Die Milch sei zu sauber für die typische Lochbildung im Emmentaler, war kürzlich in den Tamedia-Zeitungen zu lesen. Das Problem von zu wenig Löchern im Käse fängt aber im Stall an – besser gesagt im Laufstall. Denn dort wird im Gegensatz zum Anbindestall nicht in unmittelbarer Nähe von Liegeplätzen und Fütterung gemolken, sondern in einem separierten Melkstand.
«Somit gelangt weniger Heustaub in die Milch», erklärt Bernhard Hauri, Berufs- und Fachschullehrer Käsetechnologie am BBZN Luzern. Wie Agroscope vor neun Jahren herausgefunden hat, sind diese Mikropartikel aber entscheidend für die Lochbildung, «Fehlt der Heustaub, fehlen die Lochansatzstellen, und dann hat der Käse zu wenig Löcher», fasst Hauri zusammen. Ob mit einem Melkstand gearbeitet werde oder ein Melkroboter im Einsatz sei, mache allerdings keinen Unterschied: «Bei beiden Systemen sind Liegeplatz und Futterzubereitung beziehungsweise Fütterung gleich weit entfernt vom Melkstandort.»
Ohne Staub entweicht das Gas
Löcher kommen durch das Zusammenspiel von Bakterien, die CO2 produzieren, und pflanzlichen Partikeln, die als Lochansatzstellen dienen zustande. «Die mikroskopisch kleinen Heupartikel enthalten kleinste Luftbläschen», heisst es bei der Forschungsanstalt Agroscope. Das von den Bakterien im Käseteig gebildete CO2 vergrössere diese Bläschen, was zur Ausbildung von sichtbaren Käselöchern führe. Ohne Heustaub entweiche das neu gebildete Gas grösstenteils aus dem Käse.
Die Lösung des Rätsels um die Löcher im Käse ebnete den Weg dafür, dem Löcherschwund entgegenzuwirken. Die Zugabe von Heublumenpulver bringt die nötigen Partikel als Ansatzstellen ins Käsekessi. Dabei sind laut Agroscope nur kleinste Mengen nötig, pro Tonne Milch lediglich 5–10 Milligramm Heupartikel. Entsprechendes Pulver ist auch in der Bioverordnung sowie bei Bio Suisse zur Förderung der Lochbildung im Käse zugelassen, auf der Zutatenliste eines St. Galler Herstellers stehen abgesiebte gemahlene Pflanzenteile von Gräsern und Klee.
Es gibt also eine Lösung, damit die Verbreitung von Laufställen nicht zur Bedrohung für das typische Bild von löchrigen Schweizer Käsesorten wird. Verschiedene Sorten seien bereits vom Löcherschwund betroffen gewesen und setzten deshalb Heublumenpulver ein, weiss Bernhard Hauri. Für Grosslochkäse wie den Emmentaler AOP, der gemäss Pflichtenheft eine regelmässige Lochung mit 2–4 Zentimeter grossen Hohlräumen aufweisen muss, wäre es besonders wichtig. Doch ebendieses Pflichtenheft verbietet die Verwendung aller Zusatzstoffe und beschränkt die zulässigen Hilfsstoffe – Heublumenpulver steht nicht auf der Liste.
Andere Grosslochkäse wie zum Beispiel der ausländische Leerdamer kämpfen laut Hauri nicht mit sparsamer Lochung, «aber nur, weil bei diesen Käsesorten bereits Heublumenpulver eingesetzt wird». Weder eine längere Reifedauer noch höhere Temperaturen während der Reifezeit könnten die Partikel ersetzen, sagt der Fachmann.
«Gegenwärtig die einzige und beste Lösung.»
Die Sortenorganisation Emmentaler kämpft vor Gericht für Heublumenpulver.
Neigt zu Rissbildung
Auf den Geschmack hätten die Löcher zwar keinen Einfluss, wohl aber auf das Image – und im Fall von AOP-Sorten auf die Erfüllung des Pflichtenhefts. Ausserdem neigen Produkte vom Typ Emmentaler mit sehr geringen Lochzahlen gemäss Agroscope zu grösseren Einzellöchern und vermutlich als Folge eines grösseren CO2-Überdrucks zur Riss- und Spaltenbildung.
Pflichtenhefte ohne Ausnahmen
Zur Rettung der Löcher im Emmentaler AOP hat die zuständige Sortenorganisation (SO) vor zwei Jahren beim Bundesamt für Landwirtschaft (BLW) ein Gesuch zur Anpassung des Pflichtenhefts gestellt, um in Zukunft Heublumenpulver einsetzen zu dürfen. «Es handelt sich um ganz natürliche Fasern, in diesem Fall aus Heu», betont Bernhard Hauri.
Auch mit dieser Zutat bleibt der Käse demnach ein natürliches Produkt, und andere Sorten machen es vor – allerdings keine anderen AOP-Sorten. Bei denen müsste für die Verwendung von Heublumenpulver ebenfalls das Pflichtenheft angepasst werden, denn bisher erlaubt dieses bei keinem der zwölf AOP-Käsesorten dessen Einsatz. Die Milchsäurebakterien in zum Beispiel Gruyère AOP oder Sbrinz AOP bilden laut Agroscope sowieso weniger CO2 als die typischen Propionsäurebakterien im Emmentaler AOP, weshalb diese beiden Sorten keine Löcher aufweisen.
«Einzige und beste Lösung»
So weit, so gut. Aber das BLW stellt sich quer. Es lehnt die Zulassung von «Lochansatzpulver» für Emmentaler AOP ab, da der Einsatz von Zutaten oder Verarbeitungshilfsstoffen zu einer Industrialisierung der Produkte mit geschützter Ursprungsbezeichnung führen würde, so die Argumentation. Das BLW sieht darin laut Mitteilung des Bundesverwaltungsgerichts (BVGer) eine Schwächung der Vielfalt und Unvergleichbarkeit dieser Produkte. Die SO könne ihr Ziel auch mit der «beherrschten Filtration» der Milch bei der traditionellen Käseherstellung erreichen, ohne dabei die hygienische Sicherheit der Produkte infrage zu stellen, zitiert das BVGer. Die SO ihrerseits macht ein Dilemma zwischen Tradition und Innovation geltend, gestiegene Hygienestandards bei der Milchgewinnung würden heute die Lochbildung erschweren, und Heublumenpulver sei die einzige und beste Lösung dafür. Zum Punkt Hygiene hat Agroscope vor Jahren als Reaktion auf vereinfachende Medienberichte festgehalten, dass es sich beim Heublumenpulver keinesfalls um «Dreck» handle. In der erwähnten sehr geringen Dosierung hätten die Partikel keinerlei Einfluss auf die hygienische Qualität der Milch.
Rätselhaftes Verfahren
Im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht hat das BLW «beherrschte Filtration» als alternatives Verfahren zum Einsatz von Heublumenpulver vorgeschlagen. Diese Methode ist Bernhard Hauri allerdings nicht bekannt. Was unter dieser «beherrschten Filtration» zu verstehen ist, wollen auf Anfrage der BauernZeitung weder Agroscope noch das BLW erläutern. Beide verweisen auf das laufende Gerichtsverfahren.
Anfang Juni standen sich die SO Emmentaler AOP und das BLW vor Gericht gegenüber. Die öffentliche Parteiverhandlung fand ein breites Medienecho, blieb aber ohne Urteilsspruch. Der letzte Entscheid über den Einsatz von Heublumenpulver zur Rettung der typischen Emmentaler-Lochung steht also noch aus.

