Die Zeiten ändern sich – und mit ihnen auch die Art und Weise, wie für Produkte geworben wird. Ein Blick auf über 20 Jahre Fleischwerbung in der Schweiz zeigt, wie sich die Kampagnen an die gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Veränderungen angepasst haben. Dabei geht es längst nicht mehr nur um den Verkauf von Koteletts und Cervelats, sondern um Werte wie Regionalität, Nachhaltigkeit und Tierwohl.
Trotz kritischer Stimmen fliessen weiterhin Millionen an Subventionen in die Vermarktung von Schweizer Fleisch, da die Kampagnen als wichtiges Instrument zur Stärkung der einheimischen Landwirtschaft betrachtet werden. Ein Blick zurück und nach vorn auf die Entwicklungen, Herausforderungen und Zukunft der Fleischwerbung.
Über zwei Jahrzehnte Werbung
Die Geschichte der modernen Fleischwerbung in der Schweiz begann vor über 20 Jahren mit dem Ziel, den Absatz von heimischem Fleisch zu fördern. Damals stand vor allem der Genuss im Vordergrund. Mit markanten Slogans wie «Alles andere ist Beilage» gelang es Proviande, der Branchenorganisation der Schweizer Fleischwirtschaft, Fleisch als unverzichtbaren Bestandteil der Schweizer Esskultur zu positionieren. TV-Spots und grossflächige Anzeigen zeigten saftige Steaks, perfekt gegrillte Cervelats und Familien, die gemeinsam um den Esstisch versammelt waren. Fleisch war mehr als nur Nahrung – es symbolisierte Gemeinschaft, Tradition und Lebensfreude.
Doch die gesellschaftlichen Veränderungen der letzten zwei Jahrzehnte führten zu einem Wandel in der Werbung. Die Themen Nachhaltigkeit, Tierwohl und Klimaschutz wurden immer wichtiger. Dies brachte auch eine Neuausrichtung der Fleischwerbung mit sich. 2015 entschied Proviande, ihre Kampagnen zu modernisieren und stärker auf die Herkunft und Produktion des Fleisches einzugehen. Die Werbung sollte nun nicht mehr nur das Produkt selbst inszenieren, sondern den Fokus auf die verantwortungsvolle Schweizer Landwirtschaft legen.
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Weshalb Gelder wichtig sind
Ein bedeutender Teil der Fleischwerbung in der Schweiz wird durch staatliche Mittel finanziert. Jährlich fliessen rund 34 Millionen Franken in die Absatzförderung von Fleisch, Milch und Eiern, davon 6 Millionen Franken zu Proviande. Diese Gelder, die im Rahmen der Landwirtschaftsförderung bereitgestellt werden, sollen die einheimische Produktion stärken und den Konsum von Schweizer Produkten fördern. Proviande setzt diese Mittel ein, um die Werbekampagnen für «Schweizer Fleisch» umzusetzen und so die Konsumenten für heimische Fleischprodukte zu sensibilisieren. Denn über 96 % der Schweizerinnen und Schweizer essen regelmässig Fleisch. «Das geht gerne vergessen», sagt Christophe Hutmacher von Proviande.
Die Förderung von Schweizer Fleisch hat dabei mehrere Ziele: Einerseits sollen die Bäuerinnen und Bauern unterstützt werden, die unter strengen Auflagen hochwertige Lebensmittel produzieren. Andererseits will der Bund durch die Absatzförderung den Selbstversorgungsgrad der Schweiz stärken. Denn gerade in Zeiten von globalen Lieferkettenproblemen und steigenden Importabhängigkeiten spiele die Unterstützung der nationalen Landwirtschaft eine zentrale Rolle, heisst es beim Bund.
Ein weiteres wichtiges Argument für die Subventionen ist, dass die Ausgaben des Bundes im Vergleich zu den privaten Werbeausgaben anderer Branchen relativ gering sind. Wie der Bundesrat jüngst selbst feststellte, machen die staatlichen Gelder nur einen kleinen Teil der gesamten Werbeausgaben aus. Dennoch sorgen sie dafür, dass die Schweizer Landwirtschaft im Wettbewerb mit ausländischen Produkten bestehen kann, die oft unter deutlich niedrigeren Standards produziert werden.
Proviande verteidigt
Trotz der fortwährenden Unterstützung durch den Bund gibt es auch immer wieder kritische Stimmen, die diese Gelder infrage stellen. Besonders Umweltschutzorganisationen fordern, dass die staatliche Absatzförderung für Fleischprodukte gestoppt werden sollte. Sie argumentieren, dass der Fleischkonsum reduziert werden müsse, um die Umwelt zu schützen und den Ressourcenverbrauch zu senken. Doch Proviande hält dagegen.
Die Branchenorganisation verweist darauf, dass Schweizer Fleisch unter den höchsten Umwelt- und Tierwohlstandards weltweit produziert wird. In der Schweiz gelten strenge Regeln für die Tierhaltung, und die Landwirte müssen hohe Auflagen erfüllen. Diese Standards würden im internationalen Vergleich oft übersehen, doch sie seien ein zentraler Grund, warum es Sinn mache, heimisches Fleisch zu fördern. «Schweizer Fleisch ist nicht nur ein hochwertiges Produkt, es ist auch ein Symbol für Nachhaltigkeit und regionale Produktion», sagt Markus Zemp, Präsident des Verwaltungsrats von Proviande.
In den letzten Jahren haben die Kampagnen von Proviande diese Aspekte verstärkt in den Vordergrund gerückt. Statt Hochglanzwerbung setzen sie nun auf «dokumentarische Spots», die das echte Leben auf den Höfen zeigen (siehe Bild oben). Die Botschaft: Schweizer Fleisch wird auf kleinen Betrieben von engagierten Bäuerinnen und Bauern produziert, die eine besondere Verantwortung gegenüber ihren Tieren tragen. Diese authentische und ungeschminkte Darstellung soll den Konsumenten das Vertrauen in die Qualität und Herkunft von Schweizer Fleisch vermitteln.
Klimapolitik und Konsum
Trotz der Bemühungen, die Fleischwerbung umzugestalten und an die neuen gesellschaftlichen Erwartungen anzupassen, steht die Branche vor grossen Herausforderungen. Der Druck, den Fleischkonsum zu reduzieren, ist in den letzten Jahren gestiegen. Klimaschutz und der Wunsch nach einer nachhaltigeren Ernährung haben den Diskurs in der Gesellschaft verändert. Doch zugleich bleibt Fleisch ein zentrales Element der Schweizer Landwirtschaft und ein wichtiger Bestandteil der Ernährung vieler Menschen.
Beat Jans’ Anliegen scheiterte
Die Diskussion um die staatliche Fleischwerbung hat auch politische Dimensionen. 2015 forderte der damalige SP-Nationalrat Beat Jans, die Subventionen nur noch für ökologisch vorbildliche Produktion einzusetzen. Seine parlamentarische Initiative «Keine Subventionen für Fleischwerbung» scheiterte jedoch, da das Parlament die Bedeutung der Absatzförderung für die Schweizer Landwirtschaft betonte. Jans argumentierte, dass eine Reduktion des Fleischkonsums nicht nur dem Klima, sondern auch der öffentlichen Gesundheit zugutekommen würde. Doch die Mehrheit der Parlamentarier entschied, dass eine solche Massnahme zu weit ginge und der einheimischen Landwirtschaft schaden könnte.
Trotz der politischen und gesellschaftlichen Kontroversen bleibt die Fleischwerbung ein wichtiges Instrument, um den Absatz von Schweizer Fleisch zu fördern. Dabei steht Proviande vor der Herausforderung, die Balance zwischen den ökologischen Anforderungen und den ökonomischen Interessen der Landwirtschaft zu finden. Peter Bosshard, Geschäftsführer des Schweizer Viehhändlerverbands, sieht die Zukunft der Branche optimistisch: «Wir müssen uns den neuen Anforderungen anpassen, aber gleichzeitig das Vertrauen in die Qualität und Nachhaltigkeit von Schweizer Fleisch stärken.»
Authentizität und Vertrauen
Die Strategie von Proviande hat sich in den letzten Jahren stark verändert. Während früher die Werbespots vor allem auf Genuss und Tradition setzten, steht heute die Herkunft des Fleisches im Vordergrund. Dokumentarische Spots, die das Leben auf Schweizer Bauernhöfen zeigen, sollen den Konsumenten das Bild einer verantwortungsvollen Landwirtschaft vermitteln. «Echt, authentisch und ungeschminkt» lautet das Motto dieser neuen Kampagnen.
Die Zukunft
Proviande feiert in diesem Jahr ihr 25-jähriges Bestehen, ein Meilenstein für die Branchenorganisation der Schweizer Fleischwirtschaft. Gleichzeitig steht ein wichtiger Führungswechsel bevor: Der Verwaltungsrat hat den 52-jährigen Agronomen Donat Schneider zum neuen Direktor gewählt. Schneider wird am 1. Juli 2025 die Nachfolge von Heinrich Bucher antreten, der die Organisation über viele Jahre erfolgreich geleitet hat. Damit steht Proviande nicht nur vor einer Rückschau auf die vergangenen 25 Jahre, sondern auch vor einem zukunftsweisenden Schritt mit der neuen Führungsspitze, die die Weiterentwicklung der Schweizer Fleischwirtschaft in einer zunehmend dynamischen Marktlandschaft gestalten wird. Schneider wird sich wie sein Vorgänger auch mit der Werbung und den Bundesmitteln dafür auseinandersetzen müssen: Die Zukunft der Fleischwerbung wird stark davon abhängen, wie gut es der Branche gelingt, den Spagat zwischen ökologischen Anforderungen und den wirtschaftlichen Interessen der Landwirtschaft zu meistern.

