«Es gibt zu viel Milch auf dem Markt, namentlich in der Ostschweiz. Auch jetzt in den Sommermonaten, wo Milch ansonsten immer rar ist», sagt der Käsermeister. Zurzeit zahlt die Käserei Wildberg einen Milchpreis zwischen 70 und 76 Rp./kg, abgeholt ab Hof, wobei die Transportkosten die Milchverarbeiter übernehmen.

Käse in Abwärtsspirale

Den Überschuss verursachen nicht die Bauern. Im Gegenteil, schweizweit sinkt von Jahr zu Jahr die Milchproduktion und es gibt auch immer weniger Milchproduzenten. Wo es hapert, ist der Absatz im wertschöpfungsrelevanten Käsekanal. Zurzeit seien Teuerung, Preisexplosion, Preisschock quasi panikmachende Schlagzeilen mit dem Resultat, dass die Konsumenten zu sparen beginnen. Auch im Export läuft fast nichts mehr. Die Exporteure hatten wegen des Währungsverlusts eine Käsepreiserhöhung. «Bis acht Prozent zahlen sie mehr für den Käse, obwohl unsere Preise gleichgeblieben sind», sagt Roland Rüegg.

Die Landwirte und auch die Käser kämpfen mit steigenden Kosten. So haben sich die Sortenorganisationen ausser Gruyère AOP und Vacherin Fribourgeois AOP auf eine Käsepreiserhöhung um 1 Franken pro Kilo Käse auf August oder 1. September geeinigt. «Das wird der Markt nicht schlucken», glaubt Rüegg.

Bei steigenden Preisen würden die Detaillisten ihr Sortiment überdenken … und auslisten. Die Lücken seien heutzutage rasch gefüllt mit veganen Waren und Produkten aus dem Billigsegment. Die Käse liegen am Lager und verursachen Kosten. «Das wird sich auch in den Herbst hineinziehen», meint Rüegg. Mit solchen Entwicklungen müsste man halt als Unternehmer leben.

Die Zeiten könnten sich ändern, wenn immer mehr silofreie Betriebe auf Molkereimilch oder auf Mutterkuhhaltung wechseln. Die Differenz zwischen Silomilch und Käsereimilch ist gar nicht mehr so gross, seit der Richtpreis für Silomilch um 5 Rp./kg gestiegen ist.

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Raufutter, Label, Innovation

Entgegensetzen kann man dieser Entwicklung einerseits Innovationskraft und andererseits motivierte Milchproduzenten, die Milch aus dem eigenen regionalem Grundfutter vor Ort verarbeiten lassen und über ein starkes Label vermarkten.

«Wir sind nahe an Zürich», sagt Roland Rüegg. Das habe den Vorteil einer grossen kaufkräftigen Kundschaft. Aber alles werde kritisch hinterfragt und immer mehr haben vegan auf dem Radar. «Es geht nicht, vorne quasi «Südamerika» zu verfüttern und hinten als Regionalprodukt zu verkaufen.»

Seine Käserei verwendet keine Zusatzstoffe und Aromastoffe mit E-Nummern – alles ganz «natürli». Innovation hat Rüegg schon mehrfach unter Beweis gestellt. Etwa mit geräuchertem Mozzarella, den Grillkäsespezialitäten und den über zwölf Raclettesorten, wobei eine Charge mit der von Agroscope entwickelten biologisch abbaubaren Hülle reift. «Vom Geschmack überzeugt dieser Reifeprozess», sagt Rüegg. Aber die Textilhüllen kosten noch viel und lohnen sich nur für Spezialitäten.

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Cheebab an Festivals

Furore machte Rüegg mit dem Cheebab – einem vegetarischen Käse-Kebab. Lanciert wurde der Cheebab 2018 und hatte voll mit dem Umsatzrückgang während des Lockdowns zu kämpfen – auch wenn landauf, landab sowie internationale Medien die Innovation preisten.

In dieser Saison läuft es rund. Der Cheebab ist an Musikfestivals präsent, war an der Beef am Strickhof Wülflingen und ist von Dienstag bis Samstag in Winterthur, meistens am Neumarkt, mit einem Foodanhänger. Auch an die Olma wolle man gehen. Der Cheebab ist übrigens auch eines der Produkte, das exportiert wird und welches unter dem schlechten Wechselkurs zu leiden hat.

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Fünf Generationen am Käsen

Die Käsereibranche leidet wie allenthalben unter einem Fachkräftemangel. Gesamtschweizerisch sollte die Branche 30 Prozent mehr Lernende haben, so dass der Nachwuchs in den Käsereien gewährleistet bleibt. An Rüegg kann es nicht liegen: «Wir haben fünf Lernende. Obwohl wir gesamtschweizerisch nicht mehr als 0,001 Prozent Milch verarbeiten, bilden wir 1 Prozent der Lernenden aus.»

Auch der eigene Nachwuchs ist bereit. Rüeggs Sohn Robin absolviert zurzeit die Meisterprüfung als Milchtechnologe. Das ist dann die fünfte Generation Rüeggs, die ins Käsehandwerk einsteigt.

Bald Seidentofu aus Wildberg

Die Innovationsbereitschaft und Offenheit der Käserei Wildberg spricht sich herum, so dass nächstens in den Räumlichkeiten auch frischer Tofu, sogenannter Seidentofu, produziert wird. Die Jungunternehmerinnen Yumemi Ito und Geraldine Prudencio Ordonez haben sich mit ihrer Firma Yumetofu eingemietet, wollen im Herbst mit der Tofuproduk­tion in der Käserei beginnen und den Konsumenten im Raum Winterthur näher bringen, dass Tofu nicht nur Fleischersatz ist, sondern ein eigenständiges Produkt in der Küche. Zurzeit bezieht das Start-up-Duo die Sojabohnen aus Deutschland, aber das Ziel wäre, Tofu Swissness herzustellen, mit einheimischen Sojabohnen.

Käserei Wildberg AG
Inhaber:  Roland Rüegg, Simon Lehmann, Arno Kuhn und Jonathan Studer
21 Genossenschafter der Milchgenossenschaft Wildberg und Umgebung liefern 4,2 Mio kg Milch, sieben davon Bio
Mitarbeiter: zwölf Mitarbeiter, davon fünf Lernende
Verarbeitung: regionale Spezialitäten, Emmentaler, Tilsiter, Cheebab