Am Tannenhof ging eine Ära zu Ende. Institutionsleiter Richard Märk ging Ende November nach über 22 Jahren in Pension. Am 1. Dezember hat Hanspeter Keller die Leitung der Heimstätte für Frauen und Männer mit psychischen und sozialen Problemen übernommen. Zur Stiftung Tannenhof gehört ein grosser Bio-Landwirtschaftsbetrieb mit fast 150 Hektaren. Die Landwirtschaft ist dem Ingenieur Agronom ETH bestens vertraut. Er war selbst fast 25 Jahre lang Landwirt.
Herr Keller, der Tannenhof ist eine Institution mit viel Geschichte. Was hat Sie an der Stelle als Institutionsleiter gereizt?
Hanspeter Keller: Der Tannenhof ist die Symbiose meiner beiden beruflichen Pfeiler, der Landwirtschaft und dem sozialpädagogischen Bereich. Gereizt hat mich die Stelle in erster Linie wegen der Bewohnerinnen und Bewohner. Nach meiner Zeit als aktiver Landwirt wollte ich mit erwachsenen Menschen arbeiten. Genau mit dieser Art von Menschen, wie sie auf dem Tannenhof leben und in früheren Institutionen, in denen ich tätig war. Ich denke, dass ich als Leiter des Tannenhofs meinen Teil dazu beitragen kann, dass es ihnen gut geht und bei uns wohl ist.
Stiftung Tannenhof
Der Tannenhof in Gampelen ist eine Heimstätte für Frauen und Männer mit verschiedenen sozialen und psychischen Problemen. Ein Drittel der 90 Bewohner(innen) sind suchtkrank, zwei Drittel psychisch krank.
Eine Wiedereingliederung sei bei den meisten nicht mehr möglich, sagt Hanspeter Keller. Es gehe darum, ihre Ressourcen zu erhalten, ihnen ein schönes und würdiges Leben zu ermöglichen und eine Struktur zu bieten. Die Bewohner können im Rahmen ihrer Möglichkeiten in Ateliers, Werkstätten, der Haus- oder der Landwirtschaft tätig sein. Der Tannenhof beschäftigt 60 Mitarbeitende.
Auf dem zur Stiftung Tannenhof gehörenden Biobetrieb mit fast 150 Hektaren werden Ackerbau, Futterbau, Obst- und Gemüsebau betrieben. Zudem gehören rund 120 Mastrinder und -ochsen und verschiedene Kleintiere zum Betrieb.
Was macht den Tannenhof für Sie aus?
Es war eine Art Heimkommen für mich. Ich bin in einem ganz ähnlichen Heim aufgewachsen, einfach viel kleiner. Meine Eltern führten ein Heim für Jugendliche mit Lernbehinderungen. Es macht mich stolz, eine solche Institution leiten zu dürfen. Ich bin der siebte Heimleiter in der 131-jährigen Geschichte. Der Tannenhof ist ein Betrieb mit Tradition und Geschichte. Die Arbeit unterscheidet sich nicht unbedingt von der in den Institutionen, die ich früher geleitet habe. Was mir zugute kommt, ist die Kompaktheit. Es ist zwar ein sehr grosser Betrieb, aber alles an einem Standort, in unserem kleinen Dorf quasi. An meinem vorherigen Arbeitsort in Biel waren wir über die ganze Stadt verteilt.
Ihr Vorgänger war über zwei Jahrzehnte am Tannenhof tätig. Ist ein Wechsel nach einer so langen Zeit eine besondere Herausforderung?
Ja, nach einer solch langen Zeit ist ein Wechsel etwas sehr Einschneidendes. Das macht etwas mit allen Beteiligten, ob man will oder nicht. Die einen sehen es vielleicht als Chance auf eine Veränderung, andere haben sehr viel Mühe damit. Veränderungen wird es so oder so geben. Ich bin nicht Richard Märk und er ist nicht ich. Es soll auch unter meiner Leitung Kontinuität geben. Ich hatte nie den Anspruch, sofort alles zu verändern, dafür gibt es auch keinen Handlungsbedarf. Es ist wichtig, das Bestehende mitzunehmen und nicht in kürzester Zeit alles auf den Kopf zu stellen.
Wo steht der Tannenhof in fünf Jahren?
Hoffentlich immer noch am selben Ort in Gampelen (lacht). Nein, im Ernst, es ist noch viel zu früh zu sagen, wo die Reise hingeht. Die strategischen Leitlinien gibt der Stiftungsrat vor. Ausserdem führe ich den Betrieb nicht alleine, wir sind ein siebenköpfiges Leitungsteam, alles Fachspezialisten auf ihrem Gebiet. Mir ist es wichtig, eine Entwicklung mit ihnen zusammen anzutreten, nur so ist sie nachhaltig. Der Betrieb ist hervorragend aufgestellt. Ich durfte da von Richard Märk ein wunderbares Erbe antreten.
Ein wichtiger Pfeiler des Tannenhofs ist der Landwirtschaftsbetrieb. Vor vier Jahren fiel mit der Umstellung auf Bio bereits ein wichtiger Entscheid.
Genau. Die Umstellung war aus meiner Sicht der absolut richtige Entscheid. Das hat die Zeit gezeigt. Der Landwirtschaftsbetrieb läuft sehr erfolgreich. Wir haben super Erträge. Die Böden sind natürlich entsprechend gut, aber man muss diese Erträge trotzdem erst einmal aus ihnen herausholen. Die Böden werden nach meinem Verständnis mit einem sehr modernen Ansatz bewirtschaftet. Ganz wichtig sind uns dabei die Massnahmen, die zur Humusbildung im Boden beitragen. Auf eine konsequente Zwischenbegrünungsstrategie legen wir darum viel Wert, denn nach der Kultur ist vor der Kultur. Bekanntlich folgt einige Jahre nach der Umstellung auf Bio eine Phase mit sich zuspitzenden Problemen mit hartnäckigen Wurzelunkräutern. Wir werden sehen, ob das bei uns auch der Fall ist oder ob man diese proaktiv durch die Massnahmen zur Bodenbedeckung im Griff hat. Der Landwirtschaftsbetrieb ist auch finanziell ein wichtiger Pfeiler für die Institution. Es fliessen keine Kantonsgelder in die Landwirtschaft. Im Gegenteil, diese wirft einen Gewinn ab, der mithilft, den Tannenhof zu finanzieren.
Was bringt der Landwirtschaftsbetrieb den Bewohner(innen)?
Er bietet ihnen vielfältige Arbeitsmöglichkeiten. Sie arbeiten zu dieser Jahreszeit etwa in der Chicorée-Produktion, im Lauch oder im Nüssler. Sie können auch bei den Tieren tätig sein. Uns ist es wichtig, dass die Bewohner Wertschätzung erfahren und nicht einfach hundertmal die gleiche Arbeit erledigen müssen. Daher ist es komplett falsch, wenn jemand sagt, der Tannenhof habe schon auf Bio umstellen können, denn es gäbe ja 90 Personen, die jäten gehen. Das stimmt so absolut nicht. Es gibt sogar einzelne Bewohner, die schwaden, eggen oder leichte Transportarbeiten verrichten. Wenn Sie mich nach Plänen oder Träumen für den Landwirtschaftsbetrieb fragen, natürlich gibt es die. Man könnte sich beispielsweise Gedanken darüber machen, die pflanzliche Veredelung noch weiter zu entwickeln, eventuell sogar bis hin zur Direktvermarktung, auch weil das noch mehr Möglichkeiten für unsere Bewohner(innen) geben würde.
Zur Person
Hanspeter Keller-Zaugg (57) ist Ing. Agr. ETH. Er führte fast 25 Jahre lang einen Betrieb mit Schweinen (Kernzucht) und Ackerbau in der Ostschweiz. Dann wechselte er in den Sozialbereich und war in verschiedenen Institutionen tätig. Zuletzt war er Institutionsleiter des Foyer Schöni in Biel. Der verheiratete Vater von fünf erwachsenen Kindern lebt in Bühl bei Aarberg.