Ein aufgebrachter Bauer beklagte sich wegen der Importe (1000 t Kühe in Hälften und Kuhfleisch plus 400 t Nierstücke), welche die Proviande am 6. März – nur zehn Tage vor den Restaurant-Schliessungen – beim Bundesamt für Landwirtschaft (BLW) beantragt hat. Heinrich Bucher, Direktor Proviande, nimmt im Interview Stellung zum Vorwurf.

Proviande habe am 6. März Importe von 1400 t Rindfleisch beantragt, ohne jedes Gespür dafür, dass der Rindfleischmarkt unter Druck kommen könnte. Was sagen Sie zu diesem Vorwurf?

Heinrich Bucher: Wie üblich wurde vor dem Antrag eine eingehende und seriöse Lagebeurteilung vorgenommen. Dass der Bundesrat zehn Tage später aufgrund der Corona-Pandemie die ausserordentliche Lage mit sehr einschneidenden Massnahmen würde ausrufen müssen, ist damals nicht vorauszusehen gewesen. Im Nachhinein ist es immer einfach zu kritisieren, was man hätte anders machen sollen.

Hat der Einbruch auf dem Rindviehmarkt überhaupt etwas mit den Importen zu tun?

Dass die Preise bei allen Rindviehkategorien unter Druck geraten sind, ist auf die grosse Verunsicherunng zurückzuführen, welche durch die beinahe komplett wegfallende Nachfrage aus der Gastronomie entstanden ist. Vor allem Edelstücke, welche mehrheitlich in den Restaurants gegessen werden, werden momentan viel weniger nachgefragt, davon sind auch die Importe betroffen. Aber auch das Interesse an Verarbeitungsfleisch hat unter anderem durch die komplette Schliessung aller McDonald’s-Filialen einen starken Rückgang erfahren.

Damit die freigegeben Importe ausgesetzt werden können, hat das BLW auf Antrag des Verwaltungsrats von Proviande anlässlich einer ausserordentlichen Videokonferenz vom 25. März 2020 beschlossen, die Importperiode für Rindfleisch um vorerst vier Wochen zu verlängern. Wichtig ist nun auch, dass die Produzenten aufgrund der unsicheren Entwicklung nicht zusätzliche Tiere auf den Markt bringen.

Beruhigt die Verlängerung der Importperioden um vier Wochen den Markt?

Ja, diverse Importeure haben ihre noch ausstehenden Einfuhren nun storniert, um den Markt nicht zusätzlich mit Importen zu belasten. Sollte sich die Marktlage in den kommenden Tagen und Wochen nicht normalisieren, ist eine weitere Verlängerung der Importperiode möglich.

Wird Rindfleisch mit Beiträgen des Bundes eingefroren?

Der Proviande-Verwaltungsrat hat beim Bundesamt für Landwirtschaft zusätzliche Mittel für Marktentlastungsmassnahmen für alle Kategorien der Rindviehgattung sowie für Gitzi beantragt. Der Bundesrat hat daraufhin beschlossen, die Beihilfen Viehwirtschaft für Marktentlastungsmassnahmen im Fleischbereich von 3,1 Mio. Franken um 3 Mio. Franken aufzustocken. Das ist leider weit weniger als erhofft. Jetzt gilt es zu beraten und zu entscheiden, für welche Massnahme wie viel der noch verbleibenden Mittel von rund 3,9 Mio Franken eingesetzt werden soll, denn 2,2 Mio Franken sind für die laufende Einlagerung von Kalbfleisch bereits aufgebraucht.

Zusätzlich ist der Absatz der Bankkälber eingebrochen. Offenbar nützt die aktuell laufende Einfrier-Aktion nicht so viel, oder sie wird zu wenig genutzt. Was sind die Gründe?

Die bereits seit dem 11. März 2020 laufende Einlagerungsaktion für Kalbfleisch wird sehr wohl genutzt. Bisher sind 424 Tonnen eingelagert oder zur Einlagerung angemeldet worden (Stand 1.4.2020). Da Kalbfleisch aber überproportional in der Gastronomie konsumiert wird, bleibt der Druck durch den Wegfall dieses Absatzkanals hoch. Kälber zu schlachten, deren Fleisch einzufrieren, damit viel Kapital zu binden, ohne zu wissen, ob und wann das Fleisch wieder dem Markt zugeführt werden, birgt ein hohes Risiko. Die geringe Bereitschaft, in dieser ausserordentlichen Lage ein solches Risiko einzugehen, ist nachvollziehbar.

Osterzeit ist Gitzi-Zeit. Diese finden leider aktuell kaum Absatz. Was unternimmt hier Proviande?

Die vom Bund zur Verfügung gestellten Mittel für Marktentlastungsmassnahmen können im Rahmen des Notverordnungsrechts zur Corona-Pandemie nun auch für die Einlagerung von Gitzifleisch eingesetzt werden. Der Proviande-Verwaltungsrat wird an seiner Videokonferenz vom 3. April 2020 darüber befinden und beschliessen, wie viel Geld für das Einfrieren von Gitzifleisch eingesetzt werden soll.