An dieser Generalversammlung konnten für einmal sogar stark Kurzsichtige jede Zahl der Jahresbilanz auf der Leinwand erkennen. Die 57. ordentliche GV der Anicom AG fand nämlich im Filmtheater Verkehrshaus Luzern statt, wo sich die grösste festinstallierte Leinwand der Schweiz befindet.
Erneut ein schwaches Jahr
Weniger gross war die Begeisterung von Stefan Schwab, als er die Bilanzzahlen erläuterte: «Der Betriebsertrag liegt zwar im ähnlichen Rahmen wie im Vorjahr. Das kann uns aber nicht zufriedenstellen, da schon 2022 ein schwaches Jahr war», so der Vorsitzende der Geschäftsleitung. Die Nettoerlöse stiegen zwar 2023 um rund 4 Mio. Franken, diese Zunahme kam aber vorwiegend aus dem Rindviehbereich. Bei den Schweinen waren die Umsätze ähnlich tief wie im Vorjahr. Die Preise lagen zwar auf einem höheren Niveau, die Handelsmenge war aber tiefer. Total musste Stefan Schwab infolge tieferer Dienstleistungsentschädigungen und gestiegener Logistikkosten einen Jahresverlust nach Steuern von 287 000.- Franken präsentieren. Auf das Auszahlen von Dividenden wurde auch dieses Jahr verzichtet.
Die vergangenen Jahre hätten gezeigt, wie entscheidend die Inlandanteile in den verschiedenen Tierkategorien seien. «98 Prozent Inlandanteil beim Schweinemarkt im Jahr 2023, das ist einfach zu viel, entsprechend sind die Preise in den Keller gefallen», so Stefan Schwab weiter. «Wir haben in dieser Phase 200 Mio. Franken an Wertschöpfung zu vernichten, bei diesen Marktsituationen gibt es keine Gewinner.» Wie es funktionieren würde, zeige der Muni-Markt wo man den Inlandanteil im Griff habe und mit Exportfreigaben arbeite. Da herrschten gute und nachhaltige Preise.
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«Es braucht mehr Offenheit»
Für nachhaltige Marktverhältnisse und eine produktive Landwirtschaft plädierte auch Verwaltungsrats-Präsident Heinz Mollet: «Dazu braucht es nicht noch mehr Kontrollen, sondern Innovationen im Stall und auf dem Feld.» Der Netto-Selbstversorgungsgrad der Schweiz sei innert weniger Jahre von 50 auf 45 Prozent gesunken. Das sei vor allem infolge schwacher Erträge Pflanzenbau geschehen. Das Wetter und der Wegfall von immer mehr Pflanzenschutzmitteln seien die Hauptgründe für diese Entwicklung. «Es braucht von der Gesellschaft, der Politik und den Behörden mehr Offenheit gegenüber neuen technologischen Lösungen.»
Grundsätzlich blickt die Anicom AG positiv in die Zukunft. Es werde auch zukünftig Fleisch brauchen. Die Schweizer Bevölkerung wachse jährlich um 100 000 Personen, also mehr als die Bewohnerzahl des Kantons Schaffhausen. Der Fleischverbrauch sei aktuell stabil bis leicht rückläufig. Schweinefleisch werde weiterhin vom Pouletfleisch unter Druck gesetzt. Der Konsument sei in den letzten zwei Jahren sehr preissensibel geworden; beim Labelfleisch, auch Bio, spüre man den Druck entsprechend, erklärte Marktexperte Stefan Schwab. Für ihn war es die letzte Anicom-GV. Nach 20 Jahren bei der Anicom AG wird er zur Serco Landtechnik AG, ebenfalls eine Fenaco-Unternehmung, wechseln.
Stiller Schaffer mit Stehvermögen
«Stefan Schwab ist kein Lautsprecher, sondern ein stiller Schaffer. Er zeigte als aktiver Marathonläufer in den letzten 20 Jahren viel Stehvermögen», rühmte ihn Heinz Mollet bei der Verabschiedung. Er habe mit seinem Team beim Viehtransport im Bereich Tierwohl neue Massstäbe gesetzt und die Digitalisierung der Anicom entscheidend vorangetrieben.
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Peter Sprecher neuer Verwaltungsrat
Als sein Nachfolger wurde Christian Probst aus Günsberg SO präsentiert. Dieser zeigte sich an der GV erfreut über seine neue Aufgabe: «Ich freue mich auf die grossen Herausforderungen. Insbesondere die Gesundung des Schweinemarktes wird uns weiterhin beanspruchen.» Aber auch die Remonten-Beschaffung beim Rindvieh werde angesichts des sinkenden Milchkuhbestandes fordernd. Christian Probst kennt das Unternehmen von Grund auf. Er startete vor rund 20 Jahren bei der Anicom, wo er im Juragebiet im Tränkerhandel unterwegs war.
Auch im Anicom-Verwaltungsrat gab es einen Wechsel. Peter Bruhin, der Vorsitzende der Geschäftsleitung der Laveba Genossenschaft trat nach 18 Jahren zurück. Als Nachfolger wurde der 44-jährige Peter Sprecher vom Grabserberg SG, Leiter Agrar bei der Laveba Genossenschaft, gewählt.
Anicom AG
Die Anicom AG ist ein Schweizer Agrarhandelsunternehmen, das landwirtschaftliche Nutztiere zur Zucht, Mast und Schlachtung vermarktet. Sie wurde 1966 gegründet und ist ein Unternehmen der Fenaco Genossenschaft, der Levaba Genossenschaft, des GVS Schaffhausen sowie der Tierhalterinnen und Tierhalter. Im Geschäftsjahr 2023 erwirtschaftete die Anicom AG mit 81 Vollzeitstellen und einem Volumen von 1,1 Millionen Nutztieren einen Umsatz von CHF 439 Mio.