Die Massentierhaltungsinitiative war vergangene Woche Thema einer Online-Podiumsdiskussion. Organisiert worden war der Anlass, den rund 250 Interessierte von Zuhause am Computer aus verfolgten, von drei Studenten der Höheren Fachschule für Agrartechnik am Strickhof im Rahmen ihrer Weiterbildung. Von der Gegnerseite nahmen Markus Ritter, Präsident der Schweizerischen Bauernverbands und CVP-Nationalrat sowie Mike Egger, SVP-Nationalrat und Projektleiter beim Fleischverarbeiter Micarna SA, teil. Gesprächsteilnehmer von der Befürworterseite waren Meret Schneider, Mitinitiantin der Initiative und Nationalrätin der Grünen, sowie Stefan Flückiger, Geschäftsführer Agrarpolitik des Schweizer Tierschutz STS.
Befürworter bemängeln Tierwohl
Moderator René Bortolani fragte Meret Schneider, ob sie als Veganerin andere bekehren wolle. Diese antwortete: «Die Initiative hat wenig zu tun mit Veganismus. Tatsächlich geht es um Massentierhaltung, welche das Tierwohl missachtet». Bestände von 27'000 Masthühnern oder Schweine ohne Auslauf - das gehe nicht. «Auch geht es dabei um die praktische Frage, wie man eine immer grösser werdende Weltbevölkerung ernähren kann», hielt Schneider fest. «Heute werden über 80 Prozent der landwirtschaftlichen Nutzfläche werden für Futteranbau und Tierhaltung genutzt. Diese sollte jedoch vermehrt direkt für die Menschen genutzt werden.»
«Schweiz hat bereits einen hohen Standard»
Wieso der SBV die Massentierhaltungsinitiative als unnötig erachte, wollte Bortolani wissen. «Tierschutz ist für die Landwirtschaft sehr wichtig», sagte Markus Ritter. «Doch die Schweiz hat diesbezüglich bereits einen hohen Standard, darauf kann man stolz sein. Beispielsweise hat sie als einziges Land eine Höchstbestandesverordnung. Weitere Regulierungen sind daher nicht nötig.» Weshalb befürchte der SBV gar einen Schaden, wenn die Initiative angenommen würde, fragte Bortolani ausserdem. Ritter verwies auf deren Übergangsbestimmungen, nach welchen die Standards von Bio Suisse gelten sollen. «Die Konsumenten müssten dann auch bereit sein, die höheren Preise zu bezahlen», meinte Ritter. «Die höheren Standards würden den Markt kaputt machen. Die Importe würden steigen», zeigte sich Mike Egger überzeugt. Die Initiative sei zudem irreführend, denn in der Schweiz gebe es keine Massentierhaltung. Stefan Flückiger war anderer Meinung: «Es werden immer mehr Tiere produziert, nicht zuletzt mit dem Einzug von Technik in den Ställen, Lebensmittel und Fleisch sind erschwinglicher geworden», stellte der Vertreter des STS fest. «Nichts gegen bäuerliche Nutztierhaltung, die freie Bewegung erlaubt, aber Tiere als Produktionsmaschinen will die Schweizer Bevölkerung nicht». Als Beispiele nannte er Muttersauen, die 35 Ferkel pro Jahr werfen.
Rückgang bei den Tierbeständen
Egger dagegen wies auf den Rückgang bei den Tierbeständen hin, einzig beim Geflügel gebe es eine leichte Zunahme. Zudem seien die Schweizer Vorschriften zu Minimalflächen und Höchstbeständen einzigartig. «Die Zahlen müssen immer in Relation gesehen werden. Ein einheimischer Betrieb darf maximal 18'000 Legehennen halten. Im benachbarten Ausland dagegen gibt es Betriebe mit mehreren hunderttausend Tieren, darauf zielt hier niemand ab». Auch Ritter betonte, dass es wichtig sei, das Thema international einzuordnen. So hätten beispielsweise hierzulande alle Hühner einen Wintergarten. Stefan Flückiger wandte dagegen ein, es gehe auch um die Intensität der Haltung: «93 Prozent der Mastpoulets werden so gehalten, dass sie in 35 Tagen zwei Kilogramm zunehmen. Wir wollen keine Haltungssysteme, die zulasten der Tiere gehen».
Werden Konsumenten höhere Preise bezahlen?
Was höhere Auflagen bei Importen betrifft, bezweifelte Ritter, ob diese überhaupt durchsetzbar wären. «Die Schweiz braucht einen Mehrwert», gab Egger zudem zu bedenken «Das Unterscheidungsmerkmal würde fehlen, wenn das Ausland die gleichen Standards hätte». Laut Meret Schneider dagegen ist die Initiative eine Möglichkeit, gegen die Importschwemme anzugehen und einen Schweizer Standard zu etablieren: «Es ist eine Chance, der Mühle zu entkommen, immer billiger produzieren zu müssen.» Bei allen Differenzen waren sich die Gesprächsteilnehmer darin einig, dass es auch eine wesentliche Rolle spielt, wieweit die Konsumenten bereit wären, mehr zu bezahlen.
Die Massentierhaltungsinitiative
Die Initiative sieht vor, Massentierhaltung in der Schweiz künftig via Änderung der Bundesverfassung gesetzlich einzuschränken. Ihre Forderungen sind:
- Schutz der Würde des Tieres
- Verankerung des Anspruches von Tieren, nicht in Massentierhaltung leben zu müssen
- Hohe gesetzliche Produktionsstandards bei Tierprodukten
- Importverbot von Produkten, welche nicht den Schweizer Standards entsprechen.
Die Initiative wurde im Herbst 2019 bei der Bundeskanzlei eingereicht und soll voraussichtlich Ende 2022 oder 2023 dem Volk zur Abstimmung vorgelegt.