Die Geruchs- und Ammoniakbelastung ist seit Jahren eine grosse Herausforderung für die tierintensive Landwirtschaft der Zentralschweiz. Der Druck ist entsprechend gross, vor allem Umweltverbände drängen seit Langem auf eine Reduktion der Tierbestände. Dagegen wehrt sich die Branche und will auf technische Massnahmen setzen.
Massnahmenpläne der Behörden zur Ammoniakreduktion gibt es in der Region seit Jahren, den ersten im Kanton Luzern schon 2007. In der Zentralschweiz wurden zwischen 2009 und 2015 auch schon Ammoniak-Ressourcenprojekte umgesetzt, mit mässigem Erfolg. Ein wichtiger Grund für die geringe Reduktion der Emissionen war auch der Zielkonflikt zu mehr Tierwohl: Je mehr in den vergangenen Jahren Laufställe und Ausläufe statt Anbindeställe gebaut wurden, desto grösser waren die Emissionen pro Tierplatz.
Die Konflikte nehmen zu
Das Konfliktpotenzial um Gerüche dürfte sich laut Fachleuten in den nächsten Jahren noch verschärfen, auch wenn der Fleischkonsum und damit die Tierbestände sich allenfalls rückläufig entwickeln. So, weil Landwirtschafts- und Wohnzonen näher aneinanderrücken. Andererseits werde die Tierhaltung intensiviert, die individuellen Bestände vergrössert und das Tierwohl mit Freilauf und Auslauf erhalte einen noch höheren Stellenwert.
Nicht nur im Kanton Luzern wurden deshalb die Auflagen vor allem beim Bauen verschärft, um die Ammoniakbelastung weiter zu reduzieren. In Luzern wurde vergangenes Jahr der Massnahmenplan II in Kraft gesetzt, mit zusätzlichem Fokus auf Abdeckung der Güllegruben, emissionsarme Gülleausbringung oder eiweissarme Schweinefütterung.
Projekt überarbeitet
Nicht nur Umweltverbände, sondern auch die Behörden betonen allerdings, dass es weitere Massnahmen brauche, um die langfristigen Ziele für weniger Ammoniak und Geruch zu erreichen.
Schon im Sommer 2019 wurde auf Initiative der Bauernverbände seitens Zentralschweiz beim Bundesamt für Landwirtschaft (BLW) ein Gesuch für ein Ressourcenprojekt eingereicht. Dieses wurde aber als zu wenig ambitioniert und zu wenig innovativ abgelehnt. So wurde das Gesuch überarbeitet, das Massnahmenpaket vereinfacht und die Kosten reduziert.
Das neue Projekt «Ammoniak- und Geruchsemissionen in der Zentralschweiz reduzieren» wurde letzten Herbst vom BLW nun genehmigt.
Kommentar Josef Scherer - Gemeinsam vorwärts
Es hat lange gedauert, bis die Behörden und die Branche nun im Bereich der hochkomplexen Thematik Ammoniak und Gerüche gemeinsam Lösungen suchen. Zu lange wurde einerseits die Problematik kleingeredet, andererseits forsche Forderungen für Auflagen und Tierbestandesabbau gestellt. Schön, wenn die Zeit der Hitzköpfe nun einem sachlichen Dialog Platz macht. Und im zweiten Anlauf für ein Ressourcenprojekt der Startschuss nun erfolgt ist. Bemerkenswert ist, dass neben der Landwirtschaft und den Landwirtschaftsämtern auch die Umweltschutzämter im gleichen Boot rudern.
Die Akzeptanz für Emissionen aus der Landwirtschaft schwindet, auch wenn die Landwirtschaft die Ernährungsgrundlage ist. Gleichwohl machen verordnete Produktionsverlagerungen nicht Sinn, weder zu Schweineställen in der Westschweiz noch zu Rinder- und Geflügelfarmen in Brasilien. Statt auf Tierabbau ist auf «ökologische Intensivierung» zu setzen. Es gibt viele technische Massnahmen, auch um Geruchsprobleme zu lösen.
Auf die Innovationskraft der Wirtschaft setzt der Luzerner Regierungsrat im diese Woche präsentierten Klimabericht. Die Luzerner Landwirtschaft ist eine der Hauptverursacherinnen der Treibhausgase im Kanton. Die Regierung hat allerdings erkannt, dass «Netto Null» in diesem Bereich nicht realistisch ist. Gleichwohl ist in den kommenden Jahren die Landwirtschaft gerade in unserer tier- und somit wertschöpfungsintensiven Region – davon profitieren übrigens nicht nur die Bauern –, besonders gefordert. Es wird massive Veränderungen brauchen, auch in der Produktionsstruktur. Einiges zur Reduktion von Ammoniak, Gerüchen, und Treibhausgasen werden allerdings auch die sich ändernden Konsumgewohnheiten beitragen. Es wird in den nächsten Jahren mit Bestimmtheit deutlich weniger Fleisch gegessen. Da genügt ein Blick auf die Teller unserer Jungen. Die Luzerner Landwirtschaft tut also gut daran, offen zu sein für Veränderungen. Die passieren auch ohne behördliche Auflagen.
j.scherer@bauernzeitung.ch
Breite Trägerschaft
Das am 1. Januar gestartete neue Projekt «Ammoniak- und Geruchsemissionen in der Zentralschweiz reduzieren» hat eine breite Trägerschaft: Die Landwirtschaftsämter und Umweltschutzämter der Zentralschweiz, der Zentralschweizer Bauernbund, der Luzerner Bäuerinnen- und Bauernverband (LBV) und die Gemeinde Hohenrain. Das Thema soll aufgrund der hohen Komplexität sehr breit angegangen werden, und wird von zahlreichen Fachleuten begleitet: Von Agridea, Agrofutura, Agroscope, der HAFL, den Bildungszentren. Es gibt mehrere Arbeitsgruppen, so für Geruch, tierfreundliche und emissionsarme Ställe, Rindviehfütterung und auch für Qualität, Wertschöpfung und alternative Betriebszweige.
Projektleitung beim LBV
Das Projekt dauert von 2021 bis 2026, die wissenschaftliche Begleitung wird bis Ende 2028 weitergeführt. Die Projektkosten liegen bei knapp fünf Millionen Franken, davon übernimmt der Bund voraussichtlich 76 Prozent, die Kantone und Gemeinden 21 Prozent. Drei Prozent oder rund 0,16 Millionen Franken haben die beteiligten Betriebe zu tragen. Die Projektleitung liegt bei Stefan Heller, LBV-Geschäftsführer. Der LBV-Vorstand hat kürzlich eine personelle Aufstockung beschlossen, auch für das Ressourcenprojekt.
«Erstmals wird die Problematik Geruchskonflikte fundiert aufgearbeitet.»
Projektleiter Stefan Heller zum innovativen Charakter.
Die Projektziele
Im Fokus stehen die Geruchsreduktionen aus der Tierhaltung. Es sollen langfristig wirkende Stall- und Wertschöpfungsmassnahmen geschaffen werden. Anzusetzen sei beim Rindvieh auch bei der Fütterung, damit weniger Ammoniak entsteht.
Vorgesehen sind zwölf Musterställe für emissionsarmes und tierfreundliches Bauen bei Rindvieh und sechs bei Schweinen. Diese Musterbetriebe sollen die Emissionen aus Stall, Laufhof und Weide um mindestens 40 Prozent (bei Rindvieh sowie Schweinen mit Auslauf) beziehungsweise um 70 Prozent (bei Schweinen ohne Auslauf) reduzieren. Bei Betrieben, welche auf alternative Betriebszweige mit weniger Tieren und andere Wertschöpfung setzen, sollen die Emissionen um mindestens 40 Prozent sinken.
In vier Pilotgemeinden, darunter Hohenrain, sollen die Geruchsimmissionen soweit reduziert werden, damit sie «nicht mehr übermässig» sind. «Es ist das erste Mal, dass die Problematik landwirtschaftlicher Geruchskonflikte fundiert und lösungsorientiert aufgearbeitet wird», heisst es im Projektbeschrieb zum innovativen Charakter.
Alternative Wertschöpfung
Zudem setze die Branche ein wichtiges Zeichen, indem neu eine «Stabilisierung der Tierbestände» in der Region angestrebt werde. Langfristig soll allerdings eine «Entwicklung in Richtung weniger Tiere und mehr Qualitätsproduktion und Wertschöpfung» angeschoben werden.
Man wolle auf Synergien setzen und Wege aus dem Zielkonflikt tierfreundlich und gleichzeitig emissionsarm aufzeigen. Stark eingebunden wird die Stallbaubranche, es soll auf bisherigen Erfahrungen zur Ammoniakreduktion aufgebaut werden und neue bauliche und Haltungs-Massnahmen bei Rindvieh und Schweinen sollen erforscht werden.
Pilotprojekte aus der Zentralschweiz
Beim Projekt können 54 direktzahlungsberechtigte Pilotbetriebe aus den Kantonen Luzern, Zug, Ob- und Nidwalden, Schwyz und Uri mitmachen. Betriebe für das Modul Geruchsmassnahmen müssen zwingend in entsprechenden Pilotgemeinden liegen und Anwohnende müssen sich durch Gerüche belästigt fühlen. Beteiligte Betriebe erhalten maximal 50 00 Franken während der Projektdauer, im Schnitt wird mit rund 30 00 Franken gerechnet. Die Beiträge sind teils je nach Wirkung der Massnahme abgestuft. Mit den Betrieben werden Vereinbarungen abgeschlossen. Darin verpflichten sich die Bauern, die entsprechenden individuell vereinbarten Massnahmen, bauliche oder bei der Betriebsführung, bis Ende 2026 umzusetzen.
Ammoniak und Landwirtschaft
Ammoniak ist ein stickstoffhaltiges Gas, das vor allem bei Tierhaltung entsteht. Bei hoher Belastung versauert der Boden, Wald und Biodiversität werden gefährdet. Die kritische Belastung der Luft ist vor allem in tierintensiven Regionen wie der Zentral- und Ostschweiz deutlich überschritten. In Luzern teils um das Doppelte, was ökologisch vertretbar wäre, heisst es im Bericht zum Teilplan Ammoniak von 2020. Und dies, obwohl in den vergangenen Jahren zahlreiche Massnahmen zur Reduktion eingeführt wurden. 64 Prozent der Emissionen aus der Tierhaltung stammen vom Rindvieh, 30 Prozent von Schweinen. Bei der Ausbringung von Hofdüngern entweichen 44 Prozent, aus Stall und Laufhof 41 Prozent und aus Güllelagern 13 Prozent des Ammoniaks.