Im bernischen Trub sind an der Ilfis 45 Meter Gewässerraum vorgesehen, im nahen Kanton Luzern sollen es am gleichen Bach bis 70 Meter sein. Die Wigger gilt auf Luzerner Boden als Grossgewässer und soll ebenfalls mit einem 70 Meter breiten Gewässerraum versehen werden. Einige Meter weiter auf Aargauer ­Boden werden nur 45 Meter ausgeschieden. Für die Wissemme beim Xanderheim in Escholzmatt, mit einer natürlichen Sohlenbreite von 6 Metern, ist ein Gewässerraum von 51 Metern vorgesehen. Wieso dies ein Grossgewässer sein soll, darüber kann Stefan Heller, Geschäftsführer des Luzerner Bäuerinnen- und Bauernverbands (LBV), nur rätseln.

Wogen gingen hoch

Stefan Heller orientierte am Montag und Donnerstag an Informationsveranstaltungen der Gemeinde in Escholzmatt-Marbach über die Ausscheidung der Gewässerräume ausserhalb Bauzonen. Dabei wies er auch auf obgenannte Beispiele hin, die den unterschiedlichen Vollzug je nach Kanton aufzeigen. Die Wogen gingen hoch, viele Bäuerinnen und Bauern fühlten sich vor den Kopf gestossen und kritisierten das Vorgehen und das Ausmass der Ausscheidung massiv. Die konkreten Zonenpläne werden Ende August aufgelegt bzw. auf der Website der Gemeinde aufgeschaltet.

Für den LBV ist klar, die Definition der Grossgewässer im ­Kanton Luzern sei kritisch zu hinterfragen. Und wie viel Gewässerraum (GWR) an diesen ausgeschieden wird, ebenso. Geschäftsführer Stefan Heller ist nach jahrelangem Gestürm um Gewässerräume genervt, auch über die Verwaltung des Kantons Luzern. Mögliche Spielräume bei der Ausscheidung würden im Gegensatz zu anderen Kantonen nicht genutzt. Kaum mehr Diskussionen gibt es für kleinere Gewässer. «Der LBV anerkennt die Ausscheidung der Gewässerräume, wenn dies nicht bei Rinnsalen erfolgt und die Breite mittels der gängigen Formel berechnet wird.»

«Die Bauern sollten die Situation vor Ort auf den Feldern anschauen.»

Ratschlag von LBV-Geschäftsführer Stefan Heller, wenn die Pläne mit dem Gewässerraum  aufgelegt werden.

Bach wird zu Grossgewässer

Nicht nachvollziehbar sei aber, was im Kanton Luzern als Grossgewässer gilt (siehe Tabelle). Das Fachgutachten darüber stamme von 2013, eine Diskussion dazu habe nie stattgefunden, und die Interessensabwägung sei einseitig, kritisiert Heller. «Aufgrund der massiven Auswirkungen für die einzelnen Betriebe wäre dies mehr als angezeigt gewesen.»

Eigentlich wären Grossgewässer solche mit einer Gerinnsohlenbreite von über 15 Metern. Bei diesen legt der Kanton den GWR «unter Berücksichtigung der ­natürlichen Funktionen der Gewässer, des Schutzes vor Hochwasser und der Gewässernutzung» selber fest, heisst es in der Arbeitshilfe des Kantons für die kommunalen Nutzungsplanungen von 2019. In einigen Kantonen wie Zürich oder St. Gallen ist die Ausscheidung von Grossgewässern noch nicht erfolgt. Andere Kantone halten sich an den für solche Gewässer im Gesetz vorgesehenen Mindestgewässerraum von je 15 Metern. So die Nachbarkantone Bern, Aargau und Schwyz oder auch Graubünden, hat Heller recherchiert.

Furcht vor Einschränkungen

Nicht so Luzern. Die Breite des natürlichen Gerinnes und damit des Gewässerraumes sei eben abhängig von den bettbildenden Hochwasserabflüssen, heisst es in der Arbeitshilfe. Deshalb würden die Gewässerräume der grossen Luzerner Fliessgewässer teilweise deutlich über die 15 Meter breiten Uferbereiche hinausgehen. Zwar werden diese noch in einen inneren (mit Bewirtschaftungseinschränkungen) und äusseren Gewässerraumkorridor aufgeteilt. Beim inneren Korridor (Gerinnesohlenbreite plus beidseitig je 15 Meter ab Uferlinie) könne allerdings die Behörde «bei wichtigen Gründen des Natur- und Gewässerschutzes» eine Verbreiterung verlangen. Und für den äusseren Korridor könne der Kanton Ausnahmen von den Bewirtschaftungseinschränkungen bewilligen. Die Rechtsunsicherheit dieses Alleingangs sei jedoch sehr gross, dies sei auch den Verantwortlichen des Kantons bewusst, ergänzt Stefan Heller.

Spielraum nicht genutzt

Zwar sieht auch die eidgenössische Gewässerschutzverordnung vor, dass grössere GWR als die minimal festgelegten Breiten ausgeschieden werden können, so in Naturschutz- oder BLN-Gebieten, oder auch bei Hochwasser- oder Revitalisierungsprojekten. Sind letztere aber noch nicht konkret in Planung, ist dies für einige angefragte Kantone kein Grund, grössere Räume festzulegen. «Luzern scheidet also auf Vorrat grössere Gewässerräume aus, obwohl gar keine konkreten Projekte vorliegen», kritisiert Stefan Heller. Luzern nütze trotz Versprechungen den Spielraum bei Grossgewässern bei Weitem nicht aus, dies im Gegensatz zu anderen Kantonen.

Überprüfung auf Feld

Die Ausscheidung der Grossgewässer müsse noch einmal überprüft werden. «Heute schiebt die Verwaltung die Verantwortung zur Gemeinde, die Gemeinde zu den Planern, und die Planer gehen zur Verwaltung», meinte Heller. Den Bäuerinnen und Bauern gab er den Tipp, die Ausscheidung der Gewässerräume vor Ort auf den Feldern anzuschauen. «Denn die Karten sind teilweise ungenau.» 

 

Zwei Phasen im Aargau

Im Aargau wird die Festlegung der Gewässerräume in zwei Phasen umgesetzt. Im Baugesetz wurde die Definition des Uferstreifens für eine Vielzahl Gewässer schon vor Jahren festgelegt. Die vom Regierungsrat 2016 verabschiedete behördenverbindliche Fachkarte Gewässerraum zeigt die Grösse auf. Selbst bei Gewässern über 15 m Breite wird beidseitig nur der minimale Gewässerraum von je 15 m ab Uferlinie ausgeschieden. Eigentümerverbindlich werden die Gewässerräume, sobald die kommunalen Nutzungsplanungen abgeschlossen sind. 

In der Regel werde die kantonale Vorgabe umgesetzt, es gebe wenig Spielraum für die Gemeinden, weiss Ralf Bucher, Geschäftsführer des Bauernverbands Aargau (BVA). Nur in Einzelfällen könne es vorkommen, dass Gemeinden wegen weiteren Auflagen (Naturschutz, BLN, Uferschutz) oder anstehenden Projekten grössere Gewässerräume ausscheiden wollen. Dies sei aber eher selten, bei Bedarf interveniere der BVA. Bucher ruft die Bauern auf, bei laufenden Ausscheidungen der GWR durch Gemeinden genau hinzuschauen und sich bei Problemen an den BVA zu wenden.

 

 

Grossgewässer in Luzern

Fluss

Von — bis

km

Reuss

Mündung Kleine Emme — Kantonsgrenze

13,3

Kleine Emme

Zusammenfluss Wald/Wissemme — Mündung

36,4

Rümlig

Schwarzenberg — Mündung

9,4

Grosse Fontanne

Mündung Seeblibach — Mündung Kleine Fontanne

9,3

Grosse Entle

Rossfuhre — Mündung

9,9

Waldemme

Kantonsgrenze OW — Mündung

18,2

Wissemme

Schwandigrube — Mündung

4,6

Rotbach

Seebebach — Waldemme

2,4

Suhre

Surseer Wald — Kantonsgrenze

7,5

Wigger

Seewag — Kantonsgrenze

15,9

Luthern

Ruefswil — Mündung

13,2

Ilfis

Hilfere — Kantonsgrenze

6,3