Immer wieder erleiden Landwirte Landschäden durch Dritte. Sei es, weil mit Autos oder Töffs durchs Land gebrettert wird, oder Wiesland als Abstellplatz für eine Baustelle dient. Martin Goldenberger, Leiter Agriexpert und Bereichsleiter Bewertung und Recht, gibt Auskunft, wie Betroffene sich verhalten sollen und welche Möglichkeiten sie haben.
Wie sollen Betroffene, die einen Landschaden erlitten haben, reagieren?
Martin Goldenberger: Es empfiehlt sich immer umgehend das Gespräch mit den verantwortlichen zu suchen. In Ihrem Beispiel (siehe weiterführender Artikel unten) sind die Auftraggeber des Baugeschäftes sicher die neuen Grundeigentümer und neuen Hausbesitzer. Diese wissen vermutlich nichts davon, dass das beauftragte Baugeschäft die Nachbarparzelle in Beschlag genommen hat. Wir raten dazu eine Besprechung mit dem Bauherr und dem Baugeschäft zu machen und das weitere Vorgehen zu regeln:
- Muss die Parzelle geräumt werden und bis wann?
- Oder kann diese gegen Entschädigung weiterbenutzt werden?
- Wie wird der bereits verursachte Landschaden entschädigt?
- Ist eine Nutzung der Nachbarparzelle rechtlich überhaupt möglich und Bestandteil des Baugesuches? Wenn die Nutzung als Baustelleninstallationsplatz nicht im Baugesuch enthalten war (was ja wohl kaum der Fall ist, da die Eigentümer sich dagegen wehren), ist eine Nutzung der Nachbarparzelle auch baurechtlich gar nicht zulässig. Bei einer Meldung an die Baubehörde müsste auch diese einschreiten.
- Wie hoch ist die Entschädigung? Diese sollte immer im Voraus oder wenigstens bei der ersten Feststellung des Schadens genau vereinbart werden, damit erspart man sich unnötige Auseinandersetzungen am Schluss. Massgebend ist die Kulturschadentabelle von SBV Agriexpert, welche gesamtschweizerisch zur Anwendung kommt.
Welche Fehler sollten die Betroffenen vermeiden?
Unsachgemässes Verhalten wie Arbeiter vor Ort beschimpfen bringt nichts, diese haben nur dem Auftrag eines Vorgesetzen gehorcht. Der grösste Fehler ist die Mitteilung an den Bauherr wie: wir schauen es dann am Schluss an. Der Landwirt soll konsequent von Anfang an den Schadenanspruch einfordern gemäss der Kulturschadentabelle von SBV Agriexpert.
Auf was gilt es ganz besonders zu achten?
Die korrekte, beschädigte Fläche anzugeben (und nicht mehr, aber auch nicht weniger). Abschätzung ob ein 100%iger Schaden entstanden ist oder noch eine teilweise Ernte möglich ist. Folgeschäden nicht vergessen wie grubbern, eggen, Nachsaat, Steine auflesen und vor allem Folgeschäden im kommenden Jahr (späte Saat z. Bsp. wird auch noch im kommenden Jahr zu einem Minderertrag führen). Mehrarbeit wegen unförmiger Parzelle wegen dem Aushub oder Installationsplatz oder Mehrweg weil die Strasse nicht passierbar war, usw. können auch entschädigt werden. Zuschlag für Freiwilligkeit einfordern, aber bitte schon vor Beginn der Bauarbeiten dem Bauherr so kommunizieren unter Angabe der zu erwartenden Summe. Immer wieder müssen wir wegen diesem Punkt vermitteln, weil die Landwirte dies nicht mitteilen und am Schluss einfach das Mehrfache des effektiven Schadens einfordern. Die Landwirte haben ja recht, dass sie sich nicht zu billig abspeisen lassen, sollten aber die Zuschläge für Freiwilligkeit oder Kleindeponien immer gleich am Anfang kommunizieren.
Wie sieht die rechtliche Situation aus?
Das ZGB schützt jeden Eigentümer, dass Drittpersonen nicht einfach fremde Grundstücke in Beschlag nehmen und beschädigen dürfen. Ist dies nicht zu vermeiden z. Bsp. für Erschliessungsleitungen muss der Bauherr sich zuerst das Recht dazu geben lassen vom Grundeigentümer oder dies rechtlich erstreiten. Der Grundeigentümer ist aber dafür zu entschädigen. Stellt jemand illegales Verhalten auf seiner Parzelle fest, ist dies umgehend zu melden. Grundsätzlich kann dies bei der Polizei erfolgen, welche dann den weiteren Verlauf bestimmen wird (Aufnahme vor Ort, Anzeige entgegennehmen, Rapport erstellen), oft zielführender ist den Verursacher ausfindig zu machen und die Angelegenheit direkt zu regeln. Kann auf diesem Weg kein Erfolg erzielt werden, steht der Weg zur Polizei immer noch offen. Eine illegale Nutzung als Materialdeponie im Rahmen eines Bauvorhabens kann auch bei der Baubehörde gemeldet werden, welche dann tätig werden muss.
Können die Betroffenen die Höhe des Schadens selbst ermitteln, oder braucht es dazu Experten?
Agriexpert publiziert jährlich die Kulturschadentabelle, aus welcher der Schaden problemlos ermittelt werden kann, je nachdem welche Kultur betroffen war. Die Tabelle ist kostenpflichtig. Landwirte können die Tabelle meist gut selber lesen und Berechnungen ausführen.
Wie können die Betroffenen allenfalls den Schaden selbst beziffern? Was gilt es zu beachten?
Unter Anwendung der Kulturschadentabelle von SBV-Agriexpert kann der Schaden gut selber beziffert werden. Wichtig ist aber, dass alles gelesen und konsequent umgesetzt wird. Einsparbare Erntekosten wie Mähdrescher sind eben auch in Abzug zu bringen. Anderseits muss der Geschädigte nicht einfach mit der Vergütung des Schadens einverstanden ein, sondern darf ruhig etwas mehr verlangen für die Bereitschaft überhaupt einen Schaden hinzunehmen. Auch wenn kleine Deponien errichtet werden wie beim Bau von EFH statt den Humus abzuführen, kann der Landwirt sicher mehr verlangen. Aber Achtung, diese Zuschläge sind nicht statthaft, wenn das Land dazu enteignet werden kann wie z. Bsp. Beim Strassen- oder Bahnbau durch die öffentliche Hand.
Welche Möglichkeiten haben die Betroffenen, sollten sich die Verursacher weigern, den Schaden zu bezahlen?
Am besten ist immer den Schaden im Voraus mutmasslich abzuschätzen und mit dem Bauherr zu besprechen. Der Bauherr weiss dann, was auf ihn zukommt. Ideal ist, wenn ein kurzer Vertrag aufgesetzt wird mit dem Inhalt, dass der Schaden gemäss der Kulturschadentabelle von SBV Agriexpert entschädigt wird. Im Streitfall wird SBV Agriexpert als Schlichtungsstelle eingesetzt, welche den Schaden abschliessend beurteilt. Will der Verursacher nicht bezahlen, ist das dokumentieren des Schadens besonders wichtig. Fotos von der Situation machen sowie eine Skizze anfertigen eignet sich dazu sehr gut. Den Schaden mit einer neutralen Person besichtigen, welche es später notfalls bezeugen kann, kann auch hilfreich sein. Wie bei jeder anderen Forderung die der Schuldner nicht zahlen will, ist der normale Rechtsweg zu beschreiten, um Geldforderungen einzutreiben. Rechnung stellen, mahnen, Betreibung androhen und am Schluss Betreibung einleiten. Bezahlt der Verursacher immer noch nicht, wird es beim Friedensrichter zu einer Verhandlung kommen. Spätestens in diesem Zeitpunkt bzw. schon bei der Einforderung einer Schlichtungsverhandlung sind gute Beweise Gold wert.
Was hat ein Landwirt für Möglichkeiten, wenn Landschäden verursacht wurden, die Verursacher aber unbekannt sind?
Er kann bei der Polizei eine Anzeige gegen Unbekannt einreichen und diese mit Fotos dokumentieren. Die Polizei wird aber nicht Ressourcen haben aktiv den Verursacher zu suchen, kann aber evtl. aus anderen Meldungen den Verursacher ausfindig machen.