurvorland. Er betreibt in Hüttlingen einen Betrieb mit einer Nutzfläche von 24,5 Hektaren.

Landverbrauch reduzieren

Im Projekt Thur+ sollen extrem grosse landwirtschaftliche Nutzflächen revitalisiert werden, kritisiert denn auch Daniel Vetterli, Co-Präsident des Verbands Thurgauer Landwirtschaft. Er geht von einem Verlust von 90 bis 100 Hektaren aus. Der VTL verlangt deshalb eine Überarbeitung des Projekts und verbindet dies mit den folgenden Forderungen:

Schutz: Die Fruchtfolgeflächen innerhalb der Dämme sollen geschützt werden. Der Landverbrauch soll um 60 Hektaren redimensioniert werden.

Ersatz: Weiter fordert der VTL ein Umdenken im Umgang mit Landwirtschaftsflächen. Beim Projekt Alpenrhein im KantonSt. Gallen wird im Gegenzug das Doppelte an Landwirtschaftsfläche, die verloren geht, aufgewertet. Die entsprechende Planung wurde mit der Ausarbeitung des Projekts abgeschlossen.

Einbezug: Vor Beginn und Umsetzung eines Projektabschnittes soll für die betroffenen Bauern eine gute, adäquate Lösung gefunden werden.

Mitsprache: Der VTL fordert bei der Erarbeitung des Projekts eine Begleitgruppe, in der er aktiv mitwirken kann. Dies sei sowohl beim Flussbauprojekt «Rhone» im Wallis wie auch im Falle des St. Galler Alpenrheins der Fall gewesen.

«Wer die Dokumente von Thur+ liest, erhält den Eindruck, dass das Thema Kulturlandverlust im Thurgau eine untergeordnete Rolle spielt», sagte Daniel Vetterli an der Medienorientierung. Auf Nachfrage werde man auf die Landwirtschaftliche Planung hingewiesen. Nur, wer lange genug suche, finde die entsprechenden Zahlen.

Bessere Lösungen suchen

Vor 150 Jahren ist die Thur mit grossem Einsatz gebändigt worden. Daran erinnerte der SVP-Nationalrat Manuel Strupler. Damit habe man die Bevölkerung vor Überschwemmungen geschützt, fruchtbares Ackerland gewonnen und der Industrie ermöglicht, in der Nähe von Wasser zu bauen, sagte das VTL-Vorstandsmitglied weiter. Vielerorts sei auch die damalige Mückenplage eingeschränkt worden. Nicht nur die Landwirtschaft habe der Thur Flächen entzogen. Grosse Teile des Thurvorlands seien durch Wohnraum, Industrie und Gewerbe verbaut worden. Die Korrektion eines Gewässers dürfe in der Regel nicht zum Verlust von Kulturland führen, sagte Strupler. Er ist überzeugt, dass auch bei umstrittenen Abschnitten bessere Lösungen gefunden werden, wenn Planer auf Augenhöhe mit den Landeigentümern, Nutzern und Umweltverbänden zusammensitzen.