Im Berner Seeland sehen sich die Biogemüse-Produzenten derzeit mit einem «Déjà-vu» konfrontiert. Zwei Jahre nach der ersten Durchführung sorgt die Migros mit ihrer Ausschreibung für Jahrespreise bei diversen Gemüsesorten erneut für Verstimmung. Das System sieht vor, dass für zwei Jahre Fixpreise vereinbart werden. Dies im Unterschied zur allwöchentlichen Aushandlung der Preise anhand der aktuellen Marktgegebenheiten. Es findet nicht nur im Biobereich, sondern auch im konventionellen Gemüsebau Anwendung.

«Kleineres Erdbeben»

Schon vor zwei Jahren hatte die Migros Aare mit der ersten solchen Ausschreibung für ein «kleineres Erdbeben» gesorgt, wie es Werner Brunner von der Bioproduzenten-Organisation Terraviva AG/SA ausdrückt.

Im Anschluss an die Migros-Ausschreibung waren sich die Lieferanten im Grundsatz einig, dass auf lange Frist festgelegte Fixpreise eine negative Entwicklung darstellen. Trotzdem haben alle mitgeboten und auch in der aktuellen Ausschreibung mitgemacht. «Wir haben eine langjährige Geschäftsbeziehung mit Migros Aare und wollten im Geschäft bleiben, deshalb haben wir auch mitgeboten», begründet Brunner.

Kritik des Verbands

Gemüseproduzent Beat Bösiger aus Niederbipp BE findet langfristige Ausschreibungen eigentlich ebenfalls nicht gut. Im Grundsatz sei das System für die Produzenten wenig vorteilhaft und es wäre aus seiner Sicht marktgerechter, wenn «situationsgerechte» Preise gelöst würden. Er räumt aber ein, dass auch er mitbietet bei diesen Ausschreibungen. Der einzige Vorteil sei, dass das System mit Jahrespreisen eine Vereinfachung im Tagesgeschäft biete: «Der Lieferant und der Preis sind damit klar, es gibt nichts zu verhandeln.» Dies diene allerdings vor allem dem Abnehmer.

Auch beim Verband Schweizer Gemüseproduzenten (VSGP) hat man wenig Verständnis für die langfristige Preisfestsetzung. «Wir kritisieren das», sagt Direktor Matija Nuic. Bei den Ausschreibungen mit fixen Preisen zögen die Produzenten den Kürzeren, so der Verbandsdirektor.

Härter gewordener Markt

Für Werner Brunner von Terraviva ist das Vorgehen der Migros Aare Ausdruck eines härter gewordenen Marktes, sowohl bei den Handelsmodalitäten, aber auch in der nachhaltigen Zusammenarbeit. «Man spricht immer von Partnerschaft, aber am Schluss gehts um den Preis und verständlicherweise um die Lieferbereitschaft, welche wir unter Berücksichtigung der Witterungsbedingungen als Produzenten-Organisation zusagen können.» Dies gelte nicht nur für den Biomarkt: «Ich kenne den konventionellen Markt nicht sehr gut», so Brunner, «aber ich denke, dass dort die Situation mindestens so verhärtet, eher noch härter ist.»

Migros Aare kontert

In einer Stellungnahme zur Kritik der Produzenten schreibt Migros Aare, solche Ausschreibungen seien im ganzen Migros-Genossenschaftsbund (MGB) Usanz. Sie brächten für beide Parteien Verlässlichkeit und Planungssicherheit. Man werde aber aufgrund der veränderten Marktsituation Gespräche mit den Lieferanten suchen.

Stellungnahme der Migros Aare
Migros Aare nimmt auf Anfrage der BauernZeitung wie folgt Stellung zur Kritik aus der Branche:

«Bei Ausschreibungen achtet die Migros Aare darauf, dass Artikel berücksichtigt werden, welche eine grösstmögliche Planbarkeit zulassen, z. B. Sellerie, Lauch oder die Produktion von Pilzen. Es ist Usus in den Sortimenten – auch bei konventionellen Früchten und Gemüsen und auch bei Verarbeitungsware in der Industrie –, Ausschreibungen zu tätigen, innerhalb der Migros, aber auch ganz generell in der Branche. Bei höherer Gewalt oder bei nicht voraussehbaren äusseren Witterungseinflussfaktoren oder stark steigenden oder sinkenden Energiekostenentwicklungen berücksichtigen wir dies vor Saisonstart und nehmen notwendige Anpassungen in gegenseitiger Absprache am Preis oder/und an den Qualitäten und Mengen vor.

Ausschreibungen mit fixen Jahres- oder Saisonpreisen bringen für beide Parteien eine Verlässlichkeit und Planungssicherheit. Dadurch können Risiken reduziert und Investitionen besser geplant werden, z. B. um die Produktqualität zu fördern oder den Einsatz von Pflanzenschutzmitteln nachhaltig zu reduzieren. Das verbleibende Risiko, u. a. von witterungsbedingten Einflüssen, wird tief gehalten, indem nur Artikel mit grösstmöglicher Planbarkeit einbezogen werden oder die Aktionsplanung fortlaufend angepasst wird. So werden bei Überversorgung zusätzliche Aktionen eingeplant.

Nach dem Ausschreibungsverfahren herrscht Transparenz im Rahmen der Möglichkeiten – Lieferanten, welche nicht berücksichtigt werden, erhalten eine begründete Information, sofern dies rechtlich möglich ist. Neben dem Preis sind dabei auch die Leistungen relevant, wie Produktqualität, Innovationskraft oder Produktionsort. So bieten Ausschreibungen auch immer wieder Chancen für neue und junge Produzenten, die auf die wachsende Nachfrage an Bioprodukten reagieren. Wir werden aufgrund der veränderten Marktsituationen (Rohstoffknappheit/Preisanpassungen) Gespräche mit den Lieferanten suchen.» mgt