Knapp eine Milliarde Schweine werden auf der Welt gehalten. Rund die Hälfte davon lebt in einem chinesischen Stall. Seit dem Ausbruch der Afrikanischen Schweinepest (ASP) haben sich zwar dort die Schweinebestände drastisch reduziert, von der Weltspitze verdrängt wird China jedoch noch längst nicht. Dennoch scheint die getreideverschlingende Schweinemast in diesem gigantischen Ausmass mit der weltweiten Dünger- und Getreideknappheit zumindest fragwürdig. So sinken die Schweinebestände weltweit, während die Raufutterverwerter wie Schafe, Ziegen und Rinder auf dem Vormarsch sind. Sie bedeuten weniger Nahrungskonkurrenz zum Menschen, als Schwein und Geflügel.
Fachleute gehen davon aus, dass in Deutschland in den kommenden Jahren rund die Hälfte der Schweineproduzenten aufgeben wird. Alleine in diesem Jahr sind 20 Prozent der Sauen verschwunden. Die Preise sind im Keller, wegen ASP sind kaum noch Exporte möglich, die schweren Schweine stauen sich. Aktuell bekommen die deutschen Schweinezüchter für einen 25 kg schweren Jager noch 19 Euro. Die Vollkosten für die Produktion betragen rund 64 Euro. Der Schlachtschweinepreis liegt bei gerade noch1.20 Euro je kg SG, die Produktionskosten liegen bei durchschnittlich 1.80 Euro je kg SG. Neben den marktwirtschaftlichen Problemen schlägt den Schweineproduzenten auch vonseiten Gesellschaft und Politik ein bissiger Wind entgegen. Innerhalb kürzester Zeit müssen das Kupierverbot, die Kastration unter Narkose und verschiedene Stallbauanpassungen umgesetzt werden. Die Forderungen der Konsumenten und Verarbeiter in Sachen Tierschutz und Nachhaltigkeit stehen klar im Raum und wollen erfüllt werden.
Die Schweineproduktion verlagert sich
In den reichen Industrienationen findet in Sachen Ernährung und Tierhaltung ein Umdenken statt. Doch die Produktion, die hier verunmöglicht wird, verschwindet nicht etwa vom Erdboden. Verlagert wird die Erzeugung billigster Fleischprodukte stattdessen in Billiglohnländer, wo Themen wie Umwelt- oder Tierschutz eine untergeordnete Rolle spielen. So baute beispielsweise Kasachstan in den vergangenen Jahren seine Schweinehaltung enorm aus. Dank Milliardensubventionen vom Staat soll sich dort innerhalb von zehn Jahren die Rinder- und Schweineproduktion verdoppeln. Geplant ist unter anderem der jährliche Export von 80 000 t Rindfleisch nach China. Boden für die Produktion ist reichlich vorhanden und der kasachische Staat stellt ihn seinen Landwirten nahezu kostenlos zur Verfügung. Auch sonst ist die Produktion fast unschlagbar günstig. Die Futterkosten betragen etwa einen Viertel der Kosten hierzulande.
Auch Brasilien hat genügend Fläche, billige Arbeitskräfte und Getreide, um günstig Fleisch zu produzieren.Hier hat die Rindfleischproduktion in den vergangenen sechs Jahren um knapp sieben Prozent abgenommen. Gestiegen ist die Schweineproduktion um gut 20 Prozent und Geflügel um 6,6 Prozent. Der Pro-Kopf-Konsum der brasilianischen Bevölkerung ist um je drei Kilo Schweine- und Geflügelfleisch gestiegen. Rund ein Drittel des Geflügels und etwa ein Fünftel des Rind- und Schweinefleischs werden exportiert. Man darf gespannt sein, wie sich hier die weltweit steigenden Rohstoffpreise und die Getreideknappheit auswirken werden.
Die Geschichte wiederholt sich
Den reichen europäischen Ländern bleibt längerfristig wohl alleine die Produktion für den Heimmarkt. Sie alle werden einen starken Rückgang der Nutztierpopulation erleben und per Gesetz herbeiführen. Die europäischen Tierhalter klagen weitherum über fehlende Perspektiven und mangelnde finanzielle Sicherheit für langfristige Investitionen. Klima, Tierwohl, Tiergesundheit und Regionalität werden hier den Takt vorgeben. Mehrwerte, die per Gesetz produziert werden müssen, aber zumindest im Ausland keine Käufer finden werden. In weiten Teilen der Welt ist alleine der Preis das Verkaufsargument. Oftmals gezwungenermassen.
Es ist sicher gut, wenn die Menschheit in Sachen Nutztierhaltung, Wertschätzung gegenüber Lebensmitteln, Umwelt- und Ressourcenschutz über die Bücher geht. Jeden Tag Schwein auf dem Teller wird in Zukunft nicht drinliegen. Gut wäre es, wenn die Billiglohnländer, welche jene Produktion übernehmen, die Europa gerade abschafft, nicht die gleichen Fehler wiederholen würden. Orientiert sich die Fleischproduktion jedoch weiterhin alleine am Markt statt an einem Minimum von Moral, dann wird auch Kasachstan seinen Schweinezüchtern in zwanzig Jahren das betäubungslose Kastrieren verbieten müssen oder den Schleppschlauchverteiler befehlen.