Berta ist lahm. Das ist sie schon länger. Ihr Bauer hat die 10-jährige Kuh, die bereits Einiges geleistet hat, vor wenigen Tagen ein weiteres Mal im Klauenstand gehabt. Aktuell setzt der älteren Dame auch noch die Hitze zu. Der Bauer entscheidet sich, die Kuh, früher als geplant, zu schlachten. Was er im ersten Moment nicht bedenkt – eine lahme Kuh, ist auch eine kranke Kuh. Will er sich Schwierigkeiten mit den Behörden ersparen, muss er die Lahmheit auf dem Begleitdokument (siehe Bild) korrekt deklarieren.
Transportfähigkeit
In der Fachinformation des Bundesamts für Lebensmittelsicherheit und Veterinärwesen (BLV) steht, dass nur jene Tiere transportfähig sind, die keine Einschränkung am Bewegungsapparat aufweisen und beim Gehen alle vier Beine gleichmässig belasten. In Bertas Fall ist dem nicht so. Bei ihr ist von einer Transportfähigkeit mit Einschränkung auszugehen. Darunter fallen Tiere mit leichter Einschränkung am Bewegungsapparat. Das Tier belastet beim Gehen zum Beispiel aufgrund des Alters, der Nutzung, eines Klauenleidens oder einer leichten Gelenksentzündung nicht alle vier Beine gleichmässig. «Diese Tiere sind separiert oder in separaten Abteilen, bei angepasster Einstreue und für das Tier idealen klimatischen Bedingungen und regelmässiger Überwachung durch den Transporteur zu transportieren», steht in der Fachinformation. Aber nicht nur der Transport ist relevant, sondern auch das Deklarieren der Lahmheit. Auch ohne Medikamenteneinsatz ist Berta nicht gesund. «Jede Lahmheit ist auf dem Begleitdokument anzugeben. Wenn ein Tier nicht alle vier Gliedmassen gleichmässig belastet sind sichernde Massnahmen für den Transport vorzunehmen (Separierung, dicke Strohschicht). Solche Tiere sind auf möglichst direktem Weg und über möglichst kurze Strecken in die Schlachtanlage zu transportieren und nicht über Märkte zu handeln oder Sammeltransporten mitzugeben», erklärt der Berner Kantonstierarzt Reto Wyss auf Anfrage.
Wenn ein Tierhalter Zweifel hat, ob das Tier transportfähig ist oder nicht, «muss er einen Tierarzt beiziehen, der die Transportfähigkeit beurteilt und bescheinigt», so Wyss. Ein tierärztliches Zeugnis sei immer möglich und im Zweifelsfall auch angebracht, ergänzt der Kantonstierarzt.
Die Lahmheit bestimmen
Der Kantonstierarzt Reto Wyss verweist auf einen deutschen Praxis-Leitfaden zur Bestimmung der Transportfähigkeit von adulten Rindern. Im Zusammenhang mit Lahmheiten werden darin vier Stufen beschrieben.
Stufe 1, transportfähig:Gewicht ist gleichmässig auf alle vier Beine verteilt; Bewegung erfolgt gleichmässig mit langen, flüssigen Schritten. Die Rückenlinie ist gerade.
Stufe 2, transportfähig mit Deklaration: Ungleichmässiger Gang (Rhythmus oder Belastung), Schritte verkürzt; Betroffene Gliedmasse(n) nicht auf Anhieb zu identifizieren.
Stufe 3, transportfähig mit Deklaration und evt. ärztlicher Rücksprache: Ungleichmässige Belastung der Gliedmassen. Das betroffene Bein ist sofort identifizierbar. Und/oder die Kuh macht offensichtlich verkürzte Schritte (üblicherweise mit einem aufgebogenen Rücken).
Stufe 4, nicht transport- fähig: Das Tier kann nicht so schnell gehen wie ein zügiger Mensch (hält nicht mit der gesunden Herde Schritt) und zeigt die Symptome der Stufe 3.
Der Notfall
Doch was ändert für den Landwirt, wenn ein Tier als Notschlachtung deklariert wird? «Es ändert sich grundsätzlich nichts», sagt Reto Wyss. Entscheidend sei das Ergebnis der Fleischkontrolle. «Allenfalls findet sich für ein Tier, das notfallmässig geschlachtet werden muss nicht der Abnehmer, der den höchsten Preis bezahlt. Zentral in solchen Fällen ist aber, dass das Tier schonend und korrekt behandelt und möglichst rasch im nächsten möglichen Schlachtlokal geschlachtet wird», ergänzt er.
Bertas Leiden ist keine Ausnahme. Immer wieder kommt es auf Betrieben zu Abgängen aufgrund der Fundamentsgesundheit. Richtig deklariert und korrekt abgewogen ist das auch kein Problem.Simone Barth