«Arbeit haben wir unglaublich viel», erzählt Jakob Gerber am Telefon. Trotzdem ist er sicher, Ende Jahr wird in der Kasse Geld fehlen. Gerbers haben in Süderen seit 40 Jahren ihre Metzgerei aufgebaut, schlachten viel für Direktvermarkter und die umliegenden Läden, aber auch einige Restaurants sind unter ihren Kunden. Und noch ein wichtiges Standbein hat die Metzgerei, nämlich all die Feste, die ohne das Coronavirus jetzt stattfinden würden.
Fleisch wäre bereit gewesen
Wer eine Auktion im Emmental, eine Viehschau, ein Schwingfest, ein Jodlerabend oder sonst eine Hundsverlochete in der Region Süderen besucht, der hat mit grosser Wahrscheinlichkeit schon ein Steak, eine Bratwurst oder ein Stück Hamme aus Gerbers Metzgerei gegessen. Weitherum ist das Catering beliebt und bekannt, der Kartoffelsalat von Marianne Gerber und die dazugehörige Züpfe aus der Bäckerei Schenk haben schon an manchem Geburtstags- oder Hochzeitsfest gemundet. All das findet nun nicht statt. Das Fleisch dafür wäre zum Teil schon bei Gerbers im Kühlraum parat gewesen, auch «seine» Landwirte hätten die entsprechenden Tiere bereit gehabt. Jakob Gerber, der oft mit der Bänne unterwegs ist, um die Tiere persönlich abzuholen, muss die Leute vertrösten, Tiere zurückstellen. Zwar ist der Fleischabsatz in den Läden, welche sie beliefern, etwas gestiegen, jedoch kommt das nie an die Mengen Fleisch heran, die Gerbers in einem normalen Jahr verkaufen würden.
Zurückgestellte Tiere
Dafür werden Gerbers überrannt von Landwirten, die Tiere für sich selbst schlachten. Die Schlachtviehmärkte harzen, Tiere bleiben stehen. Auch die Direktvermarkter rüsten auf und lassen zusätzliche Tiere für sich schlachten. Der Direktverkauf erlebt einen Aufschwung, denn gegessen wird trotzdem, auch wenn auf all den Veranstaltungsplakaten am Strassenrand eine Absage klebt. Doch Jakob Gerber weiss auch: «Regionales Fleisch, das regional geschlachtet und verarbeitet wurde, muss sich der Kunde auch leisten wollen.» Preislich könne er mit Massenware nicht mithalten und wolle er auch nicht. Jedoch limitiert ihn das jetzt auch bei der Suche nach alternativen Absatzkanälen. Diese Erfahrung habe er in all den Jahren mit den Restaurants in der Region gemacht. Diejenigen, welche auf regionale Produkte setzten, seien in der Regel preislich etwas teuer. So habe jeder seine Strategie und die entsprechende Kundschaft.
Einen Metzger weniger im Team
Obwohl sie vor lauter Arbeit fast nicht nachkommen, ist einer der Metzger nun ins Militär eingerückt. Er ist Küchenchef bei den Sanitätern, welche die zivilen Einrichtungen unterstützen. «Wir sind froh, können wir so auch etwas zur Krisenbewältigung beitragen», erklärt Marianne Gerber. Die Lücke im Betrieb füllen sie mit Aushilfskräften und eigenen Überstunden. Auch Jakob Gerber mag nicht klagen: «Es geht in diesen Wochen allen gleich, wir sind da keine besondere Ausnahme. Jetzt muss man halt flexibel sein und das Beste aus der Situation machen».
Machen was der Markt verlangt
Gerbers machen in ihrer Metzgerei schon seit Jahren vieles möglich, orientieren sich am Markt. Sie finden trotz grossem Pensum für Mensch und Tier im familiären Rahmen die optimale Lösung. Es ist diese Flexibilität, die nun sehr gefragt ist und dem Bedürfnis nach regionalen Lebensmitteln entgegenkommt. «Die Kundenmetzgerei und das Catering ergänzen sich als Standbeine sehr gut», erklärt Marianne Gerber. Doch in diesem Jahr wird es auch für Ostern und Konfirmationen keine Fleischplatten brauchen. Die Durststrecke geht noch einige Zeit weiter. Auch Gerbers spüren die Absatzprobleme auf dem Kälbermarkt. Ausser in der Gastronomie wird kaum Kalbfleisch gegessen. Mit der Schliessung der Restaurants stauen sich die Tiere. Gerade das Emmental als Kalbermästergebiet spürt das. So haben Gerbers bereits für einige Landwirte Kälber geschlachtet, die sich nicht absetzen lassen, und es werden wohl noch mehr hinzukommen.