Seit 10. Februar verstärkt Patrick Schellenberg das Team Öffentlichkeitsarbeit beim Bauernverband Aargau (BVA). Er hat dort ab Ende März die Aufgaben von Marina Ender übernommen. Der ehemalige Fernsehmann erläutert im Interview seine Motivation für den Branchenwechsel und gibt den Bauern Tipps im Umgang mit Medien und der Öffentlichkeit.
Zur Person
Patrick Schellenberg (50) lebt mit seiner Partnerin in Dietikon. Aufgewachsen ist er in Merenschwand, lernte Fotograf und studierte Journalismus. 15 Jahre lang arbeitete er als Journalist, Kameramann und Dokumentarfilmer für das Schweizer Fernsehen. Vor seinem Wechsel zum BVA war er Leiter Kommunikation und Marketing bei der Stiftung Künstlerhaus Boswil.
Herr Schellenberg, was war die Motivation für diese Stelle in einer völlig anderen Branche?
Patrick Schellenberg: Die wichtigste Motivation war sicher meine Faszination für die Welt der Landwirtschaft. Ich bin nicht auf einem Bauernhof aufgewachsen und hatte auch beruflich bisher nie etwas mit der Landwirtschaft zu tun. Wenn man aber wie ich seine Kindheit in Merenschwand verbringt, prägt einen die Landwirtschaft natürlich.
Zudem beschäftigt mich das Thema Ernährung stark. Mit zunehmendem Alter werde ich fast schon fundamentalistisch, wenn es darum geht, regional und saisonal zu konsumieren. Wer sich wie ich Gedanken macht über die Herkunft und Qualität seiner Nahrungsmittel, merkt schnell, wie unglaublich wichtig die Wertschätzung für die inländische Landwirtschaft ist.
«Ich weiss, DZ heisst nicht Doppelzimmer.»
Patrick Schellenberg hat die neuen Begriffe schnell gelernt.
Wie haben Sie sich eingelebt und welche ersten Eindrücke haben Sie?
Als «Aussenseiter» ohne landwirtschaftlichen Hintergrund wurde ich vom BVA-Team äusserst herzlich aufgenommen. Und man verzeiht mir, wenn ich bei der Abkürzung «DZ» zuerst an Doppelzimmer statt an Direktzahlung denke. Dasselbe gilt für all die Partner und Mitglieder des BVA, die ich nun nach und nach kennenlerne – leider meist nur per Telefon, weil der Handschlag ja momentan nicht gerade in Mode ist.
Die Einarbeitung fällt mir leicht, da die Geschäftsstelle des BVA extrem strukturiert und organisiert ist. Da kenne ich von meinen früheren Jobs ganz andere Zustände.
Wie erlebten Sie beim Fernsehen das dort vermittelte Bild von der Landwirtschaft?
In meiner Arbeit für die Dokumentarfilmabteilung von SRF bildete ich vor allem die romantische Seite der Landwirtschaft ab, zum Beispiel als ich vier Agronomie-Studierende während eines Alpsommers mit der Kamera begleitete. Meine ehemaligen Kollegen von der Nachrichtenredaktion müssen natürlich kritischer arbeiten, alles hinterfragen und prüfen. Das ist ihr Job. Jetzt wo ich «die Seite gewechselt habe», verstehe ich natürlich, dass das in der Landwirtschaft manchmal für rote Köpfe sorgt. Es gehört beim BVA zu meinen Aufgaben, den Journalistinnen und Journalisten unsere Sicht der Dinge zu vermitteln und ihnen die Augen für die ökonomisch harte Realität der Landwirtschaft zu öffnen. Da profitiere ich sicher davon, beide Seiten zu kennen.
Welche sind Ihre konkreten und aktuellen Tätigkeiten beim BVA?
Zusammen mit Fredi Siegrist und Melanie Keller betreue ich den Bereich Marketing und Kommunikation. Etwas salopp zusammengefasst, verkaufen wir alle Aktivitäten, Themen und Anliegen des BVA und der Aargauer Landwirtschaft nach aussen. In diesen Wochen dreht sich aber auch beim BVA fast alles um die Corona-Krise und ihre verheerenden Auswirkungen. Daneben arbeiten wir an den Vorbereitungen für all die tollen Publikumsanlässe der Landwirtschaft wie etwa «Vo Buur zu Buur», «Buurelandweg» oder «Bauernhof in der Stadt». Leider fehlt uns da momentan die Planungssicherheit und wir können nur hoffen, dass die Krise möglichst bald überstanden ist.
Die Bauern fühlen sich derzeit stark unter Druck gesetzt, auch seitens Medien. Bauernbashing heisst das Stichwort dazu. Sehen Sie das auch so, und wenn ja, was sind die Ursachen?
Da fehlt mir der nötige Erfahrungshorizont. Ich bin noch keine zwei Monate dabei. Was man aber wissen muss: Schlechte Nachrichten interessieren grundsätzlich mehr als gute. Wenn Rückstände von Chlorothalonil im Trinkwasser gefunden werden, ist das für die Medien interessanter als ein Bericht über all die Anstrengungen der Landwirtschaft, um genau solche Sachen zu vermeiden. Das geht aber nicht nur der Landwirtschaft so. Die SBB zum Beispiel ist auch nur mit Verspätungen, Unfällen und zu teuren Tickets in den News. Die Nachricht «Heute lief der Bahnverkehr reibungslos», werden Sie nie in einer Nachrichtensendung hören.
«Nehmt euer Gegenüber immer ernst.»
Der wichtigste Tipp zum Umgang mit kritischen Meinungen.
Welche Tipps geben Sie Bauern zur Imageverbesserung und zum Umgang mit Medien und Konsumenten?
Mein wichtigster Tipp: Nehmt euer Gegenüber immer ernst, auch wenn es ganz andere Meinungen und Werte vertritt. Die schlechteste Haltung ist sicher die des «Ach, was wisst ihr denn schon!». Vertrauen und Glaubwürdigkeit können wir nur aufbauen, wenn wir offen und aktiv kommunizieren. Was ich oft höre: «Die Bevölkerung hat doch keine Ahnung mehr von der Landwirtschaft!». Das stimmt. Das darf aber keine Entschuldigung sein, sondern muss ein Ansporn sein, dies zu ändern. Wir müssen unermüdlich Informationen und Zusammenhänge vermitteln. Der BVA macht dies unter anderem in der Zusammenarbeit mit den Schulen.
Sie engagieren sich in der Freizeit auch im Bereich Landwirtschaft und Ernährung …
Ja, ich arbeite in der Freizeit bei zwei landwirtschaftlichen Genossenschaften mit in Dietikon, wo ich lebe. Die Genossenschaft Basimilch produziert Milchprodukte in der hofeigenen Käserei. Ich bin dort Hilfskäseschmierer. Bei der Genossenschaft Ortoloco helfe ich mit, auf Pachtland Gemüse für rund 200 Abonnenten zu produzieren.
Ich bezahle ein Jahresabonnement und arbeite regelmässig auf dem Feld respektive im Käsekeller mit. Im Gegenzug beziehe ich wöchentlich Gemüse, Obst und Milchprodukte. Die ganze Wertschöpfungskette findet im Umkreis von weniger als einem Kilometer um mein Haus statt.
Das Interview wurde schriftlich geführt.