Die Woche neigt sich dem Ende zu. Und mit ihr das ganze Jahr. Mir bleiben noch zwei läppische Wochen um alles, was dieses 2019 von mir hätte haben wollen, noch zu erledigen. Das wird knapp. Zu knapp. Auf der Tastatur meines Computers existiert eine Taste, die sich in all den Jahren zu meiner Lieblingstaste entwickelt hat. Es ist auch die einzige Taste, die wirklich alles sagt, was sie kann. «Delete». Delete steht für Löschen – weg damit. Es ist doch eigentlich etwas Beklemmendes, dass man ständig noch was zu erledigen hätte, ewig etwas vergisst oder bestenfalls immer und immer wieder verschiebt, dauernd etwas pendent neben sich rumliegen hat und einfach nie den ganzen Stapel abgearbeitet hat. Leben, das nervt! Dieses Ich-sollte oder noch schlimmer Ich-muss-noch, hat nicht viel Lustvolles an sich. Aber wir kennen es alle, nicht wahr? Und besser wird es mit dem Jahresende nicht. Da würde eben Delete helfen. Mut zur Lücke!
Der Stress und das Alter
Zum Leben unter Stress kommt nach 40 plötzlich noch das Alter hinzu. Klar lachen jetzt die 60-Jährigen und denken, mit 40 ist man noch jung. Aber …, ja, aber. Ich halte mich an den Spruch, wenn dir ab 40 nichts wehtut, dann bist du tot. Und hier geht jetzt Delete eben einfach nicht mehr. Funktioniert nicht. In meinem näheren Freundeskreis redet man neuerdings über Betablocker, Golferellbogen, Karpaltunnelsyndrom, Bluthochdruck, Hüft-OP oder zusammengefasst gesagt, über Altersbeschwerden. In unserem Regionalredaktionsbüro sitzen wir so rum, die eine trägt so ein Messgerät, das ihre Schritte, ihren Blutdruck, ihren Puls und alles andere misst. Das macht es im Sekundentakt. Die andere sitzt mit von Tapes überklebten Körperteilen an der Tastatur und stöhnt immer mal wieder, weil sie sich was gestossen hat. Und ich komme vom Mittagessen zurück und google vor dem Verfassen des nächsten Artikels, was es so auf sich hat, wenn man urplötzlich unmögliche Schmerzen im linken Arm verspürt. «Willst du einen Betablocker?», fragt mich mein Gegenüber. Nach dem Konsultieren der Nebenwirkungen entscheiden wir im Team, dass es vielleicht doch nicht das Richtige ist. Ich werfe einen Magenschoner und ein Aspirin ein, und entscheide, dass ich jetzt grad keine Zeit für Schmerzen habe. Also doch: Delete.
Zähne putzen mit ausländischer Butter
Wir arbeiten also weiter, bis die eine dann erzählt, dass Zähneputzen neuerdings krebserregend sei und sie alle Zahnpastas der Migros weggeschmissen habe. Ich bin sprachlos, denke daran, womit ich die letzten 40 oder noch mehr Jahre meine Zähne geputzt habe und frage sie, womit sie denn neuerdings die Zähne putze. Etwa mit ausländischer Butter, oder was? Oder was kriegt man denn noch so aufgetischt? Wasser solle man ja auch nicht mehr trinken. Und Bier macht vermutlich diese geschwollenen Augen, die es jeden Morgen nach Erreichen des 46. Lebensjahres gratis zum Stress, den einem das Leben beschert, so gibt. Ich habe es probiert, es gibt sie auch ohne Bier. Das sei normal, erklärt mir unser Viehzuchtexperte auf der Redaktion. Dazu schlürft er einen halben Liter Tee mit Zitronensaft aus dieser uralten Keramiktasse, mit der man sich die Lippen komplett zerschneidet, wenn man nicht mit dem Ding aufgewachsen ist. Da kommt es daher, das 2020. Und mit ihm ein Jährchen mehr. Dabei hätte ich doch gar keine Zeit. Ich versuche es mit Delete.