Prognosen sind schwierig – besonders wenn sie die Zukunft betreffen. Aus diesem Grund halte ich mich an die Gegenwart und auch an die Vergangenheit. Der Rindfleischmarkt ist der Saison entsprechend unter Druck. Was die genauen Ursachen sind und was zu tun wäre, sehen verständlicherweise nicht alle Marktteilnehmer gleich. Die Interessen der Bauern, der Händler, des Detailhandels und der Gastronomie decken sich nicht.
Preisdruck und Importe
Proviande hat die noble und anspruchsvolle Aufgabe, für einen Ausgleich zu sorgen. Das ist Proviande in den vergangenen Jahren auch sehr gut gelungen. Und aktuell? Die Bankviehpreise sind unter Druck und trotzdem wird weiterhin munter importiert. Da wäre doch schnell ein Sündenbock gefunden
Der Markt ist allerdings komplex und die eben erschienen Zahlen zum Fleischverbrauch 2022 zeigen die Tatsachen deutlich. Das Corona-Hoch ist definitiv vorbei. Der Rindfleischkonsum pro Kopf ist im letzten Jahr gegenüber dem Vorjahr um 5 % eingebrochen, beim Kalbfleisch sind es 3,1 %. Die Produktion von Rindfleisch hat hingegen nur ein Prozent abgenommen, jene von Kalbfleisch 2,4 %. Das erzeugt Druck auf die Preise, speziell im Frühling. Die Importe von Rind- und Kalbfleisch haben in selben Zeitraum um knapp 14 % abgenommen.
Es braucht Interpretation
Die Zahlen lügen nicht und trotzdem müssen sie interpretiert werden. Jene der Produktion sind hieb- und stichfest. Jene des Konsums dagegen nicht. Wie ist ein Minderkonsum von 5 % in einem Jahr zu erklären? Entweder liegt die Ursache tatsächlich beim Minderkonsum oder doch schon viel eher beim wieder erstarkten Einkaufstourismus. Auch der nochmals gestiegene Geflügelkonsum wird seine Spuren hinterlassen haben. Die miserablen Schweinepreise mögen auch einen Einfluss gehabt haben.
Nun ist der Bankviehmarkt schon seit einigen Wochen unter Druck. Angefangen hat der Druck im Labelbereich. Terra-Suisse-Tiere und auch Natura-Beef können nicht rechtzeitig abgeholt werden. Normalerweise betrifft diese Situation vor allem die Westschweiz. Diesmal ist aber die ganze Schweiz davon betroffen. Das wiederum erzeugt Druck auf den eigentlich gesunden QM-Markt.
Vorderviertel können den Markt entlasten
Und hier wage ich trotzdem noch eine Prognose: Die Kuhschlachtungen gehen der Jahreszeit entsprechend zurück und der Preisunterschied zwischen den Schlachtkühen und dem Bankvieh ist (zu) gering. Die Vorderviertel des Bankviehs werden ihren Weg finden und somit den Bankviehmarkt entlasten. Hier kann auch Proviande einen Beitrag leisten: Importierte Kühe bestehen ja bekanntlich nicht nur aus Vordervierteln.
Massive Überhänge bei Labels
Offensichtlich ist Marketing nicht gleich Markt. Immer wieder wird uns von verschiedenen Seiten gepredigt, mehr für das Tierwohl zu tun, den Tierschutzstandard generell anzuheben. Aber leider stockt es genau da im Absatz. Natura-Beef wie auch Terra Suisse haben schon lange einen Aufnahmestopp. Und trotzdem ist das Angebot häufig höher als die Nachfrage. Das ist frustrierend für alle jene, die in teure Ställe investiert haben. Bei Terra Suisse beträgt der Überhang seit vielen Jahren rund 10'000 Banktiere pro Jahr!
Ein bisschen Verständnis für Aktionen
Noch ein Wort zu den leidigen Nierstück-Aktionen des Detailhandels. «Edelstücke» (wie zum Beispiel auch eine Rolex) verkauft man nicht über Rabatte! Und trotzdem habe ich ein bescheidenes Mass an Verständnis für den Detailhandel: Die Aktionen dienen als Frequenzbringer und halten Konsumenten vom Einkaufstourismus ab. Damit wird der Wocheneinkauf eher im Inland getätigt und dabei werden ja hoffentlich auch noch andere Produkte aus heimischer Landwirtschaft gekauft.