Die Schaffhauser wollen die Ersten sein: «Schweizweit gibt es noch kein Bier mit einem Naturparklabel», stellte Lisa Landert eingangs der Infoveranstaltung für das Naturparkbier fest, welche am Dienstagabend in der Brauerei Falken AG in Schaffhausen stattfand und sich an potenzielle Gerstenproduzenten richtete. Die Projektleiterin für Landwirtschaft und Regionalprodukte orientierte über die Rahmenbedingungen, welche von den landesweit geltenden Naturparkrichtlinien vorgegeben sind.

Interessierte Landwirte

So müssen für Labelprodukte 80 Prozent der Zutaten aus dem betreffenden Naturpark stammen. Dies gilt bei einem Bier für das Wasser wie auch für die Gerste. Hopfen hingegen, so Landert, darf auch ausserhalb des Perimeters produziert werden, muss jedoch zwingend aus der Schweiz stammen. Zudem sind zwei Drittel der Wertschöpfung innerhalb des Naturparks zu erbringen. Zu der Produktionsart – Bio, IP oder konventionell – bestehen hingegen keine Ansprüche seitens der Naturparkrichtlinien.

«Das Bierprojekt befindet sich im Anfangsstadium», sagte Lisa Landert, «in einem ersten Schritt nun möchten wir herausfinden, wie gross das Interesse an der Produktion von Braugerste bei den Landwirten ist». Im Schalander-Saal der Brauerei hatten sich immerhin etwa 40 Bauern eingefunden, um sich über das angekündigte Projekt zu informieren. Ziel ist es, Produzenten für 20 Hektaren Braugerste zu finden. Auch braucht es einen interessierten Markt und Konsumenten, die das Bier kaufen.

Keine einfache Kultur

Über den Anbau von Braugerste orientierte Martina Jenzer Ruh, deren Familienbetrieb in Buch seit über zehn Jahren die Brauerei Falken beliefert. «Wir haben mit der Gerste gute Erfahrungen gemacht, obwohl sie keine einfache Kultur ist und auf extreme Witterungsverhältnisse empfindlich reagiert», stellte die Schaffhauserin fest.

Als Braugerste eignet sich laut Jenzer hauptsächlich die zweizeilige Sommergerste. Wintergerste hat zwar ein doppelt so ­hohes Ertragspotenzial, weist jedoch auch einen höheren Proteingehalt auf, was sie vor allem als Futterkultur interessant macht. Doch enthält die Gerste viel Protein, steigt das Risiko, dass sie für den Vermälzungsprozess nicht mehr verwertbar ist. Erwünscht ist ein Proteingehalt von 9,5 bis 11,5 Prozent. Was die Sortenwahl betrifft, empfiehlt Jenzer Avalon, Qench, RGT Planet und Solist. Das Saatgut bestellt sie in Deutschland, da es hierzulande kein Angebot gibt.

Kurze Vegetationszeit

Für den Anbau eignen sich mittelschwere, nicht zu dichte Böden ohne Staunässe. Die Vegetationszeit der Sommergerste von 110 bis 130 Tagen ist mehr als halb so kurz wie diejenige der Wintergerste. Dabei handelt es sich um eine Frühlingskultur, deren Anbau früh erfolgen sollte. Zur Bestockung braucht es genügend Wasser, der Boden darf jedoch nicht verschlämmt sein, das Saatbeet nicht zu fein. «Die Gerste braucht viel Luft. Sie ist da viel heikler als Weizen und Dinkel», betonte Martina Jenzer. Auch Verdichtungen und Strukturschäden wirken sich negativ auf die Bestandesentwicklung aus. Gefragt sind ein hoher Vollkornanteil und eine gute Keimfähigkeit. Trockene Perioden vermindern allerdings Kornfüllung und Ertrag. Die Witterung spielt insgesamt eine grosse Rolle. Von ihr hängt auch ab, ob und wie viel N-Düngung benötigt wird.

Abhängig vom Bodentyp

Die Bodenbearbeitung ist abhängig von Bodentyp und Fruchtfolge. Wo Mais, Weizen und Rüben angebaut wurden, empfiehlt Martina Jenzer zu pflügen. Die Unkrautbekämpfung erfolgt analog der Futtergerste, bewährt hat sich ein Striegeleinsatz im Herbst. Wo allerdings der Ackerfuchsschwanz ansässig ist, empfiehlt sich ein herbizidfreier Anbau nicht. Was Krankheiten betrifft, ist die Sommergerste anfällig auf Netzflecken, Rynchosporium und Sprenkelnekrose. Ein Fungizideinsatz erfolgt analog der Wintergerste. Bezüglich Alternativen zum gängigen, aber umstrittenen Chlorothalonil musste Jenzer ein Fragezeichen setzen.

Die Ernte erfolgt bei einer Feuchtigkeit von 12 bis 15 Prozent. Danach bleibt die Gerste zwischen 4 und 8 Monaten auf dem Betrieb. Es braucht demnach genügend Lagerkapazität. Laut Lisa Landert wurde bereits der Frage nach einer Sammelstelle nachgegangen, wobei die GVS hier Hand bieten könnte.

Stolz auf eigene Gerste

Ihre Gerste lässt Martina Jenzer in Deutschland vermälzen, was Zollformalitäten und eine Bewilligung beim BWL erfordert. Grund dafür ist, dass die einzige Schweizer Mälzerei mit Standort Genf noch keine konstante Qualität zu liefern vermag. Gegenwärtig prüft die IG Mittelland Malz eine Möglichkeit zur Vermälzung in Zollikofen (BE). Die Frage aus dem Publikum, ob eine ihrer Ernten die nötigen Vorgaben auch schon nicht erreicht habe und abgelehnt worden sei, konnte Martina Jenzer verneinen. Allerdings sei die Qualität nicht jedes Mal gleich gut, und man müsse auch mit einem Negativbescheid rechnen können. Trotz der Ansprüche einer speziellen Kultur ist die Produzentin mit dem Anbau der Braugerste zufrieden: «Zu wissen, dass unsere Gerste in Schaffhauser Bier kommt, macht mich stolz.»

Mehrheitsfähiges Bier

Kommt das Projekt wie geplant zustande, soll 2022 das erste Bier gebraut werden. Noch sind jedoch viele Fragen offen. Was für ein Typ Bier es denn sein soll, ist beispielsweise noch nicht entschieden. «Wenn der Kontakt zu möglichen Produzenten hergestellt ist, werden wir eine Marktanalyse durchführen», sagte diesbezüglich Andrea Imthurn, Marketing-Leiterin und Bier-Sommelière. Sie stelle sich dabei weniger ein Spezialbier vor, sondern ein mehrheitsfähiges Produkt, welches in Richtung Lagerbier geht.

Noch keine Preisangabe

Jemand aus dem Publikum wollte wissen, welcher Preis für die Gerste bezahlt werde. Zdzislaw Koltun, Produktionsleiter und Mitglied der Geschäftsleitung der Brauerei Falken AG, wollte sich dazu noch nicht äussern. «Ich kann mich nicht festlegen, dafür sind zurzeit noch zu viele Variablen unbestimmt, etwa die Menge, die produziert und abgesetzt werden kann». Für eine unabhängige Brauerei wie Falken sei es jedoch wichtig, so Koltun, regionale Zutaten verwenden zu können, das gelte nicht nur für das Naturparkbier.

Interessierte willkommen

Landwirte, die sich für die Produktion von Braugerste interessieren, können sich bei Eric Vogelsanger, Nachfolger von Lisa Landert, vom Regionalen Naturpark Schaffhausen melden (eric.vogelsanger@naturpark-schaffhausen.ch). Voraussetzung ist, dass sich der Betrieb innerhalb des Naturpark-Perimeters und auf Schweizer Boden befindet. Gemeinden, die in Frage kommen: Beringen, Buchberg, Gächlingen, Hallau, Löhningen, Neunkirch, Oberhallau, Rüdlingen, Schaffhausen, Schleitheim, Thayngen, Trasadingen und Wilchingen.