Walter Bachmann greift in das Regal und zieht fast sanft ein Alphorn hervor, streichelt den Staub weg und schweigt ein paar Augenblicke. Es ist das älteste noch vorhandene Alphorn, das hier auf dem Knubel in Eggiwil entstanden ist. Sein Grossvater hat es gebaut. Dieser hatte sich als Bub ein Alphorn gewünscht, und weil das Geld nicht reichte, um eines zu kaufen, fällte Ernst Schüpbach kurzerhand einen krummen Baum und machte sich ans Werk. Und das mit so viel Leidenschaft und Begabung, dass er einige Jahre und  gefällte Bäume später einer der gefragtesten Alphornbauer im Land war. Wer hier ein Alphorn kaufte, der wusste warum und war bereit, drei bis vier Jahre darauf zu warten. Alle Hände voll zu tun hatte er und war wohl froh als seine Tochter Käthi einen Schwiegersohn nach Hause brachte, der die grobe Arbeit auf dem Bau bald einmal mit dem feinen Alphornbau tauschte. Hansruedi Bachmann führte den Alphornbau seines Schwiegervaters nicht nur weiter, er tüftelte auch ständig an Neuerungen und perfektionierte das Bachmann-Alphorn.

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Hobel vom Grossvater

«Wer heute ein Alphorn kaufen will, der geht oft ins Internet und dort entscheidet der Preis und die schnelle Lieferung», schmunzelt Walter Bachmann, der heute die Alphornbauerei seines Grossvaters leitet und scheinbar die Leidenschaft für die Musik und den Instrumentenbau geerbt hat. Oder ist hier auf dem Knubel gar etwas in der Luft? Am Werkbank steht nämlich neben Vater und Sohn Bachmann auch ein Nachbar, Roland Schenk, der ebenfalls mit viel Feingefühl beim Alphornbau mithilft. Auch heute wartet, wer bei Bachmanns ein Alphorn bestellt, ein bis zwei Jahre. «Trotzdem, Hektik und Eile haben hier keinen Platz und müssen draussen bleiben», betont Walter Bachmann. Auch moderne Maschinen, mit denen sich heutzutage Alphörner schnell und billig herstellen lassen, sucht man hier vergebens. Hier ist alles Handarbeit. «Diese Hobel hier und diese Maschine aus Holz dort, die hat mein Grossvater erfunden und wir arbeiten noch immer ausschliesslich damit», erzählt Walter Bachmann und setzt gekonnt den runden Hobel an, um in einem Alphornrohling ein paar Späne wegzuschneiden. Wie durch Butter gleitet das Werkzeug, selbst der Daumen hinterlässt im weichen Holz bei zuviel Druck Dellen.

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Verleimtes Holz

Roland Schenk leimt ein paar unscheinbare Holzklötze zusammen. Ein Alphorn besteht nicht mehr wie früher aus einem einzigen Baum. Damit jedes Alphorn gleich tönt, wurden diese genormt. So können heute mehrere Alphornbläser zusammenspielen. Früher sei das ohne Misstöne nicht möglich gewesen und jedes Alphorn hatte eine andere Länge und Krümmung. Auch zerlegen kann man moderne Alphörner. Die von Bachmanns in drei oder fünf Stücke. «So können sie auch einmal mit auf eine Flugreise», erklärt Bachmann. Dann greift er ein paar Holzstücke und erklärt, wie die Jahrringe helfen,  den Ton zu leiten. Durch das Verleimen der Holzstücke kann er diese so zusammensetzen, dass die Maserung mit den Tönen verläuft. Vorne am Trichter sollen die Jahrringe weit auseinander sein. Dieses weiche Holz macht auch den Ton des Instrumentes weich. Weiter oben sollen die Jahrringe eng sein, das leitet den Ton gut und es «schirbelet» beim Blasen weniger. Das Holz kommt aus der Region um Steffisburg. Doch es wird nicht etwa extra angebaut oder separat geerntet. Die Haselfichte, welche es für den Instrumentenbau braucht, ist eine Laune der Natur, eine Mutation der Fichte. Das Holz sieht ein wenig aus wie wurmstichig und verwaschen. Warum und wie genau es entsteht, ist nicht geklärt. Entdeckt worden sei die besondere Eigen- schaft im Südtirol. Dort habe man im Schnee lange Rutschen gebaut, um das Holz aus den steilen Hängen herunter rutschen zu lassen. Irgendwann hätten dann die Forstarbeiter bemerkt, das nicht jeder Baumstamm beim Zusammenprall gleich töne, und einige hätten gar einen speziellen Klang gehabt. Davon erfuhr dann auch ein Herr Stradivari, der als erster bei seinen berühmten Geigen dieses Holz verwendete. Bachmanns holen ihres in der Sägerei Röthenbach. Weder Förster noch Landwirte würden in der Regel die Besonderheit dieses Holzes erkennen. Der Säger hingegen weiss inzwischen, was Bachmanns brauchen und legt es beiseite. «Jedoch lassen sich nur wenige handverlesene Stücke verwenden», erklärt Walter Bachmann. Er weiss: Wenn das Holz nicht stimmt, nützt das beste Handwerk nichts.

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25 bis 30 Alphörner verlassen jedes Jahr die Werkstatt. Immer ein paar gemeinsam. «Es ist das Alphorn, das seinen Bläser findet und nicht umgekehrt», schmunzelt Bachmann. Nicht jedes Instrument töne bei jedem Bläser gleich. Darum dürfen die Käufer auf der Warteliste mehrere fertige Instrumente Probe spielen, hören und fühlen, welches Instrument zu ihnen passt. «Und manchmal passiert es auch, dass ich während dem Bau des Instruments so eine spezielle Beziehung zu ihm aufbaue, dass es dann einfach hier bleibt», lacht Bachmann. Nur zurück kommen seine Kunden selten. Ein Alphorn lebe bis zu 50 Jahre und könne oftmals auch weitervererbt werden. Trotzdem, die Aufträge gehen ihnen nicht aus, denn Alphorn spielen ist bei Jung und Alt populär geworden. Und dies nicht nur bei der volkstümlichen Musik. Seit Pepe Lienhards «Swiss Lady» erlebe das ­Instrument einen grossen Aufschwung. Gab es früher nur etwa zehn Alphornbauer, sind es heute 30. Trotzdem kommen auch Instrumente aus dem Ausland. Doch Bachmann fürchtet diese Konkurrenz nicht. «Sobald die Leute spielen können und beginnen, sich in der Alphornszene zu bewegen, hören und fühlen sie den Unterschied zwischen unseren handgefertigten Instrumenten und einem maschinell gefertigten», weiss er aus Erfahrung. 

Kühe als Ausgleich

So stehen die drei Männer fast jeden Tag von 8 bis 17 Uhr in der Werkstatt, die 1974 errichtet wurde und bauen mit Liebe und Feingefühl Instrumente. «Da gibt es schon Zeiten, wo wir froh sind, wenn es mal etwas handfester zugeht», lacht Walter Bachmann, angesprochen auf den Stall voller Kühe. Trotz der langen Arbeitstage möchte er auf diese nicht verzichten. Doch auch wenn es Zeit zum Heuen ist, ein paar Minuten oder Stunden stehe er jeden Tag in der Werkstatt. Obwohl er auch weg gewesen sei, im Ausland, und viel anderes gesehen habe, habe ihm sein Vater die Wahl gelassen, ob er den Alphornbau weiterführen wolle. Doch wenn er über seine Alphörner spricht und seine Augen leuchten, weiss man: Seine Entscheidung war goldrichtig.

Tourismus als Standbein

Doch im Lauf der Zeit hat sich bei der Alphornmacherei Bachmann ein weiteres Standbein ergeben. Immer öfter wurden sie von Tourismusorganisationen angefragt, ob sie ihr Handwerk auch Besuchern zeigen würden. So begannen sie Führungen zu machen und bald begann Walter Bachmanns Frau Monika die Gäste zu bewirten. Beim Apéro, dem Mittagessen oder Zvieri, das sie den Gästen kredenzen, kommen oftmals Fleischspezialitäten von den eigenen Kühen auf den Tisch. Und dies mit Erfolg. «Es gab Zeiten, da hatten wir täglich Leute hier und kamen fast nicht mehr dazu, Alphörner zu bauen», erzählt Walter Bachmann. Deshalb sind mittlerweile die Führungen auf Mittwoch und Samstag begrenzt und die Familie hat wieder mehr Zeit für sich. Und sie geniessen es, gemeinsam zu arbeiten und zu leben, als Team, zu dem auch Nachbar Roland Schenk gehört, der auch einmal auf dem Hof oder beim Heuen mit anpackt, wenn es nötig ist. «Wenn man ein Team ist, dann lastet die Verantwortung nicht nur auf einem einzelnen und das ist gerade dann, wenn viel Arbeit ist, wichtig», betont Walter Bachmann.

Künstlerische Ader

Und daneben bleibt auch noch Zeit, um selbst das Instrument zu spielen, zu tüfteln. Walter Bachmann holt eine Schachtel Mundstücke hervor, alle aus verschiedenen Hölzern, dunkle, helle, goldene. Mit viel Liebe zum Detail sind sie von Roland Schenk auserlesen und von Walter Bachmann gedrechselt worden, Schmuck für das Alphorn. Der Alphornbau braucht nämlich auch eine künstlerische Ader. Wurden früher Alphörner am Trichter oft bemalt, sind sie heute mit Schnitzereien verziert. Oder mit Perlmutt. Walter Bachmann zeigt sein neustes Werk, ein Alphorn, in dessen Holz ein Edelweiss aus Perlmutt eingelegt ist. Während es für den Alphornbau Tageslicht braucht und damit die Zeit in der Werkstatt meistens zwischen den Morgen- und Abendstallarbeiten liegt, macht er diese Arbeiten auch mal abends vor dem Fernsehen. So auch die Holzeinlegearbeit am Fuss der Alphörner, ein Miniaturmänndli, das ein Mini-Alphorn und eine Schweizerfahne trägt, das ganze kaum so gross wie ein Finger. Hier gehen Beruf und Hobby ineinander über. Und nicht nur dort. Walter Bachmann spielt auch in einer Alphorngruppe und am Wochenende packen seine Frau und er die Alphörner in den Rucksack und suchen sich ein schönes Plätzli, um ein oder zwei Stücke zu spielen.

Weitere Informationen: www.alphornmacherei.ch

 

Die geschichtliche Entstehung der Alphörner beschreibt der ganz unten stehende weiterführende Artikel.