Wie jeden Februar, findet in Riedholz die Delegiertenversammlung des Solothurner Bauernverbands (SOBV) statt. In diesem Jahr wegen der Corona-Pandemie etwas anders. Die DV wird heuer nicht öffentlich, sondern schriftlich durchgeführt. Nun hat die BauernZeitung dem SOBV-Präsident Andreas Vögtli auf den Zahn gefühlt und wollte wissen, wo den Solothurner Bäuerinnen und Bauern der Schuh drückt.

Das Landwirtschaftsjahr 2020 ist seit Kurzem zu Ende gegangen. Wie ist Ihr Fazit?

Andreas Vögtli: Es war im Grossen und Ganzen ein gutes Landwirtschaftsjahr. Die erfreulichen Markterlöse beim Schlachtvieh und die gute Getreideernte trugen dazu bei, dass das Sektoreinkommen merklich gesteigert werden konnte. Im Pflanzenbau hingegen werden die Auswirkungen des Verbots der Beizmittel sichtbar. Die Erträge bei den Zuckerrübenproduzenten in der Westschweiz waren katastrophal. Bei den Spezialkulturen wird der Aufwand für die Bekämpfung invasiver Schädlinge und Pilzkrankheiten immer grösser. Die durch die Trockenheit verursachten Langzeitschäden im Wald machen auch den bäuerlichen Waldbesitzern grosse Sorgen.

Wie stark ist der Kanton Solothurn vom Strukturwandel betroffen?

Der Rückgang der Anzahl Betriebe (auch der Milchproduzenten) entspricht in etwa dem schweizerischen Durchschnitt. Die ­Betriebe haben sich weiter spezialisiert. Die verbleibenden Milchproduzenten haben ihre Produktion erhöht, dadurch blieb die Milchmenge ungefähr gleich hoch.

Mit welchen Sorgen haben die Bäuerinnen und Bauern am meisten zu kämpfen?

Im Speziellen die erhöhten Nitratwerte im Grundwasser im Gäu. Wir versuchen, das Problem zusammen mit dem Kanton zu lösen, damit die fruchtbaren Böden weiterhin ackerbaulich genutzt werden können. Zudem beschäftigt uns der hohe Verlust von Fruchtfolgeflächen FFF für den 6-Spur-Ausbau der A1 und durch die enorme Bautätigkeit an den besten Lagen entlang der A1. Sowie der zusätzliche Verlust von FFF durch die geplante Renaturierung der Gewässer.

Welche wichtigen Geschäfte stehen in nächster Zeit beim Solothurner Bauernverband an?

Der Führungswechsel auf der Geschäftsstelle infolge Pensionierung von Peter Brügger. Durch die vorangegangene Aufteilung der Geschäftsfelder (Gründung SOBV DL AG) wurden die Aufgaben neu verteilt. Dank der vorausschauenden Übergangsplanung bin ich zuversichtlich, dass der SOBV sich auch in Zukunft wirkungsvoll und effizient für die Bäuerinnen und Bauern im Kanton Solothurn einsetzen kann. Im politischen Bereich gehe ich davon aus, dass die Kampagne gegen die beiden extremen Agrarinitiativen bis Mitte Juni unsere Hauptaufgabe sein wird.

Mit der Trinkwasser-Initiative und der Pestizidverbots-Initiative stehen zwei Abstimmungen vor der Türe. Mit welchem Wahlausgang rechnen Sie?

Der Druck auf die Bäuerinnen und Bauern ist enorm, wir sind es aber gewohnt, unter Druck zu arbeiten. Im urbanen Raum braucht es noch viel Aufklärungsarbeit. Die Kampagne des SBV ist breit abgestützt, daher bin ich zuversichtlich, dass wir es schaffen, der Bevölkerung die negativen Auswirkungen der beiden Initiativen aufzuzeigen.

Nehmen wir an, diese zwei Initiativen werden vom Volk angenommen. Was bedeutet das für die Landwirtschaft?

Die beiden Initiativen wecken nach Beurteilung des Solothurner Bauernverbands bereits im Titel falsche Erwartungen. Es wird vorgegaukelt, dass für die Konsumenten die Produktion von qualitativ hochstehenden Lebensmitteln ohne den Einsatz von Hilfsmitteln möglich sei. Daher sind sie aus Sicht des SOBV klar abzulehnen. Bei einer Annahme gäbe es ein noch nie dagewesener Umbruch, aber nicht nur für die Landwirtschaft, sondern für die gesamte Schweizer Ernährungswirtschaft. Auch die Produktion und Verfügbarkeit von Schweizer Lebensmitteln würde stark abnehmen.

Und weiter?

Zudem dürften die Betriebe, auch Biobetriebe, kein Futter für ihre Tiere zukaufen. Bei der Pestizidfrei-Initiative wäre nur noch die Produktion, Verkauf sowie der Import von Bioprodukten erlaubt. Dadurch sinkt der Selbstversorgungsgrad in der Schweiz markant, der Einkaufstourismus würde gefördert und rund 300 000 Arbeitsplätze in der Land- und Ernährungswirtschaft wären betroffen.

Wie versucht der Solothurner Bauernverband, die Konsumentinnen und Konsumenten diesbezüglich zu sensibilisieren?

Wir unterstützen den SBV bei seiner nationalen Kampagne. Parallel dazu setzen wir zusätzliche Mittel für Aufklärungsarbeit ein. Wir möchten über unsere Bezirksvereine regional auf die Konsumenten zugehen und Überzeugungsarbeit leisten. Es wäre auch eine grosse Informationsveranstaltung vorgesehen, es ist aber fraglich, ob diese wegen den Covid-19-Massnahmen überhaupt durchgeführt werden kann.

Kommen wir zu einem anderen Thema: Anfang Januar wurde im Kanton Solothurn erstmals nach 30 Jahren wieder ein Wolf gesichtet. Wie ernst nehmen Sie die Wolfspräsenz?

Aus meiner Sicht ist unsere Gegend zu dicht besiedelt für den Wolf – dementsprechend rechne ich mit einem hohen Konfliktpotenzial. Verkehrsunfälle mit ausgebrochenen Tieren wären vorprogrammiert und die Tierhalter müssten sich vor Gericht dafür verantworten. Die Einwanderung des Wolfs in unsere Gegend würde die Art der Weidehaltung, wo die Schafe in einzelne kleine Gruppen aufgeteilt sind, verunmöglichen. Der Herdenschutz mit Hunden wäre nicht umsetzbar.

Das angestrebte Wiederansiedlungsprojekt «Wisent Thal» sorgte in der Vergangenheit für heftige Diskussionen. Mit der Wolfspräsenz dürfte das Thema weiter polarisieren. Wie stehen Sie dem Projekt gegenüber?

Einmal mehr müsste die Landwirtschaft die negativen Auswirkungen tragen. Auch wenn vom Trägerverein versichert wird, dass die Schäden abgegolten würden, ist absehbar, dass die Tiere in freier Wildbahn nicht mehr zu kontrollieren sind. Schäden an unseren Kulturen und (schwere) Verkehrsunfälle sind vorprogrammiert. Es ist zu erwarten, dass die Landwirtschaft, analog wie bei den Wildschweinen, den Aufwand für die Präventivmassnahmen selber tragen muss, damit die zu erwartenden Schäden überhaupt abgegolten werden. Die Zäune zum Schutz der Kulturen wären viel aufwendiger als bei den Wildschweinen.

Der SBV-Präsident Markus Ritter betont stets den grossen Rückhalt der Bauernfamilien, den sie in der Bevölkerung geniessen. Demgegenüber findet dauernd ein Bauernbashing statt. Was ist jetzt Sache, wie beliebt sind die Schweizer Bauern wirklich?

Die Bäuerinnen und Bauern sind nach wie vor weit vorne auf der Skala. Erfolg verursacht Neid. Neid muss man sich zuerst verdienen!

Es wird gerne vom Begriff «der Konsument» gesprochen. Es gibt Veganer und solche, denen es egal ist, woher das Plätzli kommt. Wie sollen Bauernfamilien produzieren, wenn sie alle Konsumenten erreichen wollen?

Flexibilität ist unsere Stärke, die Landwirtschaft produziert – sofern es die klimatischen Bedingungen zulassen – was der Markt verlangt. Für einzelne Betriebe können Nischenprodukte eine Chance sein. Es ist aber betriebswirtschaftlich nicht sinnvoll, auf jeden Trend einzugehen und für etwas zu investieren, was nicht lange nachgefragt wird.