Seit der Änderung des Gewässerschutzgesetzes im Jahr 2011 haben die Kantone den Auftrag, die Renaturierung von Fliessgewässern voranzutreiben. Bis ins Jahr 2090 sollen 4000 km der Schweizer Bäche und Flüsse wieder naturnaher gestaltet werden.
Der Kobelwieserbach wird breiter
Oft sind es die Landwirte, die bei einer Revitalisierung eines Baches oder Flusses betroffen sind. Sie verlieren dabei wertvolles Kulturland. So ist auch Leonhard Hutter aus Oberriet im Kanton St. Gallen betroffen. An einer Informationsveranstaltung erfuhr er, dass der Kobelwieserbach renaturiert werden soll. Dieser sei aktuell 160 bis 180 cm breit. Nach der Renaturierung soll das Bachbett massiv breiter werden, wie die Projektleiter vorgestellt hätten. Jedoch sei dies erst ein Vorprojekt und auch die Variante sei noch nicht entschieden, erklärt Matthias Kreis, Technischer Leiter von «Melioration der Rheinebene» auf Anfrage.
«Es ist wichtig für solche Projekte, die betroffenen Grundeigentümer frühzeitig einzubeziehen», sagt Kreis. Obwohl es noch sehr früh ist, will der Landwirt wissen, wie seine Rechtslage in Bezug auf die Renaturierung aussieht.
Einsprache erheben
Was ein Landwirt tun kann, fragte die BauernZeitung beim Schweizer Bauernverband, Agriexpert, an. Ruedi Streit, Stellvertretender Bereichsleiter Bewertung und Recht, gibt Auskunft.
«Liegt ein Projekt einmal öffentlich auf, haben die betroffenen Landanstösser das Recht, Einspruch dagegen zu erheben», sagt Ruedi Streit. Ob man mit einem solchen Einspruch aber Erfolg hat, ist für ihn schwierig zu beurteilen. «Unsere Erfahrung ist, dass der Landwirt bei grundsätzlichen Fragen mit der ersten Einsprache häufig nicht Erfolg hat. Grundsätzliche Fragen werden erst durch ein Gericht unabhängig behandelt. Bisher sind nur wenige Gerichtsurteile von Revitalisierungen nach der neuen gesetzlichen Grundlage vorhanden.»
Und in welchem Fall kann ein Landwirt enteignet werden? Für eine Enteignung brauche es drei Voraussetzungen, erklärt Ruedi Streit:
- Ist eine gesetzliche Grundlage vorhanden?
- Gibt es ein öffentliches Interesse an dem Projekt?
- Ist das Projekt verhältnismässig oder gibt es allenfalls eine bessere Lösung?
Wichtig sei, dass sich der Landwirt, wenn er etwas gegen das Projekt hat, dazu äussere. Dazu besteht häufig die Möglichkeit, bereits vor der öffentlichen Auflage seine Anliegen einzubringen (z. B. in einem Mitwirkungsverfahren). Spätestens bei der öffentlichen Auflage muss der Landwirt aber eine Einsprache eingeben. Ansonsten wird dies als stillschweigendes Einverständnis gedeutet.
Fachhilfe beanspruchen
Ein Landwirt wird schnell merken, dass ein solches Verfahren ziemlich kompliziert ist. Dabei bietet Agriexpert Unterstützung. Spezialisten helfen bei der Erstellung von Einsprachen und nehmen bei Bedarf an Verhandlungen teil. Verschiedentlich wird Agriexpert auch von den Projektverantwortlichen als aussenstehende Stelle für die Beurteilung von Auswirkungen beauftragt. Renaturierungen würden häufig im Zusammenhang mit Hochwasserschutz oder der Sanierung eines Fliessgewässers gemacht, sagt Ruedi Streit. Wegen der Gesetzesänderung, namentlich dem Artikel 38a im Gewässerschutzgesetz, würden in den nächsten Jahren noch viele Landwirte von Revitalisierungen betroffen sein.
Realersatz ist vorgeschrieben
Matthias Kreis versteht die Argumente der Landwirte. «Die Landwirte stehen unter grossem Druck. Und wenn sie dann noch Land verlieren, ist es klar, dass sie das nicht toll finden». Gesetzlich ist es vorgeschrieben, dass bei einem Landverlust durch Renaturierung Realersatz geleistet werden soll. «Es ist jedoch oftmals schwierig, den Landwirten wieder Land als Ersatz zu geben», sagt der Mann von «Melioration der Rheinebene». «Dazu müssten wir aktiv in die Bodenpolitik eingreifen können, damit wir Land erwerben können», sagt Kreis.
Pro und Kontra
Unsere beiden Redaktoren Josef Scherrer und Jasmine Baumann haben sich eine Meinung zum Thema Renaturierungen gebildet:
- Jasmine Baumann sieht darin viele Vorteile (Weiterlesen)
- Josef Scherrer hat Bedenken, ob die Interessen der betroffenen Landwirte berücksichtigt werden. (Weiterlesen)