Importiertes Fleisch wird in der Regel als vermeidbare Konkurrenz für die einheimische Produktion gesehen und daher häufig kritisiert. Greenpeace setzt sich generell für weniger tierische Produkte im Detailhandel ein und hat kürzlich einen Bericht zu brasilianischem Fleisch in Schweizer Supermärkten veröffentlicht. Darin wird Coop wegen mangelnder Transparenz und Migros wegen falscher Versprechen angeprangert.
«Grösste Bedrohung für den Regenwald»
[IMG 2]«Die brasilianische Rindfleischindustrie ist die grösste Bedrohung für den Amazonas-Regenwald», schreibt Greenpeace. Weiterhin gelangten aber «jedes Jahr Hunderte Tonnen» brasilianisches Rindfleisch in die Schweiz. Konkrete Steine des Anstosses sind in diesem Bericht M-Budget-Trockenfleisch und -Bresaola bei Migros und Corned Beef der Marke Bonfine in den Coop-Regalen. «Kann Spuren von Abholzung enthalten», schlussfolgert Greenpeace zum fraglichen Dosenfleisch.
«Diese beiden Eigenmarken-Artikel stammen nicht aus Regionen, die von Abholzung betroffen sind», versichert Migros-Sprecher Tristan Cerf auf Anfrage zum M-Budget-Trockenfleisch. Damit erfülle die Migros die Verpflichtung, keine Ware aus von Abholzung bedrohten Gebieten anzubieten. Dieses Ziel hat sich die Detailhändlerin selbst gesteckt.
800 ha gerodet
[IMG 3]Greenpeace hat gemäss Bericht ein auf Nachhaltigkeitsforschung spezialisiertes Unternehmen mit Nachforschungen zur genauen Herkunft des brasilianischen Rindfleisches beauftragt. Kritisch ist demnach die Lieferkette beim Corned Beef, das Coop verkauft: Anhand von Satellitenbildern sei nachweisbar, dass im fraglichen Produktionsgebiet in den letzten 15 Jahren 800 ha heimischer Vegetation gerodet worden seien. «Die Bilder zeigen ausserdem, dass mehr als die Hälfte dieser Flächen in den letzten vier Jahren gerodet wurde», so Greenpeace.
«Die Vorwürfe nehmen wir sehr ernst», sagt Sina Gebel, Mediensprecherin bei Coop. Der Markenhersteller des Corned Beefs habe sich vertraglich verpflichtet, die Richtlinien von Coop für nachhaltige Beschaffung einzuhalten. «Darin sind entwaldungsfreie Lieferketten geregelt», erklärt Gebel. Man habe umgehend Kontakt mit dem Hersteller aufgenommen, werde dem Fall nachgehen und Untersuchungen einleiten.
«Bei Charcuterie sind mehr Importe naheliegend»
Insgesamt machen sowohl Migros als auch Coop klar, dass Schweizer Fleisch in ihrem Sortiment an erster Stelle stehe. «Fleisch wird grundsätzlich nur importiert, wenn es in der Schweiz nicht in ausreichender Quantität oder Qualität verfügbar ist», heisst es bei Coop. Rund 90 Prozent des Fleischs bei Coop stammten aus der Schweiz. Ähnlich klingt es bei der Konkurrenz: «Das Bestreben der Migros ist es, wenn immer möglich, Schweizer Produkte zu verkaufen», sagt Tristan Cerf. Mehr als 85 Prozent des frischen Rindfleischs stammten aus hiesiger Produktion.
Er führt allerdings auch den Faktor Preis an: «Erst wenn Produkte aus Mengen-, Qualitäts- oder Preisgründen nicht ausreichend vorhanden sind, importieren wir», so der Migros-Sprecher. Bei Charcuterie sei es indes naheliegend, dass es mehr Importe gebe als bei frischem Fleisch. Das betreffe Spezialitäten wie italienische Salami oder spanischen Rohschinken, aber auch Produkte im Niedrigpreissegment. Unter Letzterem dürfte das von Greenpeace bemängelte Trockenfleisch aus Brasilien laufen.
Zusammenarbeit und Vertrauen vor Ort
Coop verfolgt nach eigenen Angaben das Ziel, bis 2026 100 Prozent der kritischen Rohstoffe mit Abholzungsrisiko für Eigenmarken aus entwaldungsfreien Quellen zu beziehen. Das gelte auch für Fleisch. «Per Ende letzten Jahres haben wir 82,5 Prozent erreicht», gib Sina Gebel Auskunft. In der Schweiz engagiere sich Coop vielseitig für einen nachhaltigen Fleischsektor, etwa durch die Mitgliedschaft bei Donau Soja oder mit der Beteiligung an einem Versuch zur Methanreduktion durch Futtermittelzusätze für Rinder. Um entwaldungsfreie Lieferketten für die Coop-Eigenmarken sicherzustellen, arbeite man unter anderem in konkreten Projekten vor Ort direkt mit Bauern und deren Organisationen zusammen.
Auch die Migros betont langfristige Beziehungen zu ihren Produzenten und rechtfertigt damit die Herkunft der beiden M-Budget-Fleischprodukte aus Südamerika. «Durch den Aufbau von langfristigem Vertrauen können wir sicherstellen, dass diese Produkte nicht aus von Abholzung betroffenen Regionen stammen», sagt Tristan Cerf.