Der Hagelschlag mit starkem Wind und Regen vom Montagabend 28. Juni hat auch im Obstbau teils grosse Schäden verursacht, so im Luzerner Seetal. Stark betroffen ist Markus Thali vom Breitholz Gelfingen, nahe am Baldeggersee, er ist gleichzeitig Präsident des Luzerner Obstbauverein. Es seien nicht sehr grosse Hagelkörner gewesen, aber eine enorm grosse Menge. Die Wucht hat innert zehn Minuten eine zwei Hektar grosse Anlage samt Pfählen und jungen Apfelbäumchen umgelegt, während in der unmittelbaren Nachbarschaft andere eingenetzte Anlagen dem Sturm standhielten. Zum Glück sähen die rund 8000 Bäume relativ unversehrt aus, wurzeln noch im Boden und sind nicht gebrochen. Diese werden deshalb in den nächsten Tagen wieder aufgestellt.
Schnell, aber vorsichtig
Es pressiert, sollen die Pflanzen trotz vorhandener Bewässerungsanlage gerettet werden. «Es ist ein Wettlauf gegen die Zeit.» Gleichwohl müsse sauber und vorsichtig gearbeitet werden. Vorher ist aber die Anlage wieder herzurichten. Schon am Dienstag halfen Mitglieder seines Turnvereins beim Demontieren der Drähte. Das sei nicht ganz ungefährlich, denn die Drähte waren unter Spannung, erklärt Thali. Bereits am Mittwoch waren zahlreiche weitere Helfer, auch vom Zivilschutz, mit Wiederherstellungsarbeiten beschäftigt. Im Einsatz auch das Netzteam Meyer Zwimpfer AG mit einem Bagger zum Einschlagen der umgelegten Pfähle.
Bäumchen nur umgelegt
Für Lukas Meyer ist es nach den aktuellen Unwettern der letzten Tage bereits die zweite Obstanlage, die in der Region wieder aufgerichtet wird. Die Firma hat Erfahrung, schon in den 90er-Jahren habe sein Vater nach Schnee- und Hagelschlägen jeweils die Pfähle und Drähte mit Helfern wieder instand gestellt. Erste Priorität habe hier die Rettung der vierjährigen Bäume, in die in den letzten Jahren viel Arbeit gesteckt wurde und die nun in den Ertrag gekommen wären, erklärt Meyer. Es sei ein grosser Vorteil, dass dank des nassen Bodens die jungen Bäume nur umgelegt wurden. Auch die meisten Pfähle sind intakt, werden nun passgenau wieder in die Löcher eingeschlagen, diesmal etwas tiefer.
Lokal grosse Unterschiede
Es müsse sehr genau gearbeitet werden, damit die spätere Verdrahtung funktioniere, betont Meyer. Die Pfählung dauere wohl zwei bis drei Tage, bis die ganze Anlage wieder verdrahtet und mit dem Netz versehen sei, mindestens eine Woche. Wieder verwendet wird das havarierte Netz, provisorisch für dieses Jahr, denn auf die Schnelle lasse sich nicht ein Neues organisieren. Wieso Hagelschutzsysteme in der unmittelbaren Umgebung noch stehen, hier aber nicht, führt Meyer auf mehrere Ursachen zurück. Diese Anlage hier sei auf einer Kuppe mehr dem Wind ausgesetzt und zudem anders exponiert. Zudem könne es bei Hagelschlägen jeweils innert 50 Meter lokal grosse Unterschiede geben. «Es lag sicher nicht am hier verwendeten neueren System, das war nicht mehr gefährdet als andere.»
Für Markus Thali ist der Schaden gross und tue weh. Die zerschlagenen Früchte und das Netz seien versichert, nicht aber die jungen Bäume. Hier liege eine Dauerkultur am Boden, und er frage sich in Anbetracht der Klimakapriolen mit mehr Frost und Unwettern in den letzten Jahren manchmal schon, ob man damit noch auf dem richtigen Weg sei.
Innert Minuten wurden Luzerner Scheunendächer zu Löchersieben
Von seinem Hof aus konnte er förmlich zusehen, wie sich über dem Napf eine Gewitterzelle bildetet, berichtet Beat Müller. Bald darauf ging es auch schon los. Auf dem Familienbetrieb Müller, Landig, in Wolhusen sind Wohnhaus, Milchviehstall und Schweinescheune massiv betroffen. Die Dächer sind durchlöchert, auf dem Wohnhaus seien noch rund 70 Ziegel ganz, sagt Müller. Bilder wie aus Kriegsgebieten.
Gross wie Tennisbälle
Rund 5-10 Minuten hätten Hagelsteine in der Grösse von Tennisbällen eingeschlagen. Es war Montagabend, 17.30 Uhr. Für die Familie, die im Wohnhaus ausharrte, und auch für die Tiere ein traumatisches Erlebnis. Ein Jodelkollege sei zugleich auch sein Dachdecker. Am selben Abend noch wurde notdürftig abgedeckt. Den Heustock trocknet Beat Müller nun mit einem Warmluftofen aus. Er ist zuversichtlich, diesen zu retten. Ziegel und Eternitplatten wurden rasch bestellt. Müller hofft trotz allem, dass auf seinem Betrieb in rund einem Monat vieles wieder hergestellt ist.
«Ruswil, Grosswangen, Neuenkirch, Wolhusen, Menznau, Geiss, Hidisrieden, Sempach, Neudorf, mehrere Zuger Gemeinden.» Die Aufzählung von Christoph Brunner, Leiter der Versicherungsberatung beim Luzerner Bäuerinnen- und Bauernverband (LBV), ist nicht abschliessend. Aber aus diesen Regionen kamen die meisten Anrufer am Dienstag, Mittwoch und Donnerstag. Und die Ereignisse vom Montagabend sind längst nicht abgearbeitet.
Schäden melden
Während bei «normalen» Hagelgewittern vor allem Fragen rund um Kulturen im Zentrum stehen, waren dieses Mal aus landwirtschaftlicher Sicht auch Gebäude, speziell Dächer, Fassaden und Schutzanlagen von Spezialkulturen stark betroffen. «Einige Scheunendächer sind komplett durchlöchert», so Brunner. Da diese in der Regel kein Unterdach haben, gab es rasch Folgeschäden wie nasse Heustöcke. Gemeinsam mit den Kunden wurde das Vorgehen diskutiert und viele Fragen drehten sich auch um Abgrenzungen. Etwa, was noch in den Bereich der Gebäudeversicherung fällt oder bereits der Fahrhabe zuzuordnen ist. Thema waren auch Eigenleistungen bei Aufräumarbeiten. Dokumentieren, etwa mittels Bildern und rapportieren sei nie falsch, aller Hektik zum Trotz, rät Brunner. Viele hätten auch Zeit und Nerven verloren in den Telefonwarteschlaufen von Versicherungen oder beim Versuch, lokale Unternehmer wie Dachdecker zu erreichen. Schäden bei Versicherungen möglichst online melden, ist ein weiterer Tipp des Beraters.
Wer gerüstet sei für erste Sofortmassnahmen, etwa selber grössere Blachen habe zum Abdecken, könne weitere Schäden verhindern, bis professionelle Hilfe eintrifft. Wobei die persönliche Sicherheit vorgehe.