Zu Beginn der Corona-Pandemie haben Hofläden einen deutlichen Aufschwung erlebt. Während des Lockdowns wurden sie regelrecht überrannt. Konsumenten schätzten vermehrt, dass direkt ab Hof gesunde Lebensmittel erhältlich sind, die für Frische, Regionalität und Saisonalität stehen.
Immer häufiger bargeldlos bezahlen
Dieser Trend hat sich fortgesetzt, wenn auch nicht mehr als Hype: «Der Boom hat etwas nachgelassen, doch viele Hofläden haben Kundinnen gewonnen, die sie halten konnten», sagt Rita Steiner, die als Beraterin für Direktvermarktung am Bildungszentrum Wallierhof Rückmeldungen von Betrieben erhält. «Ein weiterer Grund, weshalb Kundinnen und Kunden gerne im Hofladen einkaufen, ist der Kontakt zu den Bauernfamilien. Sie schätzen es zu sehen, woher die gekauften Produkte kommen, und haben vielleicht die Gelegenheit, einen Blick auf die Felder oder in den Stall zu werfen»
Auch wenn sich die Direktvermarktung auch ohne Corona immer weiterentwickle, sei der Wandel bei den Hofläden in letzter Zeit besonders deutlich geworden, so Steiner. Zum Beispiel, was die Zahlungsmittel betrifft: «Im Zuge der Pandemie hat sich die Kundschaft daran gewöhnt, ohne Bargeld einzukaufen». Seit zwei Jahren bezahle man im Hofladen häufiger mit Twint und immer mehr auch mit der Karte.
Das Kässeli wird dereinst aussterben
Einer, der auf ein modernes Bezahlsystem setzt, ist Thomas Disch: Der Schaffhauser Bauer und Informatiker hat selbst ein modernes Kassensystem für Hofläden entwickelt. Dieses beinhaltet Abläufe von der Bestandesverwaltung bis hin zur Bezahlung, Ladenbetreibende können die Software per App bedienen. Die Auswahl der Zahlungsmittel geht über Bargeld und Twint hinaus: «Die Kunden wollen wie im Supermarkt mit der Karte bezahlen», so Disch. Er sei überzeugt, dass das «Kässeli» dereinst ausstirbt.
Nebst den üblichen Kreditkarten hat Disch auch die Kryptowährung Bitcoin in die Auswahl aufgenommen. Weiter möchte er mit dem Kassensystem aufzeigen, dass die modernen Technologien wie papierlose Quittung oder Mobile-Check-out ohne grossen Aufwand realisiert werden können und gleichzeitig zur Nachhaltigkeit beitragen. Ausserdem richtete der Schaffhauser in seinem System eine digitale Altersprüfung mittels Kamera und künstliche Intelligenz (KI) ein, die für den Verkauf von Alkohol notwendig ist. Damit entfällt die Kontrolle eines Personalausweises, die beim selbstbedienten Hofladen gar nicht möglich wäre.
Digitale Altersprüfung für die Selbstbedienung
Hofladentrends auf einen Blick
Die Direktvermarktung via Hofläden passt sich laufend dem technischen Wandel und den Ansprüchen der Konsumenten an. Folgende Trends zeichnen sich derzeit ab:
- digitalisiert: z. B. Bezahlung mit der Karte, Bedienungper App, digitale Helfer wie Etikettierwaagen.
- selbstbedient: Ein selbst-bedienter Hofladen erlaubt längere Öffnungszeiten, bzw. 24/7-Laden.
- zentral: stark frequentierte Standorte, zum Beispiel inder Stadt.
- gemeinsam: mehrere Produzentinnen bieten ihre Erzeugnisse zusammen an.
- breites Sortiment: Ein vielfältiges Angebot ist attraktiver, auch lohnt sich der Besuch für die Kundschaft bei einem grösseren Sortiment mehr.
Hier stellte sich ein weiteres Problem: Alkohol darf laut Gesetz nicht an Betrunkene verkauft werden. Um dies zu überprüfen, hat der Tüftler zusätzlich Aufgaben eingebaut, die nur im nüchternen Zustand gelöst werden können. So gilt es beispielsweise, gerade Linien auf den Touchscreen zu zeichnen. Sein System gibt er zu einem günstigen Preis an Hofladenbetreiberinnen und -betreiber weiter. «Häufig sind es die Bäuerinnen, die auf dem Betrieb für die Direktvermarktung zuständig sind und nebenbei auch noch die Website betreuen», stellt Disch fest. «Sie sind oftmals auch offen für technische Neuerungen.» Voraussetzung für die moderne Variante des Hofladens ist ein Internetzugang. Dieser sei jedoch meistens bereits auf dem Betrieb vorhanden.
Der Automat ist mit der Kundschaft vernetzt
Thomas Disch sieht einen deutlichen Trend zu Hofläden mit Selbstbedienung, er selbst macht damit gute Erfahrungen: «Einen Hofladen zu betreiben ist sehr aufwendig. Zur Produktion kommen regelmässige Aufgaben wie Werbung, Design oder Buchhaltung hinzu. Da lohnt es sich finanziell, die Personalkosten für den Verkauf einzusparen.» Gegen den Einwand, es fehle bei der Selbstbedienung der persönliche Kontakt, den die Kundschaft nicht selten ausdrücklich wünscht, liefert er Argumente: «Als Bauer bin ich häufig auf dem Hof anwesend. Ich sehe, wenn Kunden eintreffen und tausche mich mit ihnen aus, ohne dass ich dabei im Laden stehen muss.» Was Diebstähle betrifft, so habe man heute etwa mit Überwachungskameras bessere Karten als früher.
[IMG 2]Auf moderne Technik setzt auch der Zürcher Bauernverband (ZBV) mit seinem Projekt «Hoflaedeli24.ch». Dabei handelt es sich um eine Verkaufsnetz verschiedener Betriebe, die moderne Selbstbedienungsautomaten betreiben. Jede Hofladenbetreiberin steht mit ihrem Automaten digital in Verbindung und kann damit beispielsweise den Bestand verwalten, die Preise festlegen und den Betrieb und die Produkte beschreiben. Per SMS wird man gewarnt, wenn der Bestand eines Produktes knapp wird. Das System vernetzt zudem die Kundinnen und Kunden, welche per Handy-App nachschauen können, wo was angeboten wird. Auch sind die Automaten mit einem modernen Kassensystem ausgerüstet, welches die Bezahlung mit Karte erlaubt. Voraussetzung für diese Art von Hofladen ist ein wettergeschützter Platz sowie Strom- und Internetanschluss.
Ein Hofladen extra für die Stadt
Derzeit sind laut Projektleiterin Barbara Hembd rund zehn Automaten im Einsatz. Diese stehen in der Region Zürich und zunehmend auch in anderen Kantonen. «Unser Ziel ist es, das Verkaufsnetz zu erweitern», sagt Hembd. Die Nachfrage nach weiteren Automaten sei vorhanden, doch gebe es aufgrund von Lieferengpässen Wartefristen. Das Projekt «Hoflaedeli24.ch» wurde im November beim Innovationswettbewerb der «Suisse Tier» in Luzern mit einem Spezialpreis ausgezeichnet.
Verkaufsautomaten müssen nicht zwingend auf dem Hof stehen, sie können grundsätzlich auch an einem belebten, zentralen Ort betrieben werden. Diese Möglichkeit ist vor allem für Betriebe interessant, die abseits gelegen sind. So gibt es einen Trend, den Hofladen dorthin zu bringen, wo die Kundschaft sowieso anzutreffen ist. Das heisst, an belebten Standorten oder direkt in der Stadt, wo die meisten Konsumenten leben und arbeiten. Ein Pionier diesbezüglich ist der «Alpomat», ein Pilotprojekt der Kleinbauern-Vereinigung und der Bauernfamilie Abderhalden aus Gibswil ZH: Seit Herbst 2018 stehen in verschiedenen Quartieren der Stadt Zürich Verkaufsautomaten, welche rund um die Uhr zugänglich sind. Beliefert werden sie von regionalen Bauernbetrieben und kleinen Verarbeitern mit Produkten wie etwa Käse, Butter und Trockenfleisch.
Betriebe tun sich vermehrt zusammen
Die Pilotphase befindet sich nun im vierten und letzten Jahr. Seit Beginn gab es einige Anpassungen, beispielsweise wurden die Automaten mit einem Kartenbezahlsystem nachgerüstet. Derzeit sind stadtweit neun Alpomaten im Einsatz. «Wir prüfen die Wahl der Standorte und haben auch schon Geräte neu platziert», sagt Projektleiterin Patricia Mariani. «Nicht immer ist der meistfrequentierte Standort auch derjenige, der am meisten Umsatz bringt. Es gibt auch welche, die davon profitieren, dass sie im Quartier Bekanntheit erlangt und eine Stammkundschaft gefunden haben.» Die Nachfrage sei da, entsprechend gebe es noch Potenzial für weitere Standorte.
Ebenfalls auf die Stadt und die Agglomeration wird mit Container-Hofläden wie «Rüedu» im Raum Bern und Zürich oder die «Holabox» in Winterthur ZH gesetzt. Dabei handelt es sich um mobile Selbstbedienungsläden auf wenigen Quadratmetern, die ein Sortiment aus regionalen Hofprodukten anbieten. Sie sind mit modernen Kassensystemen ausgerüstet und rund um die Uhr zugänglich. In die Stadt finden zudem immer wieder auch Pop-up-Stores, das heisst zeitlich befristete Läden, mit landwirtschaftlichen Produkten. So etwa der «Genuss-Pop-up» in Kreuzlingen: «Agro Marketing Thurgau» mietete während dreier Monate vor Weihnachten ein leer stehendes Ladenlokal an zentraler Lage, um rund 30 landwirtschaftlichen Betrieben aus der Region die Möglichkeit zu geben, ihre Produkte zu verkaufen. «Wir sind sehr zufrieden mit der Nachfrage», bilanziert Agro-Marketing-Geschäftsführerin Simone May. «Die Bevölkerung hat sich trotz der Grenznähe loyal gezeigt.» Zukunftspotenzial sieht sie etwa im gemeinschaftlichen Verkauf von Produkten. «Weil es nicht ökologisch ist, fünf oder sechs Hofläden abzuklappern.» Sie könne sich vorstellen, dass die Zeit wieder reif ist für Markthallen an stark frequentierten Orten. Auch für Thomas Disch macht es Sinn, wenn Direktvermarktung gemeinsam betrieben wird. «Es ist zum einen attraktiver, ein umfangreiches Sortiment anzubieten. Aber Bauern sollten sich auch deswegen zusammenschliessen, um dem Zwischenhandel zuvorzukommen.»
Die mobile Einkaufsbox
Die «Holabox» ist ein Beispiel für einen Hofladen, der sich flexibel einsetzen lässt. Dabei handelt es sich um einen Schiffscontainer mit einer Fläche von zwölf Quadratmetern, der nach Bedarf gezügelt werden kann. Der Selbstbedienungsladen ist mit einem digitalen Kassensystem ausgerüstet und rund um die Uhr zugänglich. Tagsüber ist die Türe offen, nachts ist der Zugang über eine automatisierte Telefonnummer möglich. Betrieben wird die «Holabox» von einer Agrarkooperation, die sich aus Bauern aus dem Zürcher Weinland zusammensetzt. Diese liefern die Lebensmittel, die ohne den Einsatz von Pestizidenund Kunstdünger produziert werden. Auch erfahren die Kundinnen, welche Produkte von welchem Hof stammen. Die erste «Holabox» steht derzeitin der Stadt Winterthur, weitere sind geplant
Weitere Informationen: www.holabox.ch