«Erdgas ist eine zentrale Energiequelle für die Verarbeitung von Milch zu Lebensmitteln und damit für die Grundversorgung der Bevölkerung. Die Nahrungsmittelindustrie und auch Emmi benötigen Gas als Prozessgas für die Herstellung von fast allen Produkten», schreibt der Milchverarbeiter Emmi AG auf Anfrage der BauernZeitung. Zwar hat Emmi eine Nachhaltigkeitsstrategie, setzt auf alternative Energie wie in Emmen auf eine Holzschnitzelanlage, Strom aus Photovoltaik oder in Suhr auf Fernwärme aus der Kehrichtverbrennungsanlage. «Trotz all dieser Massnahmen bleibt Gas jedoch zentral für die Abdeckung von Prozessspitzen bei der Erhitzung von Milch», schreibt Emmi. 

Im Notfall Produktion drosseln

Die beiden Emmi-Standorte Ostermundigen und Dagmersellen könnten kurzfristig auf Öl umstellen, das sei aber nicht in allen Werken möglich: «Dort muss die Produktion gedrosselt oder die Erhitzungsanlagen (Dampfkessel) ganz ­ab­geschaltet werden nach kurzfristigen Alternativen bei einem Gasengpass.» Emmi hat gemäss Nachhaltigkeitsbericht 2020 einen jährlichen Gasenergieverbrauch von 345'000 MWh.

Keine Alternativen vorhanden

Ebenfalls beim Milchverarbeiter Hochdorf läuft es nicht ohne Gas. Mit 125 '94 MWh Gasenergie ist der Verbrauch zwar tiefer als bei Emmi jedoch: «Für die Trocknungsprozesse benötigen wir hohe Temperaturen im Bereich um 200°C. Technisch gibt es dafür derzeit noch keine anderen Lösungen ausser Gas», betont die Hochdorf. Bei einem Gasengpass könnten lediglich ein kleiner Teil der Anlagen mit Öl betrieben werden. Mangels Alternativen zu Gas gibt es bei Hochdorf auch keine konkreten Projekte zum Ausstieg, obwohl nicht nur der Gasengpass droht, die Preise für diese bisher kostengünstige Energie haben sich in den vergangenen Wochen vervielfacht. Auch aus diesem Grund beschäftige man sich bei Hochdorf intensiv mit der Gasfrage.

Energieverbrauch um 1/4 gesenkt

Auch beim Nahrungsmittel­multi Nestlé brennt die Gasenergie unter den Nägeln. Ganze 11,5 Mio MWh Gasenergie benötigte der Konzern 2020 weltweit. Im Rahmen ihres Klimaplans setzt Nestlé auf die Dekarbonisierung, insbesondere durch die Verringerung der Abhängigkeit von fossilen Brennstoffen. Ausserdem wurden Risikoanalysen durchgeführt und Massnahmen ergriffen, um die Rohstoffversorgung aufrechtzuerhalten und so die Kontinuität der Geschäftstätigkeit zu gewährleisten. Neben dem Umstieg auf erneuerbare Quellen konzentriere sich Nestlé auch auf die effiziente Ressourcennutzung. So habe man in der Schweiz den Energieverbrauch in den letzten zehn Jahren um einen Viertel gesenkt und den Gasverbrauch um mehr als 10 % im Vergleich zu 2018 reduziert, obwohl das Unternehmen stetig wachse.

Marktkommentar: Unser Essen hängt am Gas

Es führt in der Lebensmittelproduktion kein Weg am Gas vorbei. Sein bisher günstiger Preis sowie seine stetige Verfügbarkeit führte dazu, dass kaum über Alternativen nachgedacht werden musste. Gerade bei energieintensiven Prozessen in der Rohstoffverarbeitung gibt es vielleicht auch deshalb keine Alternativen. Dreht man den Gashahn zu, steht die Anlage still, sind die Regale bald leer. 

Zeiten des Überflusses sind vorbei
Die Zeiten des stetigen Überflusses sind vorbei und das macht Angst. Auch zeigt sich schmerzlich, in wie vielen sehr essenziellen Lebensbereichen wir abhängig und wohl erpressbar sind. Und das oftmals von Ländern, die nicht die stabilsten politischen Verhältnisse haben. Aber es war halt günstig und in guten Zeiten gab es keinen Grund, dies in Frage zu stellen. Nicht der Umwelt zuliebe, nicht den Menschenrechten zuliebe, nicht den einheimischen Arbeitsplätzen zuliebe. Ein frühzeitiges und freiwilliges Umdenken hätte uns viel erspart. Nun muss es aus der Not heraus geschehen.

Hoffen auf kühlen Kopf
Läden denken darüber nach, was sie bei einem Blackout machen würden und die Milchbauern müssen sich damit befassen, was passiert, wenn man den Milchverarbeitern den Gashahn abdreht. Bei der Milchtrocknung und Erhitzung ist Gas alternativlos. Bleibt die Hoffnung, dass die Gaslieferanten einen kühlen Kopf bewahren.