Das Pflanzenschutz-mittel-Zulassungsverfahren soll sicherstellen, dass die eingesetzten Substanzen keine «unannehmbaren Nebenwirkungen» auf Lebewesen in Oberflächengewässern haben. Dazu sind in der Pflanzenschutzmittelverordnung für jeden Wirkstoff «akzeptable» Konzentrationen für Oberflächengewässer festgelegt.
Einheitlicher Grenzwert
Das Bundesamt für Umwelt überwacht, ob die zugelassenen und eingesetzten Pflanzenschutzmittel (PSM) nicht in zu hohen, sprich gewässerschädigenden Konzentrationen auftreten.
Um das zu beurteilen, verwendet das Bafu im Gegensatz zum BLW einen einheitlichen Grenzwert. Jeder Wirkstoff darf maximal mit 0,1 Mikrogramm/Liter (µg/l, also 0,0000001 g) auftreten. Das gilt für alle Pflanzenschutzmittel (PSM) in der Schweiz.
Kritik von der Eawag
Die Vorgehensweise des Bafu wird von anderen Akteuren des Gewässerschutzes kritisiert. Wie Christian Stamm von der Eawag erklärt, bieten 0,1 µg/l bei manchen PSM ein hohes Schutzniveau. Andere seien in kleineren Konzentrationen bereits bedenklich. Die Eawag stützt sich bei ihren Analysen von Oberflächengewässern daher auf stoffspezifische Umweltqualitätskriterien (UQK), die auf der jeweiligen akuten und chronischen Wirkung auf unterschiedliche Gewässerorganismen (etwa Algen, Wirbellose und Fische) basieren.
Wirkungsvollerer Schutz
In einer Eawag-Studie von 2014 zeigten sich die Unterschiede der beiden Herangehensweisen: Der Grenzwert von 0,1 µg/l pro Einzelstoff wurde schweizweit von 31 Pestiziden überschritten, aber nur 19 verletzten ihre UQK. Man verspricht sich von UQK einen wirkungsvolleren Gewässerschutz, weil Massnahmen prioritär gegen besonders problematische Stoffe (im obigen Beispiel 19 statt 31) ergriffen werden könnten.
Unterschiedlich streng
Gemäss einem Faktenblatt der Eawag sind die UQK, die beim Wasserforschungsinstitut zum Einsatz kommen und die stoffspezifischen Grenzwerte bei der PSM-Zulassung in ihrer Methode ähnlich. Die Resultate werden aber unterschiedlich bewertet; bei den vom BLW verwendeten Werten können negative Effekte auf das Leben unter Wasser auftreten, die von der Eawag gemäss den UQK nicht toleriert würden.
Im Gewässerschutz kommen also sowohl beim Bafu als auch der Eawag andere Kriterien zum Zug als beim BLW.
BLW stützt sich auf Regelungen der EU und OECD
Auf diese Unterschiede angesprochen, antwortet das BLW der BauernZeitung, die Gesetzgebung betreffend die Zulassung von Pflanzenschutzmitteln basiere auf Bestimmungen, die in der EU und der OECD gelten. Die Anwendungsbedingungen der Produkte (z. B. Sicherheitsabstand) seien in der Bewilligung so festzulegen, dass die akzeptable Konzentration nicht überschritten wird und die Verwendung des Produkts folglich kein unannehmbares Risiko für Wasserorganismen darstelle.
Zu einer möglichen Harmonisierung meint das BLW, es stehe ihm nicht zu, etwas von der Forschung einzufordern. Es wäre jedoch sinnvoll, die Ergebnisse so zu veröffentlichen, dass die Messwerte mit den im Rahmen der Zulassung verwendeten Werten verglichen werden könnten.
Konzept wird erarbeitet
Beim Zulassungsverfahren könnte es in Zukunft Anpassungen geben. Eine von verschiedenen Bundesämtern beauftragte externe Evaluation kritisierte kürzlich unter anderem, die Zulassungsstelle sei zu wenig unabhängig (weil sie zum BLW gehört) und das Bafu zu wenig stark involviert.
Die Ergebnisse der Evaluation sollen nun vertieft geprüft und bis nächsten Frühling ein Konzept zur Verbesserung des Verfahrens ausgearbeitet werden.
Revidierte Verordnung
Zumindest zwischen Eawag und Bafu sollte es in Zukunft weniger Unterschiede geben. Abhilfe schaffen dürfte die laufende Revision der Gewässerschutzverordnung. Darin sollen verschiedene Höchstkonzentrationen in Oberflächengewässern (UQK, wie sie die Eawag verwendet) je nach Stoff festgelegt werden.
Für Grund- und Trinkwasser wird nach dem Vorsorgeprinzip weiterhin der pauschale Wert von 0,1 µg/l gelten.