Ein goldgelbes Weizenfeld kurz vor der Ernte ist ein schöner Anblick. Es ist seit jeher Ausdruck von Fülle und Zuversicht, dass die Vorräte wieder aufgestockt werden, damit sie reichen bis zum nächsten Jahr. Angenommen, es handelt sich dabei um Brotgetreide: Es ist interessant, sich vorzustellen, was aus den Körnern dereinst wird. Werden sie in den nächsten Monaten zu Mehl gemahlen? Wird daraus in einer Küche ein Kuchen gebacken oder in einer Bäckerei ein Brot? Es gäbe viele weitere Varianten für einen möglichen Werdegang eines Weizenkorns. Eine letzte ist leider auch noch zu erwähnen: Ein Teil des Kornes landet irgendwo entlang der Wertschöpfungskette im Nirwana. Als Abfall.

Wirft man einen Blick in die Statistik, lässt sich die Wahrscheinlichkeit dafür sogar in Zahlen ausdrücken: Rund ein Drittel aller essbaren Lebensmittel geht zwischen Acker und Teller verloren. Das sind in der Schweiz 2,8 Millionen Tonnen Food Waste pro Jahr, was etwa 300 Kilogramm pro Person entspricht. Rund 28 Prozent davon werden von privaten Haushalten verursacht, für 9 Prozent ist die inländische Landwirtschaft verantwortlich. Dazu kommt, dass bei der Verschwendung von Lebensmitteln Ressourcen wie Wasser, Böden und fossile Energieträger verbraucht werden und Emissionen für Transport, Lagerung, Verarbeitung und Zubereitung entstehen. Dies umso mehr, je weiter hinten in der Wertschöpfungskette der Abfall entsteht.

Lebensmittel werden vermehrt gerettet

Im Haushalt sind die Hauptgründe für Food Waste verfehltes Einkaufs- und Kühlmanagement. In der Landwirtschaft ein Überangebot für die aktuelle Nachfrage sowie Abweichungen von Handelsnormen wie etwa zu krumme Rüebli oder Schorf auf den Kartoffeln. So bleibt ein Produzent beispielsweise auf einem Feld Zwiebeln sitzen, nur weil diese knapp durch die Grössenschablone des Abnehmers fallen.

Der betroffene Bauer wird nun vielleicht auf Facebook einen Aufruf starten und die Zwiebeln für fast nichts verkaufen oder ganz verschenken. Solche Rettungsaktionen, die dank der schnellen Verbreitung auf den Sozialen Medien im Nu eine Vielzahl von Usern und Konsumenten erreichen, werden immer häufiger. Auch gibt es schweizweit bereits eine Vielzahl von Organisationen, welche übrig gebliebene Lebensmittel – frisch oder verarbeitet – zu einem günstigen Preis verkaufen oder an Bedürftige spenden. Aktiv in diesem Bereich ist etwa der Verein «Tischlein Deck Dich» in verschiedenen Städten der Schweiz. Zudem gehört die verbilligte Abgabe von Lebensmitteln mit bald ablaufendem Verfallsdatum im Detailhandel inzwischen zum Alltag. Was früher aus den Regalen direkt im Abfallcontainer landete, kann heute vermehrt vom Konsumenten «gerettet» werden.

Politik greift ein

Doch um Food Waste auf der ganzen Linie zu reduzieren, braucht es einen verstärkten Effort, der nicht erst ganz am Schluss der Lebensmittelkette eingreift, quasi als «Last-Minute-Aktion» oder gar «Last-Second-Rettung der braunen Bananen». Diesen Frühling hat nun der Bundesrat einen Aktionsplan verabschiedet, mit dem er dem Problem Food Waste entgegentreten will. Darin hält er fest, dass er die Menge an vermeidbaren Lebensmittelverlusten bis 2030 gegenüber 2017 halbieren will. In einer ersten Phase bis 2025 stehen eigenverantwortliche Massnahmen im Fokus. Dabei sieht der Aktionsplan eine branchenübergreifende Vereinbarung entlang der ganzen Wertschöpfungskette vor. Dazu gehört etwa, dass ein Betrieb sich ein konkretes Reduktionsziel setzt und seine Lebensmittelverluste misst. In der Landwirtschaft könnte eine verbesserte Anbauplanung, etwa mit Smart Farming, unterstützend sein.

Besonders herausfordernd bei der Umsetzung dürften wohl die Zuständigkeit und Freiwilligkeit verschiedener Massnahmen werden. Zum Beispiel, wenn es um Handelsnormen geht: Wer bestimmt, wie das Rüebli aussehen soll? Die Detaillisten verweisen gerne darauf, dass sie auf dem Gemüse sitzenbleiben, wenn es nicht schön genug ist. Die Konsumenten ihrerseits verweisen darauf, dass ja das Angebot im Laden (über eine lange Zeit) die Standardnormen schafft. Um aus Food-Waste-Fallen wie dieser herauszukommen, braucht es das Engagement und die Zusammenarbeit aller Beteiligten wie Konsument(innen), Händlern, Gastronom(innen), Verarbeiterbetrieben sowie Produzent(innen). Schliesslich bleibt die Frage: Können wir uns diese Verschwendung überhaupt leisten?