Sie liegen diskret ganz hinten im Finsterwald, fernab der stark frequentierten Glaubenbergstrasse im Grenzgebiet Luzern und Obwalden. Die drei Lauenberger Alpen. Die untere gehört Urs Renggli, die mittlere und obere sind im Besitz von Hanspeter Renggli. Die beiden Landwirte sind nicht verwandt, erstere Familie hat ihren Talbetrieb in der Region, Hanspeter Renggli seinerseits in Ruswil. Seit nun bereits sechs Jahren sind die beiden Familien nicht nur Nachbarn im Sommer, sondern auch gemeinsam im Clinch mit Pro Natura und in Abklärungen mit dem Kanton Luzern. Als eine «enorme emotionale Be-lastung», beschreibt Hanspeter Renggli die Geschichte.
Nie mehr als ein Karrweg
Um was geht es? 2015 übernahm Hanspeter Renggli den mittleren und oberen Lauenberg von seinen Eltern in vierter Generation. Immer schon waren Rengglis mit Milchvieh, Ziegen und Rindern auf der Alp. Die drei Alpen der Rengglis sind nur mit einem Karrweg erschlossen, gemacht für Traktoren. 1980 unternahm Hanspeter Rengglis Vater einen ersten Versuch, den Weg zumindest für Personenwagen auszubauen. Idee war, dass er dies gemeinsam mit dem Militär realisiert. Davon wollte der Kanton und ein Nachbar, der unterdessen seine Alp aber verkauft hat, nichts wissen. Der Kanton Luzern war dann «jahrzehntelang», wie Hanspeter Renggli beschreibt, an eigenen Erschliessungs-Projekten, mit neuen Routen. Geplant waren massivere Eingriffe, denn unterstützungswürdig für den Kanton waren nur Erschliessungen, die auch LKW tauglich sind. Die Jahre zogen dahin. 2015 haben Urs und Hanspeter Renggli unabhängig voneinander ihre Abschnitte des Weges «instand gestellt», wie Hanspeter Renggli erklärt.
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«Wir möchten, dass endlich die Wahrheit ans Licht kommt.» Hanspeter Renggli, Älpler im Gebiet Glaubenberg. (Bild LBV)
Baugesuch gefordert
Beinahe so, wie sie dies seit Gedenken periodisch immer machten. Sein Nachbar stellte im selben Jahr ein Baugesuch, für seine in die Jahre gekommenen Alpgebäude. Die Dienststelle Landwirtschaft und Wald (Lawa) mahnte Urs Renggli, für die Instandstellung seines Weges nachträglich ebenfalls ein Baugesuch einzureichen. Die beiden Nachbarn entschieden sich, dies gemeinsam zu tun. Schliesslich führt die Zufahrt zu den Alpen von Hanspeter über Land von Urs Renggli. Und auch, weil Urs Renggli über einen rund 90 Meter langen Abschnitt, der durch ein geschütztes Moor führt, eine Art Holzrost verlegte, um die Tragbarkeit des Bodens zu verbessern. Angelehnt war die Idee an Projekte zur Besucherlenkung, etwa von Wanderern in Moorgebieten. Bei diesem Baugesuch läuteten wenig überraschend sämtliche Alarmglocken in der Stadt Luzern bei Pro Natura. Zufahrten ausserhalb der Bauzone in Kombination mit Moorschutz liessen nichts Gutes erahnen. Gemäss Baugesuch wurde nebst dem Holzrost «leicht eingeschottert». Pro Natura machte Einsprache gegen das Karrweg-Projekt, aber auch gegen den Neubau der Hütten.
Vorwürfe widerlegt
Die Grundeigentümer machten sich auf gemeinsame Begehung mit Kanton und Pro Natura. Rengglis Hoffnungen, gemeinsam mit Kantonsvertretern im Rücken eine Lösung mit Pro Natura zu finden, endeten abrupt. «Der Kanton Luzern behauptete, dass hier früher kein Weg durchführte», erinnert sich Hanspeter Renggli. Die beiden Landwirte konnten im Nachgang allerdings belegen, dass die Wege in der Form bereits um 1880 bestanden. Bei einer Folgebegehung kamen Kantons-Vertreter zum Schluss, dass der Weg wohl schon hier durchführte, aber kaum unterhalten wurde wie bei der Instandstellung von 2015. Im Frühling 2018 tauschten sich die beiden Landwirte erneut mit Pro Natura aus. Gemäss Hanspeter Renggli versicherte die Organisation damals, dass die Einsprache zurückgezogen wird, falls Kanton und Gemeinde das Baugesuch bewilligten. Dies machte der Kanton dann auch, ausgenommen vom Holzrost. Der sei nicht bewilligungsfähig. Die Gemeinde ihrerseits liess ein unabhängiges Gutachten zum Thema Holzrost erstellen. Der Holzrost beeinträchtige das Moor auf eine verträgliche Art und Weise war das Fazit, ein Rückbau sei nicht verhältnismässig. Doch dies führte anstatt zur Entspannung endgültig zur Konfrontation.
Pro Natura reichte daraufhin Verwaltungsgerichtsbeschwerde ein. Hanspeter Renggli: «Pro Natura behauptete darin, dass auf die Alpen zuvor kein Weg führte». Gefordert wurde ein Rückbau des kompletten Weges. Rengglis ihrerseits beharrten auf dem Standpunkt, dass bestehende Erschliessungen durch Moorlandschaften betrieben werden dürfen und gemäss Bundesverfassung entsprechend bewilligungsfähig sind.
Gespräche verweigert
Gegen die beide Landwirte wurde Strafanzeige erhoben. Allerdings ist diese seit Anfang März eingestellt. Hanspeter Renggli versuchte in jüngster Vergangenheit mehrmals mit Pro Natura Kontakt aufzunehmen für eine Aussprache und nochmalige gemeinsame Begehung vor Ort. Auch eine Mediation stand im Raum, diese musste Hanspeter Renggli über seinen Anwalt an den Rechtsvertreter von Pro Natura eingeben. Nichts geht mehr. Gerne würde etwa Hanspeter Renggli bei der Gelegenheit auch zeigen, was er auf seiner Alp für die Biodiversität und gegen die Vergandung macht. Und vor allem möchte er wie auch Kollege Urs Renggli, dass «endlich die Wahrheit ans Licht kommt». Da es sich um ein laufendes Verfahren verhandelt, gibt es kaum weiterführende Auskünfte von den Behörden. Zu den Vorwürfen der beiden Landwirte äussert sich Samuel Ehrenbold von Pro Natura im «Nachgefragt». Hanspeter Renggli seinerseits hat daran wenig Freude. Seine Aussagen könne er belegen. Viele dieser Dokumente liegen auch der BauernZeitung vor. Affaire à suivre.
Was sagt Pro Natura dazu?
Wir haben bei Samuel Ehrenbold, Fachmitarbeiter und stellvertretender Geschäftsführer von Pro Natura Luzern nachgefragt.
Samuel Ehrenbold, wie sollen die Älpler Ihrer Meinung nach künftig zu den Alpen gelangen, bzw. diese bewirtschaften?
Samuel Ehrenbold: Die Bewirtschaftung der Alpen im bisherigen Umfang und mit der ursprünglichen Erschliessung stellen wir nicht in Frage. Der schleichende und teils illegale Ausbau der Alperschliessung missachtet jedoch die Moorschutzbestimmungen. Ein Gutachten der Eidgenössischen Natur- und Heimatschutzkommission (ENHK), welches ein früheres Bauvorhaben im Gebiet als nicht bewilligbar einstufte, wurde komplett ignoriert.
Was spricht aus Sicht einer Naturschutzorganisation dagegen, dass bestehende Alpgebäude auf dem Betrieb Renggli erneuert werden?
Gegen eine Erneuerung der bestehenden Gebäude hätten wir nichts einzuwenden gehabt. Der Ausbau der Erschliessung, ein neuer Weg durch ein geschütztes Flachmoor oder die Erweiterung von Wohn- und Stalleinrichtungen, stellt eine Gefährdung des Moorschutzes, also der Flachmoore und Moorlandschaft von nationaler Bedeutung dar.
Ist eine Art gemeinsame Lösung aus Ihrer Sicht noch möglich oder setzt Pro Natura vollumfänglich auf den Rechtsweg?
Wir haben die Bauherrschaft mehrmals aufgefordert, uns eine moorschutztaugliche, mit Kanton und Bund abgesprochene Lösung vorzulegen. Vergeblich. Im laufenden Verfahren warten wir nun zuerst das Urteil ab.
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