Auf dem Juchhof läuft diesen Frühling manches anders als sonst: Der Stadtzürcher Gutsbetrieb startet einen Praxis-Langzeitversuch mit dem Einsatz von Pflanzenkohle auf seinen Feldern, an dem auch das Forschungsinstitut für biologischen Landbau (FiBL) im Auftrag des Bundesamts für Landwirtschaft (BLW) beteiligt ist. Ziel ist dabei, zu überprüfen, wie sich Kohle auf den Wasserhaushalt und den Nährstoffgehalt des Bodens auswirkt. «Insbesondere wollen wir wissen, ob die behandelten Ackerflächen künftige Trockenphasen besser überstehen können», sagt Bernhard Koch, Leiter Landwirtschaft bei Grün Stadt Zürich.

Gülle stundenlang gerührt

Für diesen Versuch wurden auf dem Biobetrieb in den letzten Wochen insgesamt 45 Tonnen Kohle ausgebracht. «Pflanzenkohle in geeigneter Qualität und in so grosse Menge zu organisieren war nicht einfach», so Bernhard Koch. «Da waren wir froh um die Unterstützung der Zürich Holz AG.» Bevor die Kohle aufs Feld kam, brauchte es zunächst einige Vorbereitungen: In Bigpacks angeliefert, wurde der feine Kohlestaub zunächst mit einem Ladekran ins Güllesilo gehievt, welches bereits mit Dünngülle einer benachbarten Biogasanlage befüllt war. Mit der Umstellung auf Bio vor einigen Jahren hatte der Juchhof die Milchviehhaltung aufgegeben und kann daher nicht auf eigene Jauche zurückgreifen.

Um nun den Kohlenstaub möglichst homogen einzumischen, musste die Gülle während mehrerer Stunden gerührt werden. Diese Zeit braucht es zudem, damit die Kohle aktiviert wird und Moleküle wie Ammoniak bindet. Was das heisst, zeigt Koch anhand zweier Fläschchen mit Güllenproben, die eine mit, die andere ohne Kohle. Der Unterschied ist deutlich: Die Probe mit der Kohle riecht kaum. «Für unseren Hof in städtischer Umgebung ist es ein nützlicher Nebeneffekt, wenn wir die Gülle geruchsarm ausbringen können», so der Agronom.

Stickstoff wird gespeichert

Nach einer Woche im Silo waren Jauche und Kohle genügend homogenisiert. Mit dem Lastwagen wurde das Gemisch an den Feldrand gefahren, das Ausbringen erfolgte wie bei normaler Gülle mit dem Schleppschlauch bei einer Arbeitsbreite von 12 Metern. Die betreffenden Äcker, auf die zuvor Mais, Dinkel und Hanf angebaut worden waren, wurden in zwei Bereiche eingeteilt. Auf die eine Hälfte kam das Kohlen-Gülle Gemisch, auf die andere Hälfte als Vergleichsfläche die Gülle alleine. Auf diese Weise wurden sechs Hektaren mit Pflanzenkohle angereichert.

Da Kohle feinporig und saugfähig ist und eine grosse Oberfläche hat, kann sie Wasser und Nährstoffe wie etwa Stickstoff speichern und den Nutzpflanzen verfügbar machen. Auch wird auf diese Weise im Boden CO2 gespeichert. «Daher könnte die Landwirtschaft mit dem Einsatz von Pflanzenkohle auch einen weiteren Beitrag zum Klimaschutz leisten», so Bernhard Koch.

Demnächst werden Wissenschaftler des FiBL auf den betreffenden Feldern Sonden platzieren, welche Wasser- und Nährstoffgehalte ermitteln. In den nächsten sieben Jahren sollen dann jährliche Bodenproben genommen werden, um festzustellen, wie sich die Felder mit und ohne Kohle entwickeln.

Kohle in hoher Konzentration

«Mit gegen 8 Tonnen Kohle pro Hektare haben wir bewusst eine hohe Konzentration gewählt», stellt Bernhard Koch fest. «Dies, weil wir auch wissen wollen, ob der Einsatz von Kohle möglicherweise an Grenzen stösst und etwa Blockaden im Pflanzenwachstum bewirken kann».

Werde sich in den nächsten drei Jahren nichts in diese Richtung zeigen, sei eine weitere Gabe von Kohle in Betracht zu ziehen. Feldversuche mit Pflanzenkohle in dieser Grössenordnung und über eine so lange Zeit gab es bisher in Europa noch nicht. Koch, der die Idee dafür hatte, war daher auf Interesse gestossen, als er sich beim FiBL meldete.

Erste Resultate sind im kommenden Herbst zu erwarten, wenn die Ernten der behandelten und nicht behandelten Kulturen miteinander zum Vergleich anstehen. Trifft der erhoffte positive Effekt der Kohle ein, könnte Grün Stadt Zürich deren Einsatz auf weitere städtische Landwirtschaftsflächen ausweiten. «Schon heute wird Pflanzenkohle dem Baumsubstrat beigemischt. Die Stadtbäume sind so im Sommer besser vor Trockenheit geschützt», so Koch. «Erste Versuche mit dem Einsatz von Pflanzenkohle auf Fussballrasen sind auch schon am Laufen. Dort geht es um Trockenheitsresistenz und Minimierung der Düngung.»

 

Steckbrief Pflanzenkohle

Pflanzenkohle entsteht, wenn pflanzliches Material einen Verkohlungsprozess durchläuft. Dieser Prozess, der Pyrolyse genannt wird, geschieht unter Sauerstoffausschluss bei Temperaturen zwischen 380 und 1000 Grad. Dabei entstehen Kohle, Wasser, Gase und Wärme. Die letzteren beiden können zum Heizen und für die Stromproduktion verwendet werden. Bekannteste Form der Pflanzenkohle ist die Holzkohle.