«Ich verstehe bis heute nicht, dass man dem Dieb mehr glaubt als mir», sagt Josef Lenherr. Obwohl der Bauer aus Gossau SG Beweisfotos hat, genügten diese der zuständigen Staatsanwaltschaft nicht. Seit das «St. Galler Tagblatt» vor zwei Wochen über seine Geschichte berichtete, bekommt er «eine wahnsinnige Resonanz». Auch die Schreibende der BauernZeitung hat deswegen bei ihm angerufen.

Mann mit Totenkopf-Tattoo

Aber von Anfang an: Der Biobauer verkauft einen kleinen Teil der Eier seiner 1600 Legehennen direkt. Manchmal bietet er auch Honig oder Äpfel an. Die Kunden nehmen die Eier aus dem Kühlschrank und werfen das Geld in einen Schlitz. Es fällt in eine Kasse im dahinter liegenden Lagerraum.

400 Franken Eiergeld weg

Vor einem Jahr wurde die Kasse mehrmals geplündert. «Der Täter hat 400 Franken Eiergeld aus einer Kartonschachtel gestohlen», erzählt der 64-Jährige. Nun hatte der Landwirt genug, er installierte eine Wildtierkamera hinter einer Lampe. Am 5. Mai 2020 entstehen Bilder eines Mannes mit einem Totenkopf-Tattoo auf der Hand. Sie zeigen, wie er eine Schublade öffnet, sich verstohlen umschaut und das Geld nimmt.

Josef Lenherr erkannte den Mann sogleich wieder. Er sei schon mehrmals auf dem Hof gewesen, einmal habe er nach einem verlorenen Schlüssel gefragt. «Gekauft hat er nie etwas.» Zwei Tage nach einer Anzeige gegen Unbekannt konnte die Polizei den Mann verhaften und befragen. Das war im vergangenen Juni.

Beweislage «ungenügend»

Im Oktober kam dann dicke Post in Form eines eingeschriebenen Briefs des Untersuchungsamts Gossau. «Das Strafverfahren gegen A. wegen Diebstahls und Hausfriedensbruch wird eingestellt», steht darin. Die Kosten für die Verfügung von 250 Franken übernehme der Kanton. Die Beweislage sei «derart ungenügend», dass das Verfahren einzustellen sei.

Der Beschuldigte sagte dem Staatsanwalt, er habe nur Wechselgeld aus der Kasse genommen wie andere Kunden auch. «Allein der Umstand, dass vom Beschuldigten ein Foto aufgenommen wurde, auf welchem er in die Kasse griff, vermag ihn nicht als Täter zu überführen», hiess es im Schreiben. Für Josef Lenherr ist das absolut unbegreiflich.

«Lügen völlig unverfroren»

Auch der Vorwurf des Hausfriedensbruchs wurde fallengelassen. Obwohl Kunden im Lagerraum nichts zu suchen haben, hatte der mutmassliche Täter auch da eine Ausrede parat.

Er habe einen Stift gesucht, um seine Telefonnummer wegen eines verlorenen Schlüssels zu hinterlassen. Das decke sich mit Josef Lenherrs Aussage, dass sich der Mann schon einmal nach einem Schlüssel erkundigt habe, befand die Staatsanwaltschaft. Darüber kann der Bauer nur den Kopf schütteln. Der Polizeirapport sei auf seiner Seite gewesen. «Einer der Polizisten hat mir später gesagt, dass sie von solchen Leuten oft völlig unverfroren angelogen werden.»

«Lacht sich ins Fäustchen»

Josef Lenherr verlangte ein Gespräch mit dem Staatsanwalt. Er solle stattdessen eine Mail schreiben, hiess es. «Der Dieb lacht sich ins Fäustchen über dieses Urteil», schrieb Lenherr darin. Eine Antwort sei ausgeblieben.

Die Staatsanwaltschaft wollte den Fall gegenüber dem «St. Galler Tagblatt» nicht kommentieren. Angefochten hat der Landwirt die Einstellungsverfügung nicht: «Das nützt sowieso nichts. Aber seit der Artikel erschienen ist, hatten wir keine Diebstähle mehr.» Der Mann mit dem Totenkopf-Tattoo ist seit seiner Verhaftung auch nie mehr aufgetaucht.

Viele positive Reaktionen

Josef Lenherr freut sich über den vielen Zuspruch, den er erhalten hat: «Niemand versteht dieses Urteil.» Er hat einige Anpassungen am Hofladen vorgenommen: «Die Kasse wird täglich geleert und an der Tür zum Lagerraum hängt jetzt ein Schild ‹Zutritt verboten›.»