«Der Weinbau ist aktuell das Sorgenkind. Die Preise sind massiv unter Druck», sagte Martin Rufer vom Schweizer Bauernverband letzte Woche an einer Veranstaltung. Insbesondere in der Westschweiz, wo 85 Prozent des Schweizer Weins produziert werden, ist die Stimmung angespannt.

Im Genfer Vorort Meyrin verbarrikadierten Weinbauern Mitte September einen Kreisel mit Traktoren und Anhängern. Der Markt werde von Billigwein aus dem Ausland überschwemmt, liessen die Demonstranten verlauten. Einheimische Produzenten könnten wegen der hohen Löhne nicht mithalten.

Quoten gedrosselt

Ein Grund für die Krise ist die gute Ernte 2018, die zu einer Überproduktion führte. Um einen Preiszerfall zu vermeiden, legten die Kantone im Frühsommer tiefere Produktionsquoten fest als 2018. Der Waadtländer Winzerverband etwa drosselte die Produktion im Lavaux um 15 Prozent. Im Wallis wurden die Quoten je nach Traubensorte um zehn bis 16 Prozent gesenkt.

Die Ernte des vergangenen Jahres ist aber laut Frédéric Borloz, Präsident des Schweizerischen Weinbauernverbands, nur ein Grund für die Schwierigkeiten: «Zuvor waren die Ernten 2015 bis 2017 nicht sehr reichhaltig und die Schweizer Produzenten konnten nicht vollständig auf den Markt reagieren», sagt der Nationalrat (FDP/VD) und Hobby-Winzer auf Anfrage. Weiter führe der abnehmende Weinkonsum zu zusätzlichem Druck auf dem Markt. Die Situation in der Schweiz sei sehr uneinheitlich. Hoher Preisdruck herrsche bei den Massenweinen. «Mir fehlen detaillierte Zahlen, aber es scheint, dass die Situation in der deutschsprachigen Schweiz etwas besser ist», so Borloz weiter.

 

Hilferuf an Guy Parmelin

Die Westschweizer Weinkantone sind bereits aktiv geworden. Wallis, Waadt, Genf und Neuenburg baten im September Bundesrat Guy Parmelin um Unterstützung bei einer nationalen Werbekampagne zur Förderung der Schweizer Weine.

Seit mehreren Jahren und trotz grosser Anstrengungen sinke der Marktanteil der Schweizer Weine stetig. Er liege heute noch bei rund 35 Prozent des gesamten Weinkonsums in der Schweiz, schrieben die vier Kantone in einem Communiqué. Dies sei zu wenig, um einen ausgeglichenen Absatz der einheimischen Produktion sicherzustellen. Darüber hinaus bestehe ein Risiko für die Rentabilität der Betriebe und den Fortbestand des Schweizer Weinbaugebiets.

Scharfe Konkurrenz

Die schwierige Lage erfordere starke Massnahmen vonseiten der öffentlichen Hand, hiess es in dem Schreiben der vier Kantone an den Wirtschaftsminister. Die Werbekampagne soll vom Branchenverband der Schweizer Reben und Weine geführt und vom Bund finanziell unterstützt werden. Ziel der Aktion über zwei bis drei Jahre sei es, den Marktanteil der Schweizer Weine markant zu steigern und sich gegen die scharfe Konkurrenz der ausländischen Weine behaupten zu können.

«Das Niveau der Werbung oder genauer gesagt, deren Intensität, ist viel geringer als das, was unsere Nachbarländer in ihren eigenen Ländern tun», sagt Frédéric Borloz. Um den Marktanteil zu halten oder sogar zu erhöhen, sei es daher notwendig, die Werbung zu verstärken.

Offene Ohren

Beim gelernten Winzer Guy Parmelin stiessen die Weinbauern auf Gehör, wie die «NZZ» berichtete. An einem runden Tisch zur Weinkrise sicherte er der Branche zusätzliche Bundesgelder für die Vermarktung zu. «Sobald die Branche eine Kampagne ausgearbeitet hat, kann sie ein Gesuch um Unterstützung einreichen», sagte Parmelins Sprecherin Evelyn Kobelt gegenüber der Zeitung. Bedingung sei allerdings, dass die Branche 50 Prozent der zusätzlichen Mittel selber aufbringe. Ausgeschlossen sei für den Bund, dass mit öffentlichen Geldern Preisaktionen durchgeführt werden. Eine Absage erteilte der Bund protektionistischen Massnahmen, wie sie teilweise in der Westschweiz gefordert werden.

Mehr Grenzschutz wäre laut Weinbauernpräsident Frédéric Borloz auch gar nicht zielführend: «Absatzförderung ist bei Weitem die nachhaltigste und beste Antwort auf das aktuelle Problem.» Die Schweizer Weine seien exzellent und gewännen internationale Medaillen: «Es liegt an uns, die Menschen dazu zu bringen, das zu schmecken, statt sie zu zwingen, sie zu trinken.»