Der Verein Faire Märkte Schweiz (FMS) lässt seinen Worten Taten folgen und reicht bei der Wettbewerbskommission (Weko) eine Anzeige ein. Dies wegen eines «Missbrauchs von Marktmarkt in der Wertschöpfungskette von Backmehl», wie FMS in einer Mitteilung schreibt; «ungerechtfertigte Bereicherungen von marktmächtigen Unternehmungen zulasten von Produzenten und Konsumenten sollen abgestellt werden».

Widerspruch vom SGPV

Einkommensverbesserung im Getreidesektor Nur 7 Prozent des Brot-Preises landen beim Bauern Sunday, 18. February 2024 Beim Schweizerischen Getreideproduzentenverband (SGPV) ist man davon wenig begeistert. «Eine Vereinfachung der Analyse, wie FMS es gemacht hat, hilft uns nicht weiter», sagt SGPV-Geschäftsführer Pierre-Yves Perrin. Der Weko-Anzeige ist eine ausführliche «Systemanalyse» von FMS vorangegangen. Darin stellt der Verein diverse Missstände fest und macht Vorschläge für mögliche Verbesserungen. Unter anderem kritisiert er eine «enge Verflechtung der grossen Einzelhändler mit den Verarbeitungsbetrieben und die damit verbundene Marktmacht». Wie bei anderen landwirtschaftlichen Produkten habe bei der Verarbeitung von Getreide eine Spezialisierung und Effizienzsteigerung der einzelnen Betriebe stattgefunden, hält Pierre-Yves Perrin dagegen. «Wichtig sind der gute Kontakt und der Austausch innerhalb der Branche, da alle aufeinander angewiesen sind.»

Von mittels Marktmacht erzwungenen Zugeständnissen der Getreideproduzenten könne keine Rede sein, widerspricht der SGPV-Geschäftsführer der FMS-Analyse. Ange-sprochen wird namentlich die Nachfolgelösung für das Schoggigesetz, die von der Branche privatrechtlich organisierte Exportstützung. Erst kürzlich hat der SGPV eine – positive – Bilanz zu den ersten fünf Jahren dieses Systems gezogen, bei dem die Produzenten den grössten Teil der Preisdifferenz zwischen inländischen und importierten Rohstoffen für die Exporteure von Fertigproduktenwie etwa Guetzli übernehmen (die Müller beteiligen sich mit 10 Prozent der Differenz). Die Getreidezulage auf Brot- und Futtergetreide-fläche dient bei den Landwirtenals Ausgleich für die eingezogenen Exportbeiträge.

«Wir hätten das System längst angepasst.»

SGPV-Direktor Pierre-Yves Perrin hält die Zahlen von FMS nicht für realistisch.

Die exportierten Mengen hätten stabil gehalten werden können, resümiert der SGPV. «Ohne diese Unterstützung wären die exportierten Getreidemengen auf dem Schweizer Markt überschüssig gewesen, was die Deklassierung zu Futtergetreide erforderlich gemacht hätte.» Laut Pierre-Yves Perrin ist es damit auch gelungen, den jährlichen Absatz von über rund 50 000 t Getreide beizubehalten und die teure sowie schlecht akzeptierte Deklassierung eines Lebens- zum Futtermittel zu vermeiden. «Zudem würde beim Wegfall der privatrechtlichen Lösung die Getreidezulage von über 15,8 Millionen Franken jährlich gestrichen», ergänzt Perrin, «auch wenn FMS zu einem anderen Schluss kommt.» Da der Bund auf Sparkurs sei, hält der SGPV-Geschäftsführer es für gut möglich, dass er diese Zulage streichen werde, sobald sich dafür ein Grund abzeichne. Ein solcher könnte der Wegfall der Exportstützung sein, die heute an die Getreidezulage gekoppelt ist.

Deklassieren wäre günstiger

Tatsächlich ist FMS der Ansicht, dass der aktive Veredelungsverkehr in Jahren mit kleinen Getreideernten in der Schweiz eine günstigere Lösung wären als Exportverbilligungen. Es sollten also besser Rohstoffe importiert und für den Export hierzulande verarbeitet werden, statt dass Schweizer Landwirte für die exportorientierte Verarbeitung ihres Getreides bezahlten. Zumal man die Vorteile von Schweizer Rohstoffen überschätze, weil schliesslich die meisten exportierenden Verarbeiter die Herkunft ihrer Zutaten gar nicht aus-loben würden. Auf der anderen Seite wären nach Meinung von FMS bei guten Inlandernten Deklassierungen der Exportverbilligung vorzuziehen, weil sie um Fr. 15.–/dt billiger für die Getreideproduzenten wären.

«Bei häufigeren und grösseren Deklassierungen würden Bevölkerung und Landwirte diese Massnahme nicht lange gutheissen», gibt Pierre-Yves Perrin zu bedenken. In der Folge müsste die Anbaufläche für Brotgetreide reduziert werden, was sicher nicht im Sinne der Produzenten sei. «Zudem könnte auch generell – unabhängig von der inländischen Ernte – auf den aktiven Veredelungsverkehr ausgewichen werden», warnt er. Wenn der aktive Veredelungsverkehr in der Folge zum Standard würde, hiesse das verlorene Absatzmöglichkeiten für Schweizer Getreide.

15 Millionen Franken mehr?

Insgesamt kommt FMS zu dem Schluss, dass sich durch Anpassungen in der Getreidemarktordnung Erlös und Einkommen der Produzenten um bis zu 15 Millionen Franken steigern liessen. «Wenn wir diese Gewinne für realistisch halten würden, hätten wir das bestehende System längst in diese Richtung angepasst», kommentiert Pierre-Yves Perrin.Aus Sicht des SGPV sei das aktuelle System die bestmögliche Lösung für die Getreideproduzenten, «auch wenn es natürlich nicht zu 100 Prozent unseren Vorstellungen entspricht und relativ kompliziert ist».

Die Anpassungswünsche des SGPV richten sich weniger an die Marktpartner als an den Bund. Demnach hätte man eine Auszahlung der Getreidezulage nur auf Brotgetreide und nach Gewicht statt pro Fläche bevorzugt, sagt Pierre-Yves Perrin. Aller Kritik zum Trotz habe die privatrechtliche Exportstützung aber die Zusammenarbeit in der Branche gestärkt. So verzichteten die Müller bei Grossernten freiwillig auf einen Teil der Importe innerhalb des Zollkontingents. Die Preisparallelität zum Ausland gehöre der Vergangenheit an.

«Im Jahr 2022 konnte für Brot-Getreide eine Preiserhöhung von 11 bis 12 Prozent ausgehandelt werden, um die Kostensteigerung bei den Landwirten auszugleichen», gibt Perrin ein weiteres Beispiel. Da die Teilnahme an der Exportstützung allen offensteht, sieht der SGPV – im Gegensatz zu FMS – kleinere Mühlen nicht im Nachteil. «Da aktuell aber eher eine Überkapazität bei den Mühlen vorhanden ist, ist natürlich der Druck innerhalb der Branche sehr gross», fährt Pierre-Yves Perrin fort. Dieses Argument hatte der Produzenten-verband bereits im Zusammenhang mit der Motion Knecht ins Feld geführt.

Problem Teiglinge

«Ein viel grösseres Problem sehen wir aber bei den steigendenImporten von Teiglingen und Backwaren, die mit 148 000 t jährlich eine deutlich grössere Gefahr für den einheimischen Markt bedeuten», erklärt Perrin. Von diesen Produkten profitieren weder die Landwirte noch die Ver-arbeiter. Von der Anzeige durch FMS erwartet der SGPV keine Verbesserung für die Getreideproduzenten. «Verbesserungen werden nur durch Diskussionen innerhalb der Branche unter Berücksichtigungen aller Partner erreicht», ist Pierre-Yves Perrin überzeugt.