«Denkt daran, der Stier ist die Hälfte der Herde», betonte Auktionator Urs Jaquemet am Stierenmarkt für Fleischrinder immer wieder. Der Kauf eines Vererbers ist sowohl für die Zucht- als auch für die Produktionsbetriebe ein gewichtiger Entscheid. Einerseits ist es finanziell eine recht grosse Investition – im Schnitt kosteten die Stiere vergangene Woche 5789 Franken. Andererseits hat die richtige Genetik einen Einfluss auf die Wirtschaftlichkeit der Produktion. Organisiert wird der Stierenmarkt für Fleischrinder jeweils von den Rasseclubs, der Vianco sowie Mutterkuh Schweiz. Einerseits werden dort die jungen Stiere beurteilt, andererseits können die Käufer den Stier aussuchen, der genetisch gut zu ihrer Mutterkuhherde passt.

Gesamtzuchtwert Fleisch

Während die Zuchtbetriebe bei der Wahl der Vererber jeden einzelnen Zuchtwert analysieren, um einen Zuchtfortschritt zu realisieren, können Produktionsbetriebe neu auf einen Gesamtzuchtwert setzen. Dazu werden die Geburts-, Absetz- und Schlachtmerkmale rassespezifisch zum Gesamtzuchtwert IBB zusammengefasst. Damit soll möglichst kompakt das genetische Potenzial eines Fleischrassen-Stiers abgebildet werden. Im Vordergrund stehen dabei die wirtschaftlichen Faktoren.

[IMG 2-4]

45 Herdebuch-Stiere beurteilt

Wie gut die Fleischrinderzucht unterwegs ist, zeigt sich nach dem Stierenmarkt in der Statistik der Linearen Beschreibung. Beurteilt wurden vergangene Woche 45 Herdebuch-Stiere: 15 Angus, je einer bei den Aubrac und den Charolais, 15 Limousin und 13 Simmental. Im Durchschnitt erreichten alle Stiere in der Synthese 90 Punkte, was die Auszeichnung Excellent bedeutet. Während die Angus und Limousin jeweils im Schnitt 90 Punkte erzielten, erreichten die Simmental im Schnitt gar 91 Punkte. Ausserdem wurden auch die 20 % der Stiere mit dem höchsten IBB ausgezeichnet. Pro Rasse wurde ein Mister gewählt. Die Kandidaten dafür nominierten die Züchter selber.

Weitere Informationen

«Wir haben noch sehr viel Potenzial»

Nachgefragt bei Svenja Strasser

Was ist der Grund, dass bei den Fleischrassen der neue Gesamtzuchtwert IBB eingeführt wurde?

Svenja Strasser: Für die ZWS-Rassen von Mutterkuh Schweiz gibt es bis zu 18 Einzelmerkmale, die publiziert werden. Die vielen Daten sind nicht für alle Nutzenden gleich einfach handhabbar. Es war uns ein Anliegen, unseren Nutzenden ein Werkzeug zu geben, das über alle Zuchtwerte eine Übersicht gibt und die Vorteile der Tiere in einer einzigen Zahl wiedergibt. Das bedeutet eigentlich, das Beste aus Geburts-, Absetz- und Schlachtmerkmalen einfach zusammenzufassen.[IMG 5]

Wie werden diese Zuchtwerte erhoben/berechnet?

Die Datengrundlage sind alle Phänotypen, die erhoben werden. Bei den Geburtsmerkmalen sind dies die Informationen der Geburtsmeldungen, welche via TVD gemacht werden. Absetzmerkmale erhebt unser Expertenteam auf unseren Zuchtbetrieben mit gewogenen Rassen. Bei den Schlachtmerkmalen sind es die Informationen aus Schlachtmeldungen – immer gepaart mit den Abstammungsinformationen.

Die Züchter haben während der Stierenmärkte die Möglichkeit, sich beraten zu lassen, welcher Stier in ihre Herde passt. Wie wird dieses Angebot wahrgenommen?

Die Züchtenden stehen den Käufern immer bei den Stieren im Stall zur Verfügung, dies vor dem Verkauf und nachdem die lineare Beschreibung gemacht wurde. Dieses Angebot wird sehr rege genutzt. Von unserer Seite geht es darum, beratend zur Seite zu stehen, die zur Verfügung stehenden Daten richtig zu lesen und zu nutzen. Wir können jeweils nur die Papiere vergleichen sowie Vor- und Nachteile von einem Stier hervorheben. Mindestens so wichtig ist aber für den Käufer, wo die Stärken und Schwächen in der Kuhherde liegen, und so geschickt die beste Genetik zu wählen. Diese Information ist in der Regel für uns sehr anspruchsvoll abzuschätzen.

Wo hat die Schweizer Fleischrinderzucht noch Verbesserungspotenzial?

An sehr vielen Orten: Einerseits an der Qualität der Daten, die hereinfliessen – wie bei einem Kuchen müssen die Zutaten eine gute Qualität haben, denn der Kuchen am Schluss kann nicht besser sein als die Qualität der Zutaten. Aber auch an der Menge – hätten wir grössere Populationen, hätten wir eine viel bessere Qualität der Zuchtwerte. Auch weitere Zuchtwerte wie zum Beispiel die Frühreife im Sinne der Schlachtung, Zuchtwerte zu Gesundheitsdaten oder ein internationaler Austausch wären interessant. Wir haben noch sehr viel Potenzial und Ideen.