In einem gemütlichen Carnotzet in fröhlicher Runde beisammensitzen. Dazu feine Treberwürste geniessen, guten Wein trinken und allenfalls noch ein Schnäpschen zum Abschluss. Solche Szenarien wären momentan bei den Winzern am Bielersee an der Tagesordnung. Doch die Pandemie verhindert bis sicher Ende des Monats die traditionellen Treberwurstessen. Doch was bedeutet das für die Winzer? So einiges.
Treberwurstanlässe bedeuten viel mehr als Werbung
Während durch die Corona-Pandemie Bauernbetriebe mit Hofläden profitieren, sieht die Situation bei den Winzern ganz anders aus. Diejenigen, welche einen Grossteil ihrer Weine in die Gastronomie liefern, spüren das ganz besonders. Aber nicht nur deshalb sind die Zeiten für die Winzer nicht gerade rosig. Viele generieren, nebst dem Weinverkauf, Umsatz mit den Treberwurstessen von Januar bis März in ihren Carnotzets. Nicht so dieses Jahr. Die Bewirtung in den Weinkellern ist ein gastronomisches Angebot. Und Restaurant müssen bekanntlich seit dem 22. Dezember geschlossen bleiben. Also auch die Carnozets. Durch den Wegfall der Treberwurstessen würde bei vielen Weinbauern die Liquidität fehlen, weiss Winzer Manuel Bourquin, Ligerz. Denn laufende Rechnungen werden oftmals mit den Treberwursteinnahmen bezahlt. In den Monaten Januar und Februar bewirtet Bourquin normalerweise rund 1000 Personen. Übers Jahr gesehen, fehlen ihm rund zehn Prozent Umsatz. Der Ausfall sei aber noch grösser, da die Anlässe eine grosse Plattform bieten, seine Weine zu präsentieren und zu verkaufen.
Das ist Treberwurst
Treberwurst ist eine Spezialität aus dem Weinbaugebiet am Bielersee. Es ist zunächst eine geräucherte Rohwurst, ähnlich einer Waadtländer Saucisson. Die original Twanner Treberwurst von der Treberwurstmetzgerei Fuhrer sei jedoch feiner in Gesckmack und Konsistenz und enthalte weniger Fett, berichten einige Winzerinnen. Ihren speziellen Geschmack erhält die Treberwurst während ihrer Garzeit im Brennkessel einer Brennerei. Während der Destillation des Traubentresters zu Marc, liegen die Würste etwa eine Stunde obenauf. Von Januar bis März bieten viele Winzerfamilien am Bielersee Treberwurstanlässe in ihren Kellern an. Die Treberwürste weren heiss beim Brenner abgeholt und direkt den Kunden im Carnotzet serviert. Teilweise werden sie vor dem Servieren noch zusätzlich mit Marc flambiert. Als Beilage wird meist Bouillon Kartoffelgratin mit oder ohne Lauch, oder Kartoffelsalat serviert.
Die Treberwurst kommt mit der Post
Einige Winzer haben nun Treberwurstpakete für zu Hause oder Take-away-Angebote lanciert. Bourquin verzichtet darauf. Denn das Erlebnis im Carnotzet sei wichtig und das fehle so. Eine andere Strategie fährt Cordula Morgenegg-Posch, Tüscherz. Bei ihr machen die Treberwurstanlässe rund einen Fünftel des Einkommens aus. Nun bietet sie ein ganzes Paket an, das nebst der Wurst auch Wein, Treberbrand und ein Gläschen eingelegte Weinbeeren enthält. Diese serviert sie normalerweise ihren Gästen mit Vanilleglace. Viel Gewinn generiere das Angebot nicht. «Wir machen das, um in Erinnerung zu bleiben», erklärt die Winzerin.
Die Bestellungen für den 2020er-Jahrgang fehlen
Normalerweise kann Cordula Morgenegg-Posch an den Anlässen Bestellungen für den neuen Jahrgang entgegennehmen. Dieser wurde aus den Trauben von 2020 gekelter und ruht nun noch in den Weinfässern. Er wird im Frühling abgefüllt. Diese Bestellungen fehlen heuer. Das macht der Winzerin Sorgen. Viel Aufwand hat sie betrieben, um den im alten Jahr mehrfach wechselnden Bestimmungen bis zum endgültig verhängten Lockdown umzusetzen. So hat sie unter anderem in kleinere Tische und Bänke investiert, um die Abstandsregeln einhalten zu können.
Die Verlängerung der Treberwurstsaison ist geplant
Sollten die Gastronomie und damit auch die Carnotzets Ende Februar oder Anfang März wieder öffnen dürfen, würde Cordula Morgenegg-Posch die Treberwurstsaison voraussichtlich in ihrem Betrieb bis Ende März verlängern. Reservationen nimmt sie aber sicherlich nicht vor dem 19. Februar entgegen.
Michael Teutsch vom Weinbau Festiguet, Ligerz, ist aktiv im Eventbereich tätig und bietet verschiedene Anlässe an. Durch die Personenbeschränkungen und Veranstaltungsverbote mussten die meisten Anlässe 2020 abgesagt werden. Ein herber Verlust, machen doch die Events auf seinem Betrieb bis zu einem Drittel des Umsatzes aus.
Die Zukunft macht auch Käptn Oli Sorgen
Oliver Perrot vom La Cave Perrot, Twann, auch bekannt als Käptn Oli, schreibt seine Kunden immer wieder an, um auf diese Weise seine Weine verkaufen können. Er betreibt auch ein eigenes Fahrgastschiff. Da er dort Anlässe für Gruppen anbietet, ist dieser Betriebszweig bereits seit längerem, still gelegt. Etwas Geld tröpfle durch die Härtefallregelung rein. Auch wenn so ein paar finanzielle Tröpfli reinkommen, lebe er von Reserven. Doppelt betroffen ist auch Stephan Ruff, Twann. Der Winzer ist auch Brenner und brennt normalerweise, nebst den eigenen, auch die Würste für einige Winzerkollegen. Er beziffert den Verlust auf etwa 40 Prozent. Auch er bietet Take-away und Pakete an, um seine Kunden halten zu können. Die finanzielle Situation macht den Winzern grosse Sorgen, das wird in den verschiedenen Gesprächen immer wieder deutlich.