Die Distanz zwischen Produzenten und Konsumenten nimmt zu. Die Kunden sind von der Landwirtschaft entfremdet. Das Resultat: Das entscheidende Kaufkriterium ist der Preis. Was kann man tun?
Kunden informieren
Die Antwort ist so einfach wie deren Umsetzung schwierig: Bauern müssen ihre eigenen Geschichten erzählen. So können Konsumenten erfahren, welche Arbeit und welche Menschen hinter einem Produkt stehen. Das ist die Idee des Storytellings. Dabei geht es nicht darum, Banalitäten aufzublasen, sondern Informationen so zu vermitteln, dass sie haften bleiben.
An der diesjährigen Delegiertenversammlung des landwirtschaftlichen Informationsdiensts (LID) führte Jürg Rindlisbacher in die Kunst des Erzählens ein. Eine wichtige Bemerkung dazu: Was genug Stoff für eine Geschichte hergibt, liegt im Auge des Betrachters. Für einen Städter kann der bäuerliche Arbeitsalltag so viel Neues bieten, dass das Eis schnell schmilzt und die Faszination für die Lebensmittelherstellung geweckt wird. Wer mehr über diese Arbeit und das Engagement weiss, bei dem steigt die Anerkennung und damit die Zahlungsbereitschaft. Von einem erfolgreichen Austausch können beide Seiten profitieren.
Eine gute Geschichte hat laut Jürg Rindlisbacher sieben Zutaten:
- Problem
- Held/in
- Weg
- Antagonist/in
- Mentor/in
- Heldentat
- Belohnung
Das Problem macht die Hauptperson einer Geschichte zu einem Helden, indem er es nach einem (idealerweise verschlungenen) Weg in einer Heldentat löst und dafür belohnt wird. Antagonisten (Gegenspieler) machen es dem Helden schwer und bringen Spannung, während Mentoren mit ihrem Wissen aus der Patsche helfen können.
Der «Kleber» für die Informationen sind Gefühle. In der Psychologie ist es zwar ein Streitpunkt, was genau Gefühle sind und in welchem Verhältnis sie zu körperlichen Reaktionen stehen. Sicher aber ist, sobald Hormone ins Spiel kommen, entstehen bleibende Erinnerungen. Daher bezeichnete Rindlisbacher Kortison (Stresshormon), Oxitocin (Zuneigung), Dopamin (Glückshormon) und Spiegelneuronen (die uns Einfühlungsvermögen verleihen) als die Inhaltsstoffe des Klebers, der Emotionen also.
Diese doch sehr technischen Ausführungen kann man wie ein Kochrezept lesen und anwenden. Das Resultat ist in diesem Fall allerdings keine dampfende Mahlzeit, sondern beispielsweise ein Produkt, das Emotionen weckt – als ganz profanes Beispiel ein frischer Salat auf dem Markt.
Problem Salatzucht
Das Problem in der Salatgeschichte ist die Herausforderung, den Setzling zum fertigen Kopf zu ziehen. Der Held ist hier der Gemüsebauer, der sich gegen Schnecken und Pflanzenkrankheiten (also Antagonisten) zur Wehr setzt. Auf seinem Weg muss er Entscheidungen fällen, beispielsweise zur Sorte, dem Zeitpunkt des Setzens, möglichen Nachbarpflanzen, dem Einsatz von Pflanzenschutzmitteln und der Bekämpfung von Unkraut. Als Mentor könnten erfahrene Bekannte oder Berater, oder auch ein Ratgeber in Buchform zur Seite stehen. Die Belohnung sind einerseits die Ernte, andererseits die Anerkennung der Kunden und der Preis, den er beim Verkauf bezahlt bekommt.
Das Erzählen einer guten Geschichte kann Emotionen wecken; Erstaunen, vielleicht auch Zuneigung und Bewunderung, wenn die Zuhörer die Leidenschaft und das Engagement des Erzählenden spüren (Spiegelneuronen!). Es wird begreiflich, wie viel Arbeit und Wissen hinter einem «einfachen» Salatkopf stecken und damit auch, warum dieser seinen Preis hat.
Viel Geschichtenpotenzial
Das Salat-Beispiel soll vor allem Mut zum Erzählen machen, schliesslich hat jeder Bauer spannendere Geschichten auf Lager. Wichtig ist nur, dass sie erzählt und landwirtschaftsfremde Leute so sensibilisiert werden. Und niemand kann Geschichten aus dem Leben auf dem Land und die Arbeit auf dem Feld oder im Stall besser und glaubwürdiger vermitteln, als die Protagonisten selbst.
Erzählende Produkte
Geschichten lassen sich aber nicht nur von Angesicht zu Angesicht erzählen; ein guter Name für ein Produkt weckt das Interesse der Kundschaft, etwa wenn die Herkunftsregion erwähnt wird. «Seeländer Rüebli» z. B. beschwört idealerweise ein Bild der weiten Ebenen und der schwarzen Erde im Seeland herauf. Events wie «der Tag der offenen Hoftüren» sorgen dafür, dass Konsumenten die Anbauregionen und die Bauern selbst kennenlernen. So werden Erinnerungen geschaffen, die beim Lesen eines Produktenamens wieder abgerufen werden können und auch Gefühle mittransportieren. Etiketten und Verpackungen können die Originalität unterstreichen und kontrastieren das Angebot im Supermarkt (wobei es die Deklarationsvorschriften einzuhalten gilt).
Zusatzinformationen helfen
Weiter kann es helfen, etwas mehr Informationen zu einem Produkt zu geben; Blaue St. Galler Kartoffeln sind attraktiv, allerdings mit schmutziger Schale in der Kiste kaum von anderen Sorten unterscheidbar. Ein Bild oder Rezept dazu zeigt die Vorzüge und auch die spezielle Farbe. Der LID vertreibt kleine Büchlein, etwa zum Thema Einmachen oder über verschiedene Kürbissorten (gratis online bestellbar). So weiss der Kunde direkt, was er vor sich hat und was man damit anfangen kann.
Emotionen lassen sich auf verschiedene Weise wecken. Wichtig ist vor allem, zu vermitteln, dass beispielsweise ein Salatkopf nicht von selbst gewachsen ist; es steckt eine Geschichte dahinter.