Die Ernte 2024 war ein Desaster: Viel Regen, wenig Sonne und am Ende ein rekordtiefer Ertrag. Die Schweizer Müllerei war alarmiert: Es fehlte an Mehl, an Qualität, an Mengen. Das dürften auch die Konsumenten mitbekommen haben. Trotzdem sind die Regale der Grossverteiler heute bestens gefüllt. Nicht zuletzt danke der Importe. Doch wie stabil ist dieses System wirklich? Und vor allem: Wie sehr halten die Detailhändler am Inland fest, wenn es ernst wird?

Die Bauernzeitung hat bei Migros, Coop, Aldi Suisse, Lidl und Volg nachgefragt und teils ausführliche, teils vage Antworten bekommen. Ein paar Dinge haben alle gemeinsam: Niemand spricht gerne über Preise. Niemand zeigt auf, wie viel ein Brot am Ende kostet oder wer in der Kette wie profitiert – oder eben nicht. Und sobald es um Importanteile geht, wird es schnell unkonkret.

Migros mit IP-Suisse-Lager

Migros positioniert sich als Inland-Verfechterin. Ungefähr 95 Prozent des von der Migros für Brotwaren eingesetzten Getreides stammt aus Schweizer Anbau. Verarbeitet wird in der Migros-Industrie IP-Suisse- und Bio Suisse-Getreide. Besonders bei IP-Suisse kommt laut Migros ein bedeutender Anteil pestizidfrei produzierter Weizen zum Einsatz. Wie sich das genau aufteilt? Vertraulich.

Importiert wird laut Migros primär aus dem EU-Raum, der Anteil sei jedoch sehr gering. Auch hier gibt es keine Angaben zu Preisen oder Mengen. Wenn es um wirtschaftliche Details geht, zeigt sich die Migros wortkarg – auch hier: vertraulich.

Und wie krisenresistent ist das System? Immerhin: Nach der schlechten Ernte 2024 konnte Migros sowohl Qualität als auch Schweizer Herkunft hochhalten, «dank einer langjährigen Partnerschaft mit IP-Suisse, gezielten Getreidemischungen und einer strategischen Lagersituation», die offenbar für Engpässe wappnete.

Beim Thema Bio ist die Antwort klar: Trägt ein Produkt die Knospe von Bio Suisse, werden Lizenzgebühren bezahlt. Wird nur «Migros Bio» verwendet, entfällt die Gebühr.

[IMG 3]

Coop ergänzt durch Importe

Coop betont, dass nahezu alle Brote und Backwaren in der Schweiz hergestellt würden – und grundsätzlich auch mit Schweizer Rohstoffen. Das klingt nach einem klaren Bekenntnis zum Inland. Doch was passiert, wenn – wie 2024 – die Qualität oder Menge des inländischen Getreides nicht ausreicht? Dann wird ergänzt. So offen wie Coop formuliert das auf Anfrage kein anderer: «Wenn Rohstoffe in der Schweiz nicht in ausreichender Quantität und Qualität verfügbar sind, werden diese aus dem Ausland importiert.»

Die Ernte 2024 war wetterbedingt besonders schlecht – nasser Frühling, nasser Frühsommer, schwache Kornausbildung. Coop bestätigt, dass dadurch bei der Vermahlung weniger Mehl angefallen ist. Man habe Inlandware übernommen, sofern sie den Vorgaben von Swiss Granum entsprach, und durch Importe ergänzt. Wichtig sei, dass auch importiertes Getreide den Inlandanforderungen entsprechen muss. Die Beschaffungsstrategie bleibe dennoch gleich, betont Coop: Schweizer Herkunft, wenn möglich – Importe nur dann, wenn es nicht anders geht. Es sei keine grundlegende Neuausrichtung geplant, sondern eine temporäre Erhöhung der Importe.

Beim Thema Lizenzgebühren für Bio-Getreide hält sich Coop kurz: Beim Import fallen keine Lizenzgebühren an. Was Coop nicht sagt: Wie gross der Anteil von IP-Suisse, Bio oder konventionellem Getreide ist. Auch hier bleibt es vage – keine Zahlen, keine Prozentangaben. «Zahlen zu einzelnen Produktsegmenten kommunizieren wir aus Konkurrenzgründen grundsätzlich nicht», heisst es bei der Medienstelle.

Aldi spürt bisher nichts

Bei Aldi Suisse stammen rund 80 Prozent des Backwarensortiments aus der Schweiz – zumindest, wenn man frische und abgepackte Brote zusammenrechnet. Besonders bei Broten sei der Schweiz-Anteil hoch, teilt die Medienstelle mit. Schwankungen gebe es je nach Produktkategorie.

Aber wie krisenresistent ist dieses System etwa im Erntejahr 2024 mit seinen miserablen Bedingungen? Die Qualität und Vielfalt im Brotregal seien weiterhin gleichbleibend, versichert Aldi. Schwierigkeiten bei den Produzenten würden zwar möglich sein, spürbar seien sie bisher aber nicht. Die Schweizer Ernte sei wichtig, heisst es, da der Grossteil des Sortiments auf ihr beruhe.

Und wie sieht es bei der Qualität des importierten Getreides aus? Auch da gibt sich Aldi eher wortkarg, aber bestimmt: «Wir stellen hohe Qualitätsanforderungen an das verwendete Brotgetreide.» Woher genau dieses kommt und zu welchem Preis es eingekauft wird – darüber wird geschwiegen. Umsatzrelevante Details gibt man grundsätzlich nicht preis. Die Frage nach den Kosten will also auch Aldi nicht transparent beantworten.

Beim Thema Nachhaltigkeit und Produktionsform zeigt sich ein gemischtes Bild: Einzelne Brote im Sortiment seien mit IP-Suisse-Mehl oder Schweizer Bio-Mehl gebacken – auch unter der Aldi-Biomarke «Retour aux sources». Letztere erfülle, so Aldi, «den derzeit höchsten Bio-Standard der Schweiz.»

Spannend wird es bei der Frage nach der Knospe von Bio Suisse. Denn: Aldi darf sie nicht verwenden. Grund dafür sei eine Richtlinie von Bio Suisse, die vorschreibt, dass zertifizierte Detailhändler mindestens 800 Bioprodukte im Sortiment führen müssen. Das erfüllt Aldi nicht und bleibt somit vom Zugang zum Knospe-Label ausgeschlossen, auch wenn die Bio-Produkte durchaus schweizerischen Ursprungs sein können. Bio-zertifiziert sei man dennoch, betont der Discounter, der daher auch keine Lizenzgebühren zahlen muss.

[IMG 2]

Französisches Baguette bei Lidl

Mehr als die Hälfte der frischen Brote bei Lidl stammt aus der Schweiz, das restliche Sortiment ergänzt der Discounter mit Spezialitäten aus dem EU-Raum – französisches Baguette, italienische Pizza. Die Herkunft ist deklariert, teilweise per QR-Code abrufbar.

Die schlechte Ernte 2024? Wird zur Kenntnis genommen. Man beobachte die Marktentwicklung und habe sich mit verlässlichen Partnern gut durch das Jahr manövriert. Mehr erfahren wir nicht – weder zu Mengen, Preisen noch zur genauen Herkunft. Die Frage nach der Krisenfestigkeit bleibt offen.

Beim Thema Bio zeigt sich Lidl ambitioniert: Viele Produkte würden nach den Richtlinien der Bio-Suisse-Knospe produziert. Nur tragen dürfen sie die Knospe nicht, denn eine offizielle Zusammenarbeit mit Bio Suisse besteht nicht.

Volg verspricht 100 %

Volg gibt sich heimatverbunden und knapp: 100 Prozent des Brots stammen laut eigener Aussage aus der Schweiz, das gesamte Backwarensortiment zu 96 Prozent. Auch IP-Suisse spielt eine grosse Rolle. Aber wie krisenresistent war dieses System 2024? Keine Angabe. Auch zu Importen, Getreidequalität oder Preisen hält sich Volg bedeckt – man verweist auf die Lieferanten.

Beim Thema Bio gibt es ebenfalls keine Details. Ob Knospe, ob Lizenzgebühren – alles bleibt vage. Nur eines ist klar: Die Antworten sind so knapp wie die Bestückung eines Regals an einem Samstagabend.