Am Winter habe ich einiges auszusetzen. Er ist kalt, dunkel und tonlos. Die Blumen sind verblüht, das einst saftige Gras liegt elend schlapp am Boden, Sträucher strecken kahle Äste wie fleischlose Finger in den grauen Himmel. Schnee blockiert die Strassen und durchnässt die Schuhe. Und wenn man aus der Haustür tritt, schlägt einem die kalte Luft wie eine Ohrfeige ins Gesicht. Nein, ich mag den Winter wirklich nicht.

Glücklicherweise kommt mit der kalten Jahreszeit auch Weihnachten. Nicht dass ich an diesem Fest nichts auszusetzen hätte: Geschenkestress und Schnäppchenjagden, eine Überdosis an Glühwein und Familientreffen, die in endlosen Diskussionen oder unlösbaren Knatsch ausarten.

Weihnachten hat aber auch ihre guten Seiten. Sie bringt Licht und Wärme in die Dunkelheit und Kälte des Winters. Wobei ich kein grosser Fan von Weihnachtsbeleuchtung bin.

Oft leuchtet am frühen Morgen noch im einen oder anderen Garten ein Rentier oder ein übergewichtiger roter Weihnachtsmann. Sie wirken aber unbelebt und verlassen, ein Überbleibsel weihnachtsfreudiger Menschen, die zu diesem Zeitpunkt wohl im Bett liegen und nichts von ihren schimmernden Gartengästen sehen. Ausserdem ist es meiner Meinung nach schade um die Energie.

Das erste Licht am Morgen, das auch Leben bedeutet, kommt meist von Bauernhöfen. Typischerweise sind Landwirte Frühaufsteher, wahrscheinlich allerdings unabhängig davon, ob sie sich selbst als Lerchen oder Eulen bezeichnen würden. Tiere warten nun mal nicht gerne.

So wie Licht kann auch Wärme Leben bedeuten. In dieser Hinsicht ist der Winter mit seinen tiefen Temperaturen kein Vorbild. Aber es gibt nicht nur die rein physische Wärme, sondern auch jene im Umgang miteinander. Ein Lob, ein nettes Gespräch oder einfach das Wissen darum, dass man geschätzt wird, können von innen heraus wärmen.

Ich erinnere mich an die Zeit, in der ich ein halbes Jahr lang auf einem Pferdehof gearbeitet habe. Wir, also ich und ein slowakischer Mitarbeiter, waren eigentlich den ganzen Tag damit beschäftigt, Laufstall, Boxen und Tiefstreu aufzuräumen, Heusäcke zu verteilen und Raufen zu füllen. Leider hatte ich mir für dieses Praktikum das Winterhalbjahr ausgesucht und so wurde es mit jeder Woche kälter und dunkler. Meine Finger und Zehen verabschiedeten sich meist bereits auf dem Weg zum Hof und ich hatte Mühe, Besen oder Garette in den Händen zu halten. Immerhin hatte ich morgens jeweils dank der Lampen im Laufstall einen zuverlässigen Wegweiser, denn so früh war meist sonst niemand im Dorf wach.

Trotz gefühlloser Hände und Füsse habe ich in jenem Winter Wärme erfahren. Ich hatte das Glück, für meine Arbeit geschätzt zu werden. Wenn die beiden Chefs morgens den Hof verliessen und zuvor klar machten, dass es uns brauche und wir gute Arbeit leisteten, fiel mir das Misten leichter. Es war mir, als hätte jemand eine kleine Kerze in meinem Bauch angezündet, die mich warmhielt.

Denselben Effekt hatten wenig tiefgründige, dafür unterhaltsame Gespräche beim Stopfen der Heusäcke. Meist redeten wir zwei ja übers Essen. Aber der Slowake und ich arbeiteten Hand in Hand – oder zumindest Heugabel an Heugabel – und hatten Zeit für einander, während unterhalb der Heubühne die Pferde zufrieden dösten oder Stroh knabberten.

Das ist es, was Weihnachten für mich ausmacht. Es soll ein Fest der Liebe sein, heisst es jeweils grossartig. Liebe muss aber nicht schmalzig und rosarot sein. Sie zeigt sich auch nicht in einem besonders teuren Geschenk oder einem erzwungenen Familientreffen. Für mich ist sie Wärme und Zuwendung. Licht kann beides symbolisieren. Brennt auf dem Gartenweg zu Hause eine Laterne, wenn ich heimkomme, weiss ich, dass sie meine Mutter aufgestellt hat, um mich willkommen zu heissen. Da ist wieder das warme Gefühl.

So bin ich ganz froh, dass es Weihnachten gibt und dass es ein Fest im Winter und dieser dunkel und kalt ist. Denn warme Geborgenheit passt so viel besser in eine tiefgefrorene Umgebung in fahlem Licht als in einen schweisstriefenden, gleissend hellen Sommer.