Die Ausscheidung der Gewässerräume sorgt im Kanton Luzern weiterhin für rote Köpfe. Umstritten sind nach wie vor die Definition der Grossgewässer, wo sehr breite Streifen mit Bewirtschaftungseinschränkungen gelten sollen. Aber auch die vorgesehenen erweiterten Gewässerräume in den Einzugsgebieten der Mittellandseen geben viel zu reden. Und in dieser Region werden gemäss Vorgabe des Kantons je nach Hochwassergefährdung oder aufgrund der Nährstoffsituation sogar kleine Rinnsale und eingedolte Gewässer, bei denen anderswo gar keine Ausscheidung nötig ist, mit solchen Gewässerräumen versehen.

Erweiterungen sind zwingend

Auf Anfrage teilt Judith Setz, stellvertretende Leiterin Kommunikation beim Bau-, Umwelt- und Wirtschaftsdepartement (Buwd), mit, dass nach Art. 41b Abs. 2 der Gewässerschutzverordnung der Gewässerraum an stehenden Gewässern unter bestimmten Voraussetzungen über das Mindestmass von 15 m hinaus erweitert werden muss. Eine solche Voraussetzung seien beispielsweise überwiegende Interessen des Natur- und Landschaftsschutzes. Diese werden von den kantonalen Fachbehörden bei den Mittellandseen überall dort geltend gemacht, wo durch Schutzverordnungen Reservatsflächen ausgewiesen sind. An den Mittellandseen würden erweiterte Gewässerräume somit nur landseitig der wertvollsten Naturschutzflächen, den Reservatsflächen aus überwiegenden Interessen des Natur- und Landschaftsschutzes geltend gemacht. Judith Setz verweist als Beispiel auf die Karte des Baldeggersees (siehe Plan auf dieser Seite). Solche Karten gebe es auch für den Hallwiler-, Rot-, Sempacher- oder Vierwaldstättersee als Information für die Gemeinden.

Nährstoffeintrag reduzieren

Anders sehe es bei Kleinseen wie Soppensee oder Mauensee aus. An diesen Kleinseen soll um den gesamten See ein erweiterter Gewässerraum ausgeschieden werden. Dabei geht es neben dem Schutz der Ufervegetation direkt auch um den Schutz der Gewässer vor direktem Nährstoffeintrag.

Als Methodik zur Bestimmung der Erweiterung der Gewässerräume an stehenden Gewässern werde der sogenannte Pufferzonenschlüssel des Bundesamts für Umwelt von 1997 verwendet.

Dass entlang der Seen sehr unterschiedlich breite Räume ausgeschieden sind, begründet Setz mit der Methodik dieses Pufferzonenschlüssels. Dieser bewerte die lokalörtliche Situation ganz konkret: Geländeneigung, Bodendurchlässigkeit und weitere Faktoren bestimmen die für die Pufferung benötigte Breite.

Externes Gutachten

So wurden auch in der Gemeinde Römerswil im Bereich der Reservatzone gemäss kantonaler Schutzverordnung Baldeggersee die Gewässerräume erweitert. Die Gemeinde hat auf Empfehlung der Dienststelle Landwirtschaft und Wald im Februar 2020 durch ein Fachbüro die Methodik der Pufferzonenschlüssel anwenden lassen und gestützt darauf diese Räume definiert. Der Gewässerraum schwankt hier zwischen 20 und 40 m.

Es sei ein Kompromiss gewesen zwischen den Interessen des Naturschutzes und der Landwirtschaft, sagt Peter Ulmann von der Dienststelle Landwirtschaft und Wald (Lawa). Während die Auslegung den betroffenen Landwirten verständlicherweise zu weit gehe, sehen die einsprechenden Umweltorganisationen den gesetzlichen Anforderungen mit dieser Behördenauslegung nicht Genüge getan.

Der Kompromiss kam allerdings bei der Bevölkerung von Römerswil nicht gut an. Dort scheiterte Mitte Juni der Teilzonenplan Gewässerraum an der Urne, und zwar deutlich mit 62 Prozent Nein-Anteil, während die separat vorgelegte Gesamtrevision der Ortsplanung genehmigt wurde.

Einsprache gegen diese Ausscheidung der Gewässerräume erhoben im Vorfeld neben Naturschutzorganisationen auch vier betroffene Bauern.

Landwirt kritisiert das Vorgehen

Einer der Landeigentümer am Baldeggersee ist Landwirt Josef Näf, Käppeliweid, Nunwil. Er bewirtschafte den Uferstreifen schon seit Jahrzehnten sehr extensiv, und auch im angrenzenden Kulturland werde auf Ackerbau verzichtet. Fragwürdig sei für ihn schon die Definition der «Uferlinie», bei deren Bestimmung auf einen regelmässig wiederkehrenden höchsten Wasserstand abgestellt wurde. Und nun werde es ihm zum Nachteil, dass sein Vater freiwillig einer grösseren extensiven Reservatzone entlang des Ufers zustimmte, als in den 90er-Jahren eine kantonale Schutzverordnung um den See erlassen wurde. Nun werde nämlich der vergrösserte Gewässerraum nicht ab der Uferlinie, sondern ab landseitiger Grenze der Reservatzone bemessen. Mit der Konsequenz, dass nicht nur der schon bestehende 25 m breite Extensivstreifen, sondern nun auch noch gutes Kulturland zusätzlich als Gewässerraum gilt. Näf kritisiert auch, dass die betroffenen Eigentümer zu den geplanten Ausscheidungen und auch zum Gutachten im Vorfeld nie konsultiert wurden und auch nicht mitreden konnten, um aufgrund ihrer praktischen Erfahrung auch auf Sachverhalte hinzuweisen.

Dazu entgegnet allerdings Judith Setz vom Buwd, dass Vertreter der Dienststelle Lawa bereits im Sommer vor zwei Jahren mit den betroffenen Landwirten vor Ort das Gespräch gesucht und die Hintergründe erklärt hätten. Ein weiteres Mal sei ein Austausch im Rahmen der Einspracheverhandlung erfolgt. An dieser waren dann auch Vertreter(innen) der Umweltorganisationen als Einsprechende vertreten.

Gemeinden haben Spielraum

Die involvierten kantonalen Fachstellen (Lawa, Uwe, Rawi) würden den Gemeinden in der Ortsplanung aufzeigen, wie sie die Umsetzung von Art. 41a Gewässerschutzverordnung auslegen und wie sie die Umsetzung für gesetzeskonform halten. Setz betont aber: «Die Gemeinden können letztlich von der Auslegung der kantonalen Fachstellen abweichen und dies begründen.» Die Gesamtinteressenabwägung im Rahmen der Genehmigung einer Ortsplanung würden aber nicht die Fachstellen machen, sondern die Regierung, also die politische Behörde. «Im Beschwerdefall entscheidet letztlich eine Gerichtsinstanz, wie weit die Auslegung von Art. 41a GSchV gehen kann im Widerspruch zwischen Schutzinteressen und Nutzinteressen.»

Nach dem Nein des Stimmvolkes in Römerswil werde der Kanton das weitere Vorgehen zur Ausscheidung der Gewässerräume festlegen. Sobald die Gemeinde die Gesamtrevision der Ortsplanung zur Genehmigung eingereicht habe. 

 

Korridor und Baulinien 

Was im Kanton Luzern als Grossgewässer definiert ist, und wie breit die Gewässerräume entlang dieser «Flüsse» sein sollen, wird vom Luzerner Bäuerinnen- und Bauernverband (LBV) seit längerer Zeit kritisiert. Ausgeschieden wurden teils Breiten weit über die minimalen 15 m. Die wurden zwar in einen inneren und äusseren Korridor aufgeteilt. Beim äusseren Korridor könne der Kanton Ausnahmen von den Bewirtschaftungseinschränkungen bewilligen. In einem aktuellen Schreiben des Buwd an die von Grossgewässern betroffenen Gemeinden wird darauf hingewiesen, dass ein Rechtsgutachten bestätigt habe, dass die Luzerner Korridorlösung bundesrechtskonform ist.

Kritisch beurteilt wurde hingegen die Ausnahmebewilligungen für Nutzungseinschränkungen im äusseren Korridor. Das Gewässerschutzgesetz sehe ohne Ausnahme eine extensive Nutzung des gesamten Gewässerraumes vor. Den Gemeinden soll nun als Alternative eine zusätzliche Möglichkeit eingeräumt werden: Neben der Festlegung des Gewässerraumes in einen inneren und äusseren Korridor, welche einzelne Gemeinden bereits umgesetzt hätten, könne stattdessen auch nur der minimale Gewässerraum von 15 m festgelegt werden. Der zusätzliche Raumbedarf für künftige Revitalisierungsprojekte könne mit einer Baulinie abgesichert werden. So bleibe zwischen Gewässerraum und Baulinie die landwirtschaftliche Nutzung gewährleistet. Bauten seien aber nur soweit zulässig, als sie auch im Gewässerraum erlaubt wären.