«Vielleicht ist es gut, dass die Schweiz jetzt mal merkt, dass man nicht nur das Portemonnaie aufmachen und die fehlende Ware im Ausland holen kann», sprach Daniel Niklaus, der abtretende Verwaltungsratspräsident der Semag, vielen Kartoffelproduzenten aus dem Herzen. Die Schweiz habe es so weit kommen lassen, dass der Grossteil des Kartoffelsaatguts aus dem Ausland komme. Aktuell sei der Import somit die grösste Saatgutproduzentin. Diese Abhängigkeit wird der Brache nun zum Verhängnis.

Zu wenig Saatgut

Die Vereinigung Schweizerischer Kartoffelproduzenten (VSKP) traf sich am Donnerstag, 22. Februar zu einer denkwürdigen Mitgliederversammlung. «Ich habe noch nie ein Jahr erlebt, in dem gleichzeitig Frühkartoffeln gepflanzt werden, aber noch die letzten Kartoffeln der vergangenen Ernte gegraben werden», hob der VSKP-Präsident Ruedi Fischer die ausserordentliche Situation hervor und scherzte, dass so viele Mitglieder für die Versammlung Zeit gefunden hätten, liege wohl am fehlenden Pflanzgut. Die Königin der Ackerkulturen ist nicht nur der Stolz ihrer Produzenten, sondern auch die erste Kultur, die durch ihre Sensibilität auf Veränderungen reagiert. Die Produzenten wissen dies und fühlen sich entsprechend unverstanden, sind doch ihre Warnungen jahrelang ungehört geblieben.

Ramseyer soll neuer Präsident werden
Der VSKP stellte aber am Donnerstag auch die Weichen für die eigene Zukunft. So wurde der Geschäftsführer Niklaus Ramseyer in den Vorstand gewählt und soll dann in einem Jahr die Nachfolge von Ruedi Fischer antreten.

Forschen für die Zukunft

Aber die Situation hat auch Vorteile. Dank zwei Missernten bleibt im Verwertungsfonds genügend Geld, um in die Zukunft zu investieren. Bereits im vergangenen Jahr wurde der Fondsbeitrag von 95 auf noch 50 Rappen je 100 kg gekürzt, weil es kaum Überschüsse zu verwerten gab. So ist das Vermögen im Fonds auf 8,9 Mio Franken angewachsen. 50 000 Franken haben die Mitglieder der VSKP nun für ein Forschungsprojekt gesprochen, das an der Berner Fachhochschule unter der Leitung von Andreas Keiser durchgeführt wird. 53 % des 991'000 Franken teuren Projekts finanzieren Produzenten, Handel und Verarbeiter, um den ungenügenden Backtests bei Veredelungskartoffeln auf die Spur zu kommen.

Politische Hürden

Martin Rufer, Geschäftsführer des Schweizer Bauernverbands (SBV), stellte eine weitere Investitionsmöglichkeit vor, nämlich die Bekämpfung der Biodiversitäts-Initiative. Auf die Schweiz komme eine wahre Initiativflut zu, was einerseits daran liege, dass die Unterschriften mit der wachsenden Bevölkerung schneller zusammenkommen. Andererseits bekomme jede «Seich-Initiative», die in der Volksabstimmung keine Chance hätte, einen brauchbaren Gegenvorschlag, womit dem Wille der Initianten Genüge getan werde. Hier müsse die Politik umdenken, betonte Rufer. Denn jede Initiative kostet Zeit, Energie und Geld. Darum will der VSKP 200'000 Franken investieren, um der Biodiversitäts-Initiative die Stirn zu bieten. Diese will auf einem Drittel der Landesfläche der Biodiversität Vorrang lassen. Rufer rechnete vor, dass dies zusätzlich zu den heute geschützten Flächen ein Verlust von weiteren 900'000 Hektaren Kulturland wäre. Dies ist die Fläche der Kantone Bern, Freiburg, Neuenburg und Solothurn.

[IMG 2]

Ungleich verteiltes Saatgut

Niemand weiss besser, was der Verlust von Produktionsfläche bedeutet, als die Kartoffelbauern, die mit einem massiven Saatgutmangel in die diesjährige Saison starten. Dieser Umstand gab auch bei der Fragerunde vonseiten Mitglieder viel Gesprächsstoff. So monierten einige, dass das vorhandene Saatgut ungerecht verteilt werde. Dies liege daran, dass die Organisationen einerseits langjährige Kunden bevorzugten und andererseits das Saatgut tendenziell in den Regionen bleibe, wo es produziert werde. Regionen, die den Anbau von Saatgut vernachlässigt hätten, seien nun entsprechend knapp dran. Lukas de Rougemont, Präsident von Swisssem, betonte, das sei nun ein guter Zeitpunkt, um in die Saatgutproduktion einzusteigen.

Lebensmittel produzieren

Ruedi Fischer seinerseits betonte, dass er hoffe, es handle sich um eine Ausnahme und dass man im kommenden Frühling dann wieder genügend Saatgut anbieten könne. Zumindest habe man unter sehr guten Bedingungen die ersten Frühkartoffeln gepflanzt. In seinem Sorgenkatalog zählte Fischer das Wetter als grössten Unsicherheitsfaktor bei der Kartoffelkultur auf. Aber auch am Markt laufe es trotz grosser Beliebtheit der Knolle und positiven Signalen beim Preis noch nicht optimal. Die Branche arbeite gut zusammen, dennoch müsse die Wertschöpfung der Kultur steigen, um Risiken zu decken und die Anbaubereitschaft zu erhalten. Diese leide auch unter der Agrarpolitik, bei der Theorie und Praxis immer mehr auseinanderdrifteten. Das Ziel der Produktion von nachhaltigen, gesunden und ausreichenden Lebensmitteln sei inmitten der Bürokratie verloren gegangen. Und nicht zuletzt wünscht sich Fischer von den Medien eine objektivere Berichterstattung. Insbesondere die sozialen Medien seien Fluch und Segen zugleich, betonte er.

Das Ziel ist, 80 Prozent robuste Sorten anzubauen
Der Absenkpfad Pflanzenschutzmittel fordert eine Risikoreduktion beim Pflanzenschutzmitteleinsatz von 50 % bis 2027. Die Kartoffelbranche wolle deshalb vermehrt robuste Sorten anbauen und setze sich ambitionierte Ziele, schreibt Swisspatat diese Woche in einer Medienmitteilung. Um den Pflanzenschutzmittel­einsatz zu optimieren, setzt die Kartoffelbranche vermehrt auf Sorten, die gegen Kraut- und Knollenfäule resistent sind oder zumindest eine gewisse Robustheit aufweisen. Ein Forschungsprojekt zeigt, dass so die Anzahl Fungizid-Anwendungen gegenüber herkömm­lichen Sorten um über die Hälfte gesenkt werden kann.

In der Zielvereinbarung mit dem Bundesamt für Landwirtschaft (BLW) setzt sich die Branche das Ziel, dass robuste Sorten bis 2028 auf 25 % der Fläche angebaut werden. Bis 2040 sollen es 80 % sein. Hinter der Vereinbarung steht die gesamte Schweizer Kartoffelbranche. Für die Zielerreichung wird sich somit die gesamte Wertschöpfungskette engagieren. Der Zielhorizont ist wegen der langwierigen Züchtungs­arbeit weit gefasst: Bis eine neu gezüchtete Kartoffelsorte auf den Markt kommt, dauert es 12 bis 15 Jahre. Dabei gibt es eine Vielzahl an Kriterien abzuwägen. Hitze- und Trockenheitstoleranz, Lagerfähigkeit, Verarbeitbarkeit, Virusanfälligkeit, Krankheitsresistenz und viele weitere Faktoren gilt es dabei zu gewichten.