Die Ernährung ist stark im Fokus der Öffentlichkeit. Insbesondere die Nutztierhaltung wird aktuell diskutiert. Somit trafen die Berner Junglandwirte mit ihrem Forum vom Samstag vorletzter Woche den Nerv der Zeit. «Landwirtschaft 2050 – Nutztierhaltung als Auslaufmodell», lautete der Titel. Zum Auftakt der Veranstaltungen lieferten sich Andreas Wyss, zu dem Zeitpunkt noch Geschäftsführer des Berner Bauernverbands, und Heinrich Bucher, Direktor der Proviande, ein fingiertes Streitgespräch zwischen einem Veganer und dem Direktor des Branchenverbands der Schweizer Fleischwirtschaft (siehe weiterführender Artikel). Und hier zeigte sich, dass die Diskussion teilweise sehr emotional und wenig sachlich geführt wird.
Junglandwirte diskutieren in Gruppen
Im zweiten Teil wurden die rund hundert motivierten Junglandwirt(innen), die am Forum teilnahmen, in vier Gruppen aufgeteilt. In vier verschiedenen Schulräumen trafen sie sich dann mit den Refererierenden zur Diskussions- und Fragerunde. Einerseits stellten zwei Junglandwirte ihre Betriebe vor, die sich mit zwei völlig unterschiedlichen Strategien für die Zukunft gerüstet haben. So stellte Mathias Leuenberger aus Hellsau seinen Pouletmaststall nach Minergie-A-Standard vor.
Der Minergie-Hühnerstall
Um die Existenz seines elterlichen Betriebes zu sichern, setzt Mathias Leuenberger auf Pouletmast. Dies ist an sich nichts Besonderes, die Konstruktion seiner Masthalle jedoch schon. Leuenbergers setzten beim Bau auf den Minergie-Standard. Dies bedeutete aber auch, dass nicht einfach ein herkömmlicher Elementbau aufgestellt werden konnte. Die Zertifizierung des Baus durch Minergie Schweiz setzte neue Massstäbe, da nie zuvor ein solcher Bau realisiert worden ist. Unter dem Strich ist der Bau geglückt, Leuenbergers produzieren mit ihrer Poulethalle mehr Energie, als sie verbrauchen. Zwischen 8650 und 12 00 Poulet finden in der Halle Platz.
Die von der Kommission zur Pflege des Orts- und Landschaftsschutzes des Kantons Bern geforderte Holzverschalung am Gebäude nahmen Leuenbergers zum Anlass für eine dicke Schicht Isolation. So kann der Energieverbrauch der Halle deutlich gesenkt werden. Dennoch hätte der eigene Wald nicht ausgereicht zum Heizen. Rund acht Hektaren hätte dies gebraucht. So wurde eine horizontale Wärmesonde über eine Distanz von drei Kilometern verlegt, welche die nötige Wärme liefert. Den Strom liefert die 70-kW-Solaranlage auf dem Dach. Teuerer können Leuenbergers ihre Mastpoulets deswegen nicht verkaufen. Und die Mehrkosten sind beträchtlich. Kostet ein herkömmlicher Maststall 750 00 Franken, waren es bei Leuenbergers 1,2 Mio Franken. Eine Investition, die sich über die gesparten Energiekosten rechnet. Und sollte der Abnehmer der Poulets, die Migros, dereinst auf eine CO2-sparende Pouletmast setzen wollen, wären Leuenbergers bereit.
Weiter stellte Michael Hodel aus Vechigen seinen Betrieb vor. Er hat die Milchproduktion im Dezember aufgegeben und stellt nun seinen Betrieb auf die Produktion von Natura-Veal um. Aktuell ist er dabei, den nötigen Stallumbau zu realisieren. Patricia Gerber kontrolliert im Auftrag des Schweizer Tierschutzes (STS) Landwirtschaftsbetriebe und legte ausdrücklich die Sicht des STS und nicht diejenige der «Kampfveganer» dar.
Die Sicht des Tierschutzes
Patricia Gerber warf aus der Sicht des Schweizer Tierschutzes (STS) einen Blick auf die Nutztierhaltung der Zukunft. Und sie betonte, eine vegetarische oder gar vegane Schweiz sehe der STS nicht vor: «Die Schweiz ist ein Grasland und das kann nur mit Wiederkäuern genutzt werden. Auch im Jahr 2050 wird noch Fleisch gegessen.» Allerdings sei es lohnend, sich für bessere Haltungsbedingungen einzusetzen und hier führe der Weg ganz klar über den Preis. «Wir sind auch klar für strengere Importregeln, es kann nicht sein, dass wir hier etwas verbieten und dann Produkte importieren, die so produziert wurden», betonte Patricia Gerber. So sieht sie auch in der Massentierhaltungs-Initiative viele Chancen.
Die von der Initiative geforderten Bio-Richtlinien seien in einem Labelstall ohne viel Aufwand einzuhalten. Dabei ist ein Punkt bei allen Tierkategorien zentral: «Für den STS ist es ein No-Go, wenn Tiere keinen Auslauf haben.» Jedoch bei der Ausgestaltung der Initiative gebe es ansonsten durchaus Verhandlungsspielraum. Damit der Konsument entscheiden kann, welche Haltungsbedingungen er unterstützen will, hat der STS eine Internetseite kreiert, welche die Label aufschlüsselt. Unter www.essenmitherz.ch werden die Label vorgestellt. Zu sehen ist auch, welcher Detailhändler wie viel tierfreundliches Fleisch verkauft.
Als vierten Referenten hatten die Junglandwirt(innen) einen Gastronomen eingeladen. Sandro Dubach ist zwar erst 27 Jahre alt, aber bereits ein erfahrener und erfolgreicher Unternehmer in der Gastronomie. Er pflegt eine Kundschaft, die bewusst konsumiert und wissen will, woher ihre Lebensmittel kommen. Sandro Dubachs Gerichte sind nicht nur kreativ, sondern haben eine Geschichte. Und von diesen Geschichten erzählte er einige. Rund die Hälfte des Fleisches essen die Schweizer nicht zuhause, sondern in der Gastronomie. Zahlen zeigen, dass dort wenig auf die Herkunft des Fleisches und die Tierhaltung geschaut wird. Sandro Dubach hingegen sagt einen Wandel in der Gastronomie voraus: «Der bewusste Konsum boomt. Der Kunde will die Wertschöpfungskette verstehen und wünscht Transparenz». Die Schweiz sei in Sachen Bildung und bewusster Ernährung ein Vorzeigeland und dies biete viel Potenzial. «Der Weg zwischen den Produzenten und den Konsumenten ist heute noch zu weit. Die Konsumenten wollen wissen, was hinter ihrem Essen steckt». Dubach fungiert hier als wichtiges Bindeglied, arbeitet direkt mit Landwirt(innen) zusammen, will wissen, wie und warum sie etwas produzieren. Sein Catering ist immer dort gefragt, wo weniger der Preis, als die Geschichte der Lebensmittel zählt. Label sind ihm dabei ausdrücklich egal. Gut ist, was ihm und seinen Kunden gefällt.
Hinter den Produkten stehen
Dafür sucht Sandro Dubach Produzenten, die voll hinter ihren Produkten stehen können. Das war sein wichtigster Rat an die Junglandwirt(innen), dass sie etwas produzieren sollen, von dem sie überzeugt sind und auf das sie stolz sein können. Mit diesem Ziel ist Michael Hodel dabei, seinen Kuhstall umzubauen. Viel Arbeits- und Lebensqualität für sich und seine Tiere erhofft er sich. Er erfreut sich nicht nur an den gesunden Kälbern, die über seine Weiden hüpfen, sondern auch an den Menschen aus der Stadt, die bei ihm die Tiere bestaunen und mit denen er ins Gespräch kommt. Er kennt die Herausforderungen und die Arbeitsbelastung, welche auf ihn zukommen und automatisiert seinen Stall darum weitgehend. Der Wunsch nach geregelter Arbeitszeit hat die Landwirtschaft verändert und wird sie weiter verändern. Sein Stall ist darum nicht verbetoniert, sondern offen für viele Möglichkeiten.