«Zu Beginn des Projekts standen verschiedene Ängste im Raum», sagt Kathrin Lenz: «Haben wir genug Ware, konkurrenzieren wir uns, lohnt sich der Aufwand?». Für die Bäuerin FA aus Fischenthal ZH steht fest, dass sich diese Befürchtungen nicht bewahrheitet haben.

Vorbestellen, online bezahlen und vor Ort abholen 

Seit drei Jahren gibt es das «Kauflokal» in Fischenthal, einem von drei Dorfteilen der gleichnamigen Gemeinde im Zürcher Oberland. Einmal pro Monat deponieren dort samstags gegen 10 Produzent(innen) ihre Ware, die bis Mittwoch online vorbestellt und bezahlt worden ist. Jeweils einer von ihnen und der Depotbetreuer sind vor Ort, für die Abholenden gibt es Kaffee und Kuchen oder auch mal eine Produktdegustation. Ein Newsletter erinnert die Kundschaft ans Bestellen bzw. informiert, wann der Online-Shop aktualisiert ist.

 «Ich schneide meinen Salat erst, wenn er verkauft ist», verdeutlicht Kathrin Lenz. Neben Gemüse vermarktet sie Milch, Fleisch und Wolle ihrer Schafe und Eier ihrer Hühner, sowohl via ein eigenes Abo-System als auch das gemeinsam betriebe Kauflokal. «Alle unsere Produzenten waren bereits Direktvermarkter», so Lenz. Noch mache der Anteil der Kauflokal-Verkäufe einen kleinen Teil der Einnahmen aus – aber mit steigender Tendenz. Das Projekt habe bewusst klein angefangen und könne sich noch entwickeln. «Ausserdem geht es nicht nur ums Finanzielle», betont die Zürcherin.

 «Ich schneide meinen Salat erst, wenn er verkauft ist»

Kathrin Lenz, Bäuerin FA

Im Zuge der bedürfnisorientierten Weiterentwicklung der Gemeinde

Die Entstehung des Kauflokals geht auf einen zweijährigen Prozess zur Gemeindeentwicklung in Fischenthal zurück. 2019 hatte die damalige Gemeindepräsidentin mit externer Begleitung des Büros Planval die «Werkstatt F» gestartet, um die Anliegen der Bevölkerung abzuholen. Das Kauflokal startete als Website mit Porträts lokaler Produzenten – Bäuer(innen), aber auch z. B. kreative Private, ein Catering-Anbieter, eine Imkerin und zwei Brauereien. Wer seine Produkte im Online-Shop und monatlich zur Abholung anbietet, ist aktives Mitglied im Verein. Die Porträt-Seite steht allen offen, aktuell zählt sie 23 Porträts. «Es war uns wichtig, hier ein möglichst vollständiges Bild der lokalen Direktvermarkter aufzeigen zu können», sagt Kathrin Lenz.

Einmal pro Monat ist keine hohe Frequenz, v.a. für die Vermarktung von Gemüse. «Wir haben zu Beginn diskutiert, wie häufig die Abholung stattfinden soll», erinnert sich die Bäuerin. Bei einem wöchentlichen Rhythmus sei die Gefahr grösser, dass jeweils nur wenig läuft und die Freude am Projekt schwindet. Den monatlichen Termin hielten sich die Interessierten frei. Die Produzent(innen) haben eher eine grössere Menge verfügbar. In Stein gemeisselt ist der Monatsrhythmus allerdings nicht: An den zweimal jährlich stattfindenden Produzententreffs wird diskutiert, Entscheide werden demokratisch gefällt.

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«Jeder kennt jeden» – und trotzdem von Kontakten profitiert

Abo Dies ist ein Beispiel einer Direktvermarktung mit einem breiten Sortiment im Laden «Regioherz St. Gallen». Die zugekauften Produkte sind mit Bildern der Bauernfamilien versehen. Direktvermarktung Erfolg im Hofladen mit optimiertem Sortiment Sunday, 1. September 2024 Durch die Zusammenarbeit verschiedener Betriebe entsteht ein breites und damit attraktiveres Sortiment. In Fischenthal kommt die Topografie hinzu, wie Kathrin Lenz schildert. «Die Gemeinde ist enorm langgezogen. Wir haben drei Bahnhöfe und die höchsten Berge des Kantons.» Die Bevölkerung wohnt im Tal, die Landwirtschaftsbetriebe stehen auf den umliegenden Hügeln. Fischenthal sei zwar eine ländliche Gemeinde, in der jeder jeden kennt, trotzdem habe die Zusammenarbeit und der Austausch rund ums Kauflokal den Kontakt gefördert. «Wir haben mehr voneinander erfahren, u.a., was die Produkte angeht», sagt Kathrin Lenz. Mittlerweile bestellten die Kauflokal-Produzenten auch untereinander. Wenn man sowieso ins Depot fahre mit den eigenen Waren, biete sich das Abholen im selben Zug an. «Normalerweise backe ich selbst, aber einmal im Monat kaufe ich Baguettes von der angeschlossenen Mikrobäckerei. Darauf freuen sich jeweils alle», so die dreifache Mutter.

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Die Angst vor Preisdrückerei hat sich nicht bewahrheitet

Anders als von einigen befürchtet, habe sich durch die gemeinsame Vermarktung keine Preisdrückerei ergeben. «Es ist natürlich subjektiv, aber ich habe den Eindruck, dass eher das Gegenteil passiert», bemerkt Kathrin Lenz. Einer gehe selbstbewusst voran und biete seine Ware mit gutem Preis an, andere zögen nach. Die Preise würden bezahlt, denn die Kundschaft schätze die lokalen Produkte. Die Vorabbestellung und Depot-Abholung verhindert Überschüsse und bedeutet im Vergleich zu einem betreuten Märitstand eine Zeitersparnis. Gleichzeitig ermöglicht es kleinen oder zersiedelten Gemeinden eine verstärkte lokale Direktvermarktung.

«Man kann einen positiven Dorfcharakter wiederbeleben – mit modernen Mitteln», fasst Kathrin Lenz zusammen. Das Kauflokal ist zu einem Treffpunkt geworden. In Fischenthal gebe es auf der Gemeindefläche von rund 3000 ha ansonsten «nur» eine einzelne Bäckerei und einen Volg. Die Gemeinde unterstützt das Kauflokal weiterhin. Zurecht, findet die Bäuerin. Die lokale Versorgung mit Lebensmitteln sieht sie als Teil der Infrastruktur einer Gemeinde, die schliesslich mehr Aufgaben habe als nur zu verwalten.

Mehr Informationen und Porträts auf der Website des Kauflokals Fischenthal

Wie fängt man sowas an?

Die Initiative für ein Projekt wie das Kauflokal kann laut Kathrin Lenz sowohl von Produzenten als auch Konsumenten kommen. Online-Porträts von gewerblichen und privaten Anbietenden ohne Pflicht zum Vereinsbeitritt bieten einen niederschwelligen Startpunkt. Wenn dafür eine Gemeinde-Website genutzt werden kann, ergeben sich Synergien: Wer z. B. nach den Daten für die Kehrichtabfuhr sucht, ist nur einen Klick davon entfernt, lokale Angebote kennenzulernen.

Es sei ein Irrglaube, dass zu viele Höfe dasselbe anbieten würden, sagt Kathrin Lenz. Man schlachte schliesslich z. B. nicht immer zur selben Zeit. «Wir profitieren von jedem, denn jeder bringt Kunden aus der gemeinsamen Zielgruppe von Kunden, die lokal einkaufen möchten, mit», gibt Kathrin Lenz punkto Konkurrenz zu bedenken. Auch bekomme man so andere Bedürfnisse mit. Etwa, dass Alleinstehende an Weihnachtsguetzli interessiert wären. «Für sich alleine backen sie keine. Aber wenn ich schon dabei bin, kann ich auch noch Guetzli für den Verkauf machen», findet Lenz.  So helfe der engere Kontakt sowohl unter Produzenten als auch mit den Konsumenten, die Betriebe besser auf die lokalen Bedürfnisse auszurichten.