Hört man das Wort «Ranger», denken viele wohl als erstes an Parkwächter in den Nationalparks der USA. Aber es gibt auch Ranger in der Schweiz. Sie sind im Verband Swiss Rangers organisiert. Murièle Jonglez ist eine von ihnen. Sie ist im bündnerischen Riein zu Hause. Ihr erster Job als Rangerin war 2017 in der Rheinschlucht am Vorderrhein.

Von Anfang an begeistert

«Ich hatte schon immer eine Faszination für Flora und Fauna», erzählt Murièle Jonglez auf einem Spaziergang entlang des Rheinufers. Sie studierte Umweltingenieurwesen in Wädenswil und später Wildtierökologie in Wien. Dort arbeitete sie beim Forschungsinstitut für Wildtierkunde und Ökologie, das zur Veterinärmedizinischen Universität Wien gehört.

2016 zog es sie zurück in die Schweiz. Sie stiess auf ein Inserat, in dem eine Leiterin oder ein Leiter für den Aufbau eines Rangerdienstes in der Rheinschlucht im Kanton Graubünden gesucht wurde. Sie bekam den Job und lernte während drei Saisons das Leben als Rangerin kennen.

Jonglez war vom Beruf und dem Potenzial des Rangertums so begeistert, dass sie sich 2019 als Rangerin selbstständig machte und ein Einzelunternehmen für Rangerdienste in Graubünden gründete. Dazu absolvierte sie die Ausbildung zur Rangerin, die sie vor Kurzem abgeschlossen hat. Anfang dieses Jahres übernahm sie zudem die Leitung der Hallwilersee-Ranger. Dafür pendelt sie regelmässig zwischen Riein und dem Aargau.

Viele gute Gespräche mit den Besuchern

Ranger haben ein vielseitiges Tätigkeitsfeld. Im Auftrag von privaten und öffentlichen Stellen schützen und fördern sie die Natur in einem bestimmten Gebiet mit Menschen und deren Aktivitäten. Sie informieren, vermitteln Wissen und klären auf. «Mein Job ist es, die Leute, die sich in der Natur aufhalten, zu sensibilisieren, so dass sie auch die Hintergründe verstehen», sagt Murièle Jonglez.

Es gehe nicht darum, jemanden zu belehren, sondern zu erklären, aus welchem Grund gerade hier diese Regeln gelten. «Es ist nicht immer einfach, auf die Personen zuzugehen», führt Jonglez aus. Gewisse Besucher fühlten sich in ihrem Tun eingeschränkt und liessen das einen auch spüren. Die meisten Gespräche seien aber positiv und würden Freude machen. Sie sagt: «Es gibt viele Aha-Erlebnisse seitens der Besucher.»

Als Rangerin oder Ranger brauche man Durchhaltevermögen, betont Jonglez. Die Faszination für die Natur alleine reiche nicht. «Man muss psychisch stabil sein, gut mit Menschen umgehen und mehrere Stunden lang unterwegs sein können.» Viele würden den Beruf unterschätzen und romantisieren.  Jonglez wiederlegt  diese Vorstellung: «Am Hallwilersee gibt es Tage, da sind bis 12'000 Leute unterwegs – von Familien, über Hundehalter, Wanderer, Biker, Ornithologen, Fischer und so weiter. Das hat nichts mehr mit Romantik zu tun.» Wie es dort an schönen Tagen zu und her gehen kann, weiss Jonglez als Chefin des dortigen Rangerdienstes nur zu gut.

Natur muss ihren Raum haben

Im Erzählen hält Murièle Jonglez, die von ihrem Australien Shepherd Slash begleitet wird, plötzlich inne, den Blick fest auf den Boden gerichtet. «Da sind Hirschspuren», sagt sie und deutet auf den Uferbereich hin. Hirsche habe es in der Rheinschlucht einige, erklärt sie. Sie sind aber, wie die Gämsen, sehr stark zurückgegangen wegen dem Tourismus. Etwas unterhalb von Ilanz haben die Hirsche einen Brunftplatz am Flussufer. «Das Röhren der Hirsche hört man heute kaum mehr. Die Brunft findet im Stillen statt aufgrund der häufigen Störungen», berichtet die 40-Jährige.

Deshalb brauche es Fachpersonal wie die Ranger, die erklären und das Bewusstsein und die Verantwortung für die Naturwerte fördern. «Wir sorgen dafür, dass man Lösungen und Kompromisse findet zwischen Schutz und Nutzen, so dass die Besucher ihre Bedürfnisse erfüllen können, ohne die Natur gross zu beeinträchtigen und diese ebenfalls ihren Rückzugsraum behält.»

Keine Bussenkompetenz

Bei der Frage, welchen Dienst Ranger für die Landwirtschaft erbringen, überlegt Murièle Jonglez einen Moment. Dann sagt sie: «Wir sorgen einerseits dafür, dass die Besucher auf den Wegen bleiben.» In Gebieten, wo Landwirtschaft  und Naturschutzgebiete aneinandergrenzen, gebe es oft Probleme mit ungewollten Trampelpfaden auf Landwirtschaftsland. Hier würde sich Jonglez wünschen, dass Ranger mehr Kompetenzen hätten. Sie selber sei auch lange dagegen gewesen. «Mittlerweile denke ich aber, dass es in gewissen Momenten von Vorteil wäre, wenn auch Ranger Bussen aussprechen dürften.»

Ralf Bucher, Geschäftsführer des Aargauer Bauernverbandes und Kantonsrat, würde sich wünschen, dass Ranger mehr Kompetenzen hätten, zum Beispiel um Bussen auszusprechen. Er hat dazu mit sieben weiteren Kantonsräten ein Postulat zur Ausdehnung des Personenkreises bei Litteringbussen eingereicht. Darin wird die Regierung beauftragt, zu prüfen, ob das Gesetz zur Schweizerischen Strafprozessordnung so angepasst werden kann, dass auch weitere Personen wie Ranger oder Gemeindemitarbeiter ermächtigt werden können, Bussen gegen Littering auszustellen. Heute kann im Kanton Aargau nur die Polizei Abfallsünder büssen.

 

Mehrheitsfähige Lösung

In seiner Antwort vom 16. September 2020 auf das Postulat schreibt der Aargauer Regierungsrat, man erachte es als notwendig, dass die zur Erhebung von Ordnungsbussen ermächtigten Personenkategorien einer staatlichen Aufsicht unterliegen. Dies sei die Grundvoraussetzung für die Ermächtigung, Ordnungsbussen auszustellen. Der Regierungsrat schreibt weiter, er werde in der Ordnungsbussenverordnung festlegen, welche Personenkategorien neben den Polizeiorganen dazu ermächtigt werden sollen.

Bucher ist mit der Antwort des Regierungsrats zufrieden. Das zeige, dass die Regierung tatsächlich auch bereit ist, unter gewissen Umständen, den Personenkreis auszudehnen. «Natürlich wäre es besser gewesen, wenn er dies viel offensiver angehen würde. Aber ich denke, da wäre der Widerstand dann zu gross und es könnte als Ganzes abgelehnt werden.» 

Es gebe eine relativ grosse Mehrheit, die sich unter keinen Umständen vorstellen kann, dass jemand anders als die Polizei Bussen ausstellen darf. Dies vor dem Hintergrund des Missbrauchs. Eine andere Gruppierung will einfach viel mehr machen gegen Littering und sieht, dass die Polizei die Litteringbussen erst in letzter Priorität verfolgt. Hier müssen wir sowieso auch ansetzen. Der Vorstoss wurde mittlerweile diskussionslos überwiesen.

 

Grosse Probleme mit Littering und Wildparkierern

Eine Bussenkompetenz würde auch Landwirt Lukas Siegrist begrüssen. Sein Milchviehbetrieb liegt in Meisterschwanden, angrenzend an den Hallwilersee.  Der viele Abfall auf seinem Land und die Autos, die in den schönsten Kleewiesen parkiert werden, sind für ihn ein grosses Ärgernis. Und jedes Jahr werde es schlimmer, gibt  Siegrist zu bedenken.

Mit den Rangern des Rangerdienstes Hallwilersee habe er noch nie zu tun gehabt. «Die Ranger machen ihren Job gut. Aber es sind einfach zu wenig Personen, um etwas gegen das Littering unternehmen zu können», sagt der Milchbauer. Laut Siegrist bräuchte es schärfere Massnahmen, die durch die Gemeinden erlassen werden. Die Landwirte würden alleine gelassen und seien machtlos gegenüber den Abfallsündern und Wildparkierern, kritisiert Siegrist.

Ranger zu wenig unbekannt

Murièle Jonglez würde sich einen engeren Austausch zwischen Rangern und der Landwirtschaft wünschen. Das ist auch eines ihrer Ziele für den Kanton Graubünden. In ihrem ersten Jahr als Leiterin des Rangerdienstes Graubünden kam das zu kurz. Sie hatte vor allem punktuelle Aufträge wie Besucherlenkungskonzepte erstellen oder den Aufbau von Rangerdiensten.

Ranger hätten ihre Augen vielerorts, könnten aber dennoch nicht immer überall sein, hält sie fest. «Wir sind froh, wenn die Bauern auf uns zukommen, wenn es ein Problem gibt.» Eine Schwierigkeit sei sicher, dass der Beruf der Ranger in der Schweiz noch zu wenig bekannt ist. «In der Landwirtschaft kann man sich vielleicht zu wenig vorstellen,  was aus einer solchen Zusammenarbeit entstehen kann», meint sie. Die 40-Jährige ist zuversichtlich, dass die Bauern offen für eine Zusammenarbeit sind und sähe dies als Chance für beide Seiten. Sie sagt: «Wir Ranger freuen uns über jede Zusammenarbeit, die beide Seiten voranbringt und zur Lösungsfindung beiträgt.»

 

Der Verband Swiss Rangers

«Swiss Rangers» ist der Verband für Ranger, Naturschutzaufseher und Parkwächter in der Schweiz. Der 2008 gegründete Verband ist in der ganzen Schweiz aktiv. Seine 270 Mitglieder decken die ganze Bandbreite der Rangertätigkeiten ab: von selbstständigen Kursanbietern bis zu vollamtlichen Aufsehern in Naturschutzgebieten im Auftrag von öffentlichen oder privaten Stellen. Seit 2011 sind die Swiss Rangers Mitglied der International Ranger Federation (IRF) und damit Teil der weltweiten Rangergemeinschaft.